„Die heiße Phase ist vorbei“
In Südtirol gab es einen starken Anstieg an Neuinfektionen. Der Infektiologe Gernot Walder erklärt, warum man sich darüber keine Sorgen machen muss – und die Lockerungen der Maßnahmen richtig sind.
In Südtirol, aber auch in Österreich steigen die Infektionszahlen wieder. Womit ist dieser Anstieg zu erklären? Haben die Semesterferien damit etwas zu tun?
Die derzeit vorherrschenden Omikron-Varianten sind sehr leicht übertragbar. Das in Kombination mit einer Reduktion der Hygienemaßnahmen und Testvorschriften reicht als Erklärung für die hohen Infektionszahlen aus, die Ferien und Reisetätigkeiten werden natürlich auch dazu beigetragen haben.
Einige Personen sind bereits beunruhigt: Kommt es jetzt zu einer neuen Welle?
Sie kommt nicht, sie ist schon da – und wird in den nächsten Wochen abklingen.
Ist dementsprechend auch mit einem Anstieg der Coronapatienten in den Spitälern zu rechnen?
Omikron zeichnet sich gottseidank durch eine relativ geringe Pathogenität aus. Zwar wird die Zahl coronapositiver Patienten in den Krankenhäusern noch ansteigen, eine Überlastung der Sanitätsstrukturen ist aber nach heutigem Wissensstand wenig wahrscheinlich.
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor einer Sommerwelle gewarnt. Könnte es tatsächlich dazu kommen? Wie gefährlich wird diese Welle?
Derzeit spricht nichts dafür, dass eine Sommerwelle kommt, auch wenn Überraschungen nicht ausgeschlossen sind. Im Herbst ist allerdings wieder ein Ansteigen der Fallzahlen zu erwarten.
Was bedeutet das für die Maßnahmen, die nun gelockert wurden oder gelockert werden sollen?
Wenn das Ziel der Maßnahmen darin besteht, eine Überlastung der Sanität beziehungsweise der Intensivstationen zu verhindern, sind die Lockerung offensichtlich zu Recht erfolgt. Je länger die Viruszirkulation andauert, umso weniger wahrscheinlich wird es, dass sehr einschneidende Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles notwendig werden.
Werden einige Maßnahmen – wie die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen – uns den Sommer über begleiten? Werden wir im Herbst erleben, dass einige Maßnahmen zurückkehren?
Corona wird uns dauerhaft begleiten, wird aber zunehmend von einem gesellschaftlich-psychologisch-politischem Thema zu einem rein medizinischen Problem. Herbst und Winter sind seit jeher die Zeit der respiratorischen Infektionen, da wird auch in den nächsten Jahren das Einhalten guter Hygienestandards und gewisser Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll sein. Nicht allein wegen Corona, sondern auch wegen Influenza und anderen Erregern.
Ihr Labor hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der Sie das Entstehen neuer Coronavarianten beobachten. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie?
Neue Varianten entstehen, wenn Risikopatienten über einen langen Zeitraum infiziert bleiben. Es ist also sinnvoll, gerade Risikopatienten konsequent bis zum Ende der Virusreplikation zu testen und durch Sequenzanalysen zu prüfen, ob sich der Erreger verändert. Impfungen, auch wenn sie „off target“ liegen, reduzieren das Risiko einer prolongierten Infektion. Der beste Schutz vor neuen Varianten mit den bestehenden Impfstoffen ist also nicht der vierte Stich in Mitteleuropa sondern eine konsequente Immunisierung von Risikogruppen in allen Teilen der Welt, besonders in wirtschaftlich benachteiligten Gebieten.
Wie kann man die Verbreitung gefährlicher Varianten am besten verhindern?
Wenn man neue Varianten frühzeitig erkennt und Labore, Ärzte und Behörden gut zusammenarbeiten, kann man die Ausbreitung neuer variants of concern im Keim ersticken – sogar ohne betroffene Patienten in ihrer medizinischen Betreuung oder Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen.
Welche Aussagekraft hat diese Studie für mögliche neue Varianten?
Corona hat auch mit Omikron noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, aber das Virus muss auch nicht alle sofort ausspielen. Neue Varianten werden auch in Zukunft kommen, die zeitlichen Abstände zwischen ihnen werden aber länger werden und sie treffen auf eine immer besser vorbereitete Immunantwort in der Bevölkerung. Es ist wahrscheinlich, dass die heiße Phase der Pandemie vorbei ist. Trotzdem sollten wir wachsam bleiben, zumindest bis uns die erste normale Wintersaison gelungen ist.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (2)
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nochasupergscheiter
Tatsache ist dass sich diese Wellen genau gleich bewegen wie die alljährlichen Grippewellen vorher, nur statistisch gesehen weniger schlimm…
Trotzdem werden die Leute weiterhin in Angst versetzt und wor werfen weiterhin unser Geld für Medikamente raus die nicht 10 Prozent von dem halten was sie versprochen hatten als gäbe es keine Alternative bzw Ausweg…
Und das geilste ist die Tatsache dass wir mittlerweile fast erwiesenermaßen von oben mit dem Virus bedacht wurden…
Wir, die wir das alles zahlen müssen sind ganz schön am arsch….