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Der Vertuscher

Philipp Achammer hat bereits im Sommer 2021 von den Buchrecherchen zum SAD-SVP-Skandal gewusst. Mit welchen Mitteln er versucht hat, das Erscheinen des Enthüllungsbuches „Freunde im Edelweiß“ zu verhindern.

von Artur Oberhofer

Philipp Achammer hat ein stressige Tage hinter sich. Der SVP-Obmann hat in der vergangenen Woche stundenlang an der Strippe gehangen, um mit seinen (wenigen) Getreuen eine Strategie zu entwickeln, wie die Parteispitze auf die Enthüllungen im Buch „Freunde im Edelweiß“ reagieren könnte.

Und wie so oft in letzter Zeit: Der SVP-Chef machte so ziemlich alles falsch, was man/frau nur falsch machen kann.

So erklärte Philipp Achammer in einer ersten Stellungnahme nach der Buchvorstellung: „Das Buch enthält keine neuen Fakten.“

Nun sagen Spitzen-Vertreter der SVP im Hintergrundgespräch: Okay, wenn Achammer all die Fakten, die im Buch dargelegt werden, bekannt waren, warum hat er nicht schon längst darauf reagiert?

Zwar wird der Partei-Chef noch von seinem Hausblatt, der Tageszeitung „Dolomiten“ unterstützt, aber die Basis begehrt gegen den Obmann auf.

In den vergangenen Tagen haben Philipp Achammer unzählige WhatsApp-Mitteilung von entsetzten Ortsobleuten, braven Parteisoldaten und empörten Partei-Funktionären erreicht.

Der Tenor: So könne es im Edelweiß nicht weitergehen. Man könne nach diesen Enthüllungen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Die über einen QR-Code im Buch abrufbaren Audio-Dateien sind inzwischen weit über 100.000 Mal abgerufen worden. Und der Druck auf den Parteiobmann dürfte weiter wachsen, wenn die SVP-Basis erst einmal das Buch gelesen hat.

In dem Buch wird nicht nur detailliert nachgezeichnet, wie eine mächtige Seilschaft innerhalb der SVP um Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, Landesrat Thomas Widmann, Bezirksobmann Christoph Perathoner, Senator Meinhard Durnwalder u. a. Landeshauptmann Arno Kompatscher stürzen und die Politik in Südtirol bestimmen wollte.

In dem Buch wird auch der Nachweis erbracht, dass, erstens, Philipp Achammer, seit Sommer 2021 gewusst hat, dass ein Buch zu den SAD-Audio-Dateien erscheinen wird. Und, zweitens, anstatt den Informationsvorsprung zu nutzen und in seiner Partei aufzuräumen, hat der Partei-Chef das Spiel jener Clique gemacht, die die SVP mit ihren fragwürdigen Machenschaften nun in eine der tiefsten Krisen ihrer Geschichte gestürzt hat. Und: Achammer hat alles versucht, das Erscheinen des Enthüllungsbuches zu verhindern.

Der Skandal im Skandal: Philipp Achammer höchstpersönlich ist wenige Wochen vor dem Erscheinen des Buches „Freunde im Edelweiß“ zum Staatsanwalt gelaufen – um das Erscheinen des Buches zu verhindern.

Achammer, der Zudecker. Der Vertuscher.

Der Skandal im Spiegel der Medien

Die Fakten zu Philipp Achammers Vertuschungsaktionen: Im Frühsommer 2021 geht innerhalb der SVP das Gerücht um, dass zwei Journalisten – der Autor dieser Zeilen und Christoph Franceschini von Salto.bz – an einem Buch zur SAD-Affäre arbeiten.

Am 25. Juni 2021 meldet sich SVP-Chef Philipp Achammer via WhatsApp bei einem der beiden Journalisten. „Hast du demnächst mal Zeit auf einen Kaffee?“ Es kommt in der Folge – am 29. Juni und am 16 Juli 2021 – zu zwei Treffen im Garten des Hotel Figl in Bozen.

Im Zuge der beiden Hintergrundgespräche – so wie sie Journalisten und Politiker immer wieder führen und bei denen das eiserne Prinzip der gegenseitigen Verschwiegenheit gilt –, bestätigte der Autor dieser Zeilen dem SVP-Obmann die Buchpläne.

Achammer zeigte sich geschockt. Er sagte, er könne Journalisten nicht verbieten, etwas zu schreiben, aber er erkundigte sich, „ob es denn Möglichkeiten gibt, von einer Buchveröffentlichung abzusehen“.

Wörtlich sagte Philipp Achammer:

„Ich appelliere aber an euer Verantwortungsgefühlt, ihr müsst wissen: Wenn das Buch erscheint, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen, dann kippt das Denkmal (Luis) Durnwalder, ich kann mich mit ihm nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Wenn das Buch erscheint, dann bleibt kein Stein mehr auf dem anderen, das reißt die Partei auseinander.“

Aus den Worten des SVP-Chefs wird deutlich, dass er bereits damals die Inhalte der kompromittierenden Audio-Dateien kannte – und sich der Dimension des Skandals, der da am Köcheln war, bewusst war.

Aber anstatt sich jene SVP-Mitglieder vorzuknöpfen, die in diesen Audio-Dateien Unsägliches gegen andere Parteimitglieder von sich geben, und parteiintern aufzuräumen, weihte Philipp Achammer – wie aus Akten, die den Autoren des Buches jetzt vorliegen – Alt-LH Luis Durnwalder, Thomas Widmann, Christoph Perathoner, Meinhard Durnwalder u. a. in die Buch-Pläne ein und entwickelte mit diesen einen mehrstufigen Plan, das Erscheinen des Buches zu verhindern.

Durnwalder und Achammer im Wahlkampf 2013

Bereits in den Hintergrundgesprächen vom Juni und Juli 2021 sagte Philipp Achammer:

„Die werden massiv zurückschlagen. Es werden bereits Dossiers gegen die Personen vorbereitet, die die Daten an euch weitergegeben haben.“

Genau so ist es gekommen.

Das Tagblatt der Südtiroler, und mit ihm der „Alto Adige“, der ebenfalls zu Athesia gehört, haben das Buch bzw. die Inhalte des Enthüllungsbuches tagelang totgeschwiegen und stattdessen SVP-Vizeobmann Karl Zeller ins Visier genommen, der in ihren Augen der Nestbeschmutzer ist.

Die Strategie ist nicht nur durchsichtig wie eine billige Klarsichtfolie, sondern sie belegt auch eindrucksvoll, wie Athesia seinen Monopolstatus in eigener Sache nutzt. Der Athesia-Konzern kontrolliert bekanntlich 70 Prozent des Medienmarktes in Südtirol.

Um vom eigentlichen Skandal abzulenken, bläst Athesia seit Wochen zur Jagd nach den Informanten der Buchautoren. Erfolglos, freilich. Denn die Menschen und die unzähligen anständigen Mitglieder in der SVP interessiert nicht, wer den Enthüllungsjournalisten die Tonbänder geleakt hat, sondern sie interessiert der Inhalt dieser Audio-Dateien.

Der eigentliche Skandal besteht darin, dass SVP-Chef Philipp Achammer selbst aktiv und wiederholt versucht hat, das Erscheinen des Enthüllungsbuches zu verhindern.

Es gibt zwei haarsträubende Details, die den Unmut in der SVP-Basis noch weiter zum Kochen bringen dürften.

Am 13. Jänner dieses Jahres hat Philipp Achammer bei einem der Autoren des Buches via WhatsApp nachgefragt, wann das Buch erscheint. Offenbar im Auftrag von Luis Durnwalder.

Denn am darauffolgenden Tag, am 14. Jänner 2022, hat Alt-LH Luis Durnwalder seine Eingabe an den Nationalen Datenschutzbeauftragten unterzeichnet, mit der er ein Veröffentlichungsverbot gegen das Buch erwirken wollte.

Mehr noch: Am 11. Februar 2022, das war ein Freitag, tauchte Philipp Achammer im Justizpalast in Bozen auf, um mit dem stellvertretenden Staatsanwalt Igor Secco zu sprechen.

Achammer lotete in diesem Gespräch aus, ob die Staatsanwaltschaft die Veröffentlichung der SAD-Audio-Dateien verhindern könnte.

Der SVP-Chef musste allerdings ernüchtert feststellen, dass zumindest die Justiz in Südtirol nicht nach der Pfeife einer gewissen Clique innerhalb der SVP tanzt.

 

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