Die Schützin
Die Grüne Brigitte Foppa ist unter die Sportschützen gegangen. Sie sagt, die Stimmung im Landtag sei noch nie so schlecht gewesen wie derzeit. Und sie findet es tragisch, dass Empathie mit Hautfarbe zu tun hat.
TAGESZEITUNG Online: Frau Foppa, wir wollen Ihnen nicht zu nahe treten, aber sind Sie jetzt tatsächlich unter die Schützen gegangen?
Brigitte Foppa (lacht): Ich war von den Traminer Sportschützen eingeladen. Und mein Prinzip ist: Wenn ich irgendwo eingeladen werde, dann gehe ich auch ihn. Ich rede mit allen, das hat mir meine Mama gelernt. Ich habe grundsätzlich keine Berührungsängste. Überall, wo ich hingehe, kann ich etwas sehen, etwas lernen. Das Schöne an der Tätigkeit eines Volksvertreters ist, dass man immer wieder auf gesellschaftliches Gelände vorstoßen kann, das man sonst nie kennenlernen würde.
Haben Sie auch geschossen?
Nein, ich habe nicht geschossen, aber ich habe das Angebot bekommen, im ruhigeren Rahmen zu schießen. Der ehemalige Oberschützenmeister, der am Sonntag geehrt worden ist, hat mir angeboten, noch einmal zu kommen. Dann darf ich probieren …
Sie freuen sich bereits?
(lacht) Ich habe zu meiner Verteidigung gesagt, dass ich kreuzdominant bin, ich bin Rechtshänderin, aber das linke Auge und das linke Ohr sind dominant. Man hat mir aber gesagt, dass dies kein Hinderungsgrund ist. Also, es ist machbar!
Die Grünen-Chefin als Sportschützin?
Bereits die Indianer haben uns gelernt, dass man die Mokassins der Anderen anziehen muss, wenn man die Leute verstehen will. Ich nehme also das Angebot des Oberschützenmeisters gerne an. Und ganz nebenbei: Schießen ist nicht nur eine Sache des Zerstörens, sondern es geht ums Zentrieren, es geht um die Konzentration. Es ist ein interessanter Sport, Biathlon ist ja auch nicht böse. Für den Schießsport braucht es ein gutes Auge und eine gute Hand. Das sind auch gute Voraussetzungen für einen Politiker.
Man hört, dass Sie beim Abschreiten der Ehrenformation ihre Probleme hatten?
(lacht) Das ist richtig! Das klassische Abschreiten, das Marschieren hat nicht auf Anhieb geklappt. Wir haben zwei Mal starten müssen (lacht). Aber wir sind die Sache mit viel Humor angegangen.
Sind das die Signale einer gesellschaftspolitischen Öffnung der Südtiroler Grünen im Hinblick auf eine Regierungsbeteiligung nach den Wahlen 2023?
Solche Gedanken kommen verfrüht. Außerdem sind wir Grünen längst nicht mehr die Exoten in der politischen Landschaft, sondern Teil der Gesellschaft. Unsere Verbindungen reichen in alle Gesellschaftsgruppen, auch wenn ich persönlich immer als Grüne wahrgenommen werde und jede/r weiß, wo und wofür ich stehe. Aber so wie auf dem Fest der Sportschützen treffe ich halt gern auch Leute, die man nicht auf Grünen-Versammlungen sieht. Außerdem bin ich die einzige Unterlandler Abgeordnete.
In der SVP tobt ein brutaler Machtkampf. Die STF ist von der Selbstbestimmungs-Partei zur No-Vax-Bewegung geworden. Team K und Freiheitliche suchen verzweifelt nach Sichtbarkeit. Die Grünen zwinkern den Schützen zu. Was ist los in Südtirol?
Die Stimmung im Landtag ist selten so schlecht gewesen wie derzeit. Es herrscht eine große Zersplitterung, eine große Spannung – so wie auch in der Gesellschaft. Gleichwohl spüre ich, dass wir Grünen über den engeren Kreis hinausgewachsen sind und hinauswachsen, ohne dass wir deswegen die grünen Werte verlieren. Das spüre ich aus den vielen direkten Kontakten mit den Menschen, die stark zugenommen haben.
Wie drückt sich die schlechte Stimmung im Hohen Haus konkret aus?
Es herrscht, wie gesagt, eine große Spannung, es ist noch nicht ganz klar, wie wir aus dieser Situation herausgekommen. Die Notfallstimmung geht jetzt durch die Kriegserfahrungen weiter. Wenn ich jetzt in eine Schulklasse gehe, spüre ich, wie stark die Sorgen und Ängste wachsen. Die Politik hat noch nicht verstanden, wie man darauf reagieren soll.
Wie sollte sie reagieren?
Ich denke, mit Empathie. Empathie ist in dieser Zeit viel wichtiger als Macht und Hierarchie. Jetzt ist der Moment der Empathie wichtig, zuhören ist noch wichtiger geworden als vorher.
Die Stimmung im Landtag ist also schlecht?
Ja, sehr schlecht. Zum einen, glaube ich, hat dies mit einer gefühlt langen Legislatur zu tun. Auch aufgrund des Corona-Notstandes hat eine enorme Zeitdehnung stattgefunden. Viele im Landtag haben das Gefühl, dass die Legislatur bereits ewig lang dauert. Politikmachen funktioniert nicht mehr so, wie es früher funktioniert hat. Früher ist etwas passiert, und man hat eine Pressemitteilung geschrieben. Heute funktioniert das nicht mehr. Es herrscht auch in der Politik eine Zeit der großen Ungewissheit.
Wie gehen Sie damit um?
Ich bin der Meinung, dass man die Stimmung wahrnehmen und darauf reagieren muss. Sonst schießt man, um bei unserem Einstiegsthema zu bleiben, daneben.
Wie geht es Ihnen persönlich, wenn Sie die herzzerreißenden Bilder der unter dem Krieg leidenden Kinder und Frauen in der Ukraine sehen?
Ich bin total getroffen. Ich reagiere so wie die meisten Menschen, ich halte es nicht lange aus hinzuschauen. Man fragt sich, warum es so weit gekommen ist, was das für Folgen hat. Die wirtschaftlichen Folgen spürt man bereits am eigenen Leibe. Gleichzeitig siehst du Frauen, die unter prekärsten Bedingungen ihre Kinder zur Welt bringen oder alles liegen lassen und flüchten müssen. Mir geht dieser Krieg sehr nahe.
Die Hilfsbereitschaft für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist in Südtirol aber auch im restlichen Europa riesengroß. Bei anderen Flüchtlingswellen, zumal aus Afrika, war die Bereitschaft zu helfen viel verhaltener. Haben Sie darauf eine Antwort?
Ich habe darüber erst mit meiner Tochter diskutiert. Es ist ein tragisches und miserables Zeugnis für unseren Humanismus, dass es da so große Unterschiede gibt. Ich bin froh über die Hilfsbereitschaft. Aber offensichtlich sieht man Menschen, die vor einem Bürgerkrieg in Afrika fliehen, anders, wenngleich auch diese Frauen ihre Kinder auf Schiffen gebären. Gegenüber diesen Flüchtlingen ist das Verständnis viel geringer, offensichtlich hat Empathie doch etwas mit der Hautfarbe zu tun. Das ist eine Tragödie.
Interview: Artur Oberhofer
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Kommentare (4)
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hallihallo
ja, aus ukraine kommen nur kriegsflüchtlinge und die wollen ja danach auch wieder in ihr land zurück, so wie sie darum kämpfen. deshalb ist die hilfsbereitschaft so groß. und ob es paßt oder nicht: die ukrainer sind unserem lebensstil halt doch ein bischen näher.
tirolersepp
Dramatische Situation in der Ukraine
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