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„Sonst ist es zu spät“

In einer bewegenden Petition macht die Tierärztin Marianna Frena auf die dramatische Situation der Milchbauern aufmerksam – und zeigt mögliche Lösungen auf.

von Heinrich Schwarz

In Südtirol macht eine Online-Petition die Runde, die vielen Bergbauern aus der Seele spricht. Die Petition mit dem Titel „Hilfe für Südtiroler Milch-, Mast- und Zuchtbetriebe – Appell an die Vernunft und an unseren Hausverstand“ wurde innerhalb weniger Tage schon mehr als 6.000 Mal unterschrieben.

Es war die Möltner Tierärztin Marianna Frena, die die Initiative lancierte. Sie schreibt in der Petition:

„Ich bin nur eine kleine, unbedeutende Tierärztin, die es wagt, in unserem schönen Land ‚laut zu denken‘. Da ich mittlerweile seit zwölf Jahren in Südtirol, für und mit unseren Milchbauern, mit Zucht- und Mastbetrieben arbeite, sehe ich den Fleiß und den Einsatz meiner Kunden für ihre Tiere und deren Wohlergehen. Aber ich sehe auch immer mehr Leid und Verzweiflung.

Vor allem in letzter Zeit häufen sich Depressionen und immer öfter höre ich auch von Selbstmordgedanken. Das macht mich traurig und zugleich wütend, da es in unserem Land nicht an Geld mangelt, sondern an Unverständnis dem Nächsten gegenüber. Es wird zwar immer viel geredet, aber keiner nimmt sich die Zeit, auch mal hinter die Kulissen zu blicken.“

In der Öffentlichkeit werde immer darüber geredet, wie viel die Bauern an Beiträgen kassieren, so Marianna Frena, allerdings müsse ein Bauer den Großteil der Kosten für die vielen Fahrzeuge, Maschinen und Geräte selbst tragen.

„Auch wird gerne vergessen, dass der Tag eines Bauern zwischen vier und fünf Uhr morgens beginnt. Die Kühe müssen gefüttert, gemolken und versorgt werden. Da reicht es aber nicht, mal schnell etwas Heu und teures Kraftfutter zu geben und dann in die zweite Arbeitsstelle zu springen, denn es braucht viel Wissen, Achtsamkeit und Erfahrung vonseiten des Bauern“, betont die Tierärztin.

Hinzu komme die Zeit für die Pflege der Wiesen. Und die Arbeit des Bergbauern koste viel Geld, denn es seien immer wieder Reparaturen notwendig und Verbrauchsmittel nachzukaufen. „Ohne zweites Einkommen wären diese Ausgaben niemals zu stemmen. Doch dafür spart sich der Bauer das Geld für seinen Urlaub, denn dieser ist sowieso nicht drin. Die Kühe wollen 365 Tage im Jahr gemolken werden“, so Marianna Frena.

Die Anforderungen und Auflagen für die Bauern würden nicht geringer. Die aktuellste Forderung sei jene nach dem Tierwohl, die zwar nachvollziehbar sei, aber ebenfalls mit Kosten verbunden.

„Alles und alle, die irgendwie mit der Landwirtschaft zusammenhängen, profitieren bzw. leben von der Arbeit unserer Bauern. Ich vermisse den Aufschrei von all diesen Menschen“, schreibt Frena.

Die aktuelle Preissituation bringt sie exemplarisch auf den Punkt: „Wie soll ein Bauer seine Tätigkeit finanzieren, wenn ein Kilo Kraftfutter bereits mehr kostet als für einen Liter Milch ausbezahlt wird? Von den Gas-, Strom- und Treibstoffpreisen ganz abgesehen.“

Marianna Frena unterstreicht: „Wer nicht vollkommen blind ist, muss doch sehen, dass die Milchwirtschaft am Abgrund steht! Wir müssen unseren Bauern in dieser außerordentlich schwierigen Zeit unter die Arme greifen, denn das Milchgeld samt zusätzlicher Arbeit reicht immer öfter nicht mehr für das Leben.“

Immer mehr bäuerliche Familien würden die Milchlieferung aufgeben. Trotz allem vermisst Marianna Frena Lösungen vonseiten der höchsten Stellen. Aufgezeigte Lösungsvorschläge würden einfach ignoriert.

Laut der Tierärztin aus Mölten gibt es sehr wohl Möglichkeiten. Sie listet auf:

– Als Soforthilfe eine Unterstützung, um die Futtermittelpreise etwas abzufedern.

– Erhöhung des Milchpreises, der auch bei den Bauern ankommt (wurde in Österreich und in Deutschland bereits gemacht).

– Verpflichtung für Mensen, Ausspeisungsstätten und die gesamte Sanität, nur hochwertige einheimische Bauernprodukte zu verwenden.

– QR-Code auf Speisekarten, um die Herkunft der Ware nachzuvollziehen.

– 1,00 bis 1,50 Euro Kurtaxe auch für die Bauern, denn die Landschaft pflegt sich nicht von alleine.

„Das wären alles machbare Vorschläge, die aber aus irgendwelchen Gründen nicht aufgegriffen werden“, meint Marianna Frena. Die zuständigen Institutionen würden stillschweigend weiterarbeiten.

„Wenn Bauern ihre Heimat, ihre Arbeit, ihr Lebenswerk aufgeben, Jungbauern die elterlichen Betriebe nicht mehr übernehmen, dann sollte uns allen bewusst sein, dass das auch uns direkt betrifft“, appelliert die Tierärztin an die Bevölkerung, Politik und Bauern-Institutionen.

Frena weiter: „Wir alle haben von den Bauern bis jetzt gut gelebt und ihre Arbeit nicht oder nur unvollkommen gesehen und nicht ausreichend geschätzt. Unsere Überheblichkeit gegenüber den Bauern wird uns noch alle teuer zu stehen kommen. Wir alle bestreiten unseren Unterhalt und können unsere Familien ernähren, weil es die Bauern gibt. Es ist an der Zeit, dass wir aufwachen und die Realität sehen. Die Milchbauern brauchen jetzt Hilfe, denn sonst ist es zu spät.“

Es sei etwas Mitgefühl, Empathie und Pflichtgefühl angebracht. „Ich bin optimistisch, dass wir alle zusammen eine schnelle und angemessene Lösung für unsere Bauern finden werden“, schließt Marianna Frena ihre Online-Petition auf „www.petitionen.com“.

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