„Brauche meine Freiheit“
Der SVP-Parlamentarier Manfred Schullian hat mit dem Ehrenkodex keine Freude – und warnt vor der Kaste der Berufspolitiker.
TAGESZEITUNG Online: Herr Schullian, in wie vielen Prozessen haben Sie SAD-Chef Ingemar Gatterer verteidigt?
Manfred Schullian: In keinem einzigen Prozess.
Aus Ihrer Partei wird kolportiert, dass Sie den SAD-Boss in Dutzenden Prozessen verteidigt hätten …
Das stimmt nicht. Ich würde effektiv ein politisches Problem darin sehen, Ingemar Gatterer in den Prozessen gegen das Land zu vertreten. Aber ich bin nicht sein Anwalt. Ich, oder besser: meine Sozietät ist nur der Briefkasten für seinen römischen Anwalt.
Aber einer Ihrer Studio-Kollegen hat Gatterer vertreten …
Das kann sein, aber ich war mit keinem Fall direkt befasst.
Noch einmal die Frage: Hätten Sie Gatterer in einem Verfahren gegen das Land vertreten, wenn er an Sie herangetreten wäre?
Nein. Die politischen Sachen kann ich nicht machen, das versteht sich von selbst. In einem anderen Fall, wo es beispielsweise um die Verfassungsmäßigkeit von Landesbestimmungen ging, habe ich das Mandat nicht angenommen.
Also braucht es für Sie gar keinen Ehrenkodex?
Generell muss man sagen: Wenn man eine politische Klasse der Berufspolitiker will, dann soll man das sagen. Ich denke aber, dass es ein großer Verlust für die Politik wäre, wenn Leute, die sich im Beruf bewährt haben, nicht mehr in die Politik gehen. Es schade ja nicht, wenn ein Politiker Erfahrungen im reellen Leben gesammelt hat, unabhängig davon, ob er im Wirtschafts- oder im sozialen Bereich tätig war. Wenn man die Leute zwingt, ihren Beruf aufzugeben, dann wird man keinen Freiberufler mehr finden, der in die Politik geht …
Fühlen Sie sich in der Politik noch wohl?
Heute geht es noch, aber wenn die Regelungen noch restriktiver ausfallen sollten, dann werden sich bestimmt viele Leute sagen: Chi me lo fa fare …
Sie glauben, dass die Qualität der Politik darunter leiden würde?
Ja, sicher.
Sie sind ein erfolgreicher Anwalt, Sie waren Obmann einer Weinkellerei. Wessen Lobbyist sind Sie?
Schauen Sie: Ich will nie von meinem gewählten Amt abhängig sein. Ich brauche meine gedankliche Freiheit. Derzeit habe ich diese Freiheit.
Also sind Sie gegen den Ehrenkodex Ihres Obmannes?
Im Moment sind manche Dinge noch zu drastisch formuliert. Denn seien wir uns ehrlich: Politik ist immer Lobbyarbeit. Ich mache viel für die Landwirtschaft oder für den Bauernbund, das muss auch legitim sein. Nehmen wir die Tätigkeit in Rom: Es ist ja nur allzu logisch, dass eine Partei die Kommissionen so bestückt, dass Leute in die Gremien entsendet werden, die von der Materie etwas verstehen. Aber ich tue nicht alles, was mir der Bauernbund sagt.
Wie meinen Sie das?
Wenn der Bauernbund etwas von mir wünscht, das ich nicht nachvollziehen kann, dann mache ich es nicht. Diese Freiheit will ich haben. Diese Freiheit habe ich. Und ich sage es ganz offen: Wenn ich vor die Alternative gestellt werde: Politik oder Beruf, dann wähle ich den Beruf.
Interview: Artur Oberhofer
Kommentare (14)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.