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Die Knigge-Farce

SVP-Chef Philipp Achammer will die Mandatare mit einem Verhaltenskodex an der kurzen Leine halten und Lobbyarbeit verbieten. Warum die Wirtschaftsvertreter zum Widerstand aufrufen – und der Text überarbeitet werden muss.

von Matthias Kofler

Philipp Achammer legt die Marschroute fest: „Mein Ziel ist es, Interessenkonflikte und Lobbyarbeit, die in letzter Zeit in der Partei für viel Stunk gesorgt haben, auszuschließen“, so der SVP-Obmann. In der Parteileitungssitzung am Montag kündigte Achammer an, den Mitgliedern des Parteiausschusses einen Verhaltenskodex für die SVP-Mandatsträger und Landesfunktionäre zukommen zu lassen. Diese hätten bis zur nächsten Sitzung im April Zeit, etwaige Verbesserungsvorschläge vorzulegen.

Im Begleitschreiben erläutert der Obmann die Inhalte seines „Knigges“: „In den vergangenen Wochen hat es immer wieder Vorkommnisse und Schlagzeilen gegeben, welche unserer Partei geschadet haben: Dabei ging es beispielsweise um die Vermischung von Mandatsaufträgen oder Parteiämtern mit privatwirtschaftlichen Interessen und daraus entstehende Interessenkonflikte. Oder aber die unzulässige Weitergabe von vertraulichen Informationen aus Sitzungen oder Gerichtsverfahren zum Schaden von Parteikollegen/innen. Schlussendlich ging es auch um den Vorwurf, dass aufgrund von Spendenmitteln zugunsten von Einzelnen Abhängigkeiten entstehen.“

Zumindest die ersten beiden Punkte wirken so, als ob Achammer sein Regelwerk auf Stellvertreter Karl Zeller zugeschnitten hat: Der ehemalige Parlamentarier steht im Verdacht, PPP-Projekte im Eigeninteresse voranzubringen und die Abhörprotokolle zur SAD-Affäre weitergegeben zu haben. Im Lager von Landeshauptmann Arno Kompatscher spricht man daher von einer „wieder einmal sehr einseitigen Vorgehensweise“ des Obmanns. Zeller selbst will sich zum Verhaltenskodex nicht äußern: Man solle direkt mit Achammer reden. Auf die Frage, ob der Parteichef ihm – Zeller – eins auswischen will, sagt der Ex-Parlamentarier sybillinisch: „Er versucht halt, den ,Täterkreis‘ etwas zu erweitern.“ Indes rufen die SVP-Wirtschaftsvertreter zum Widerstand gegen den Verhaltenskodex auf. Ihre Befürchtung: In Zukunft werde sich kein Unternehmer mehr für die Partei engagieren, wenn der Text so durchgeht. Grund zur Sorge bereiten der Wirtschaft zwei Paragrafen: jene zu den Interessenkonflikten und den Parteispenden. Laut Achammer-Knigge müssen die Verantwortungsträger „nicht nur jene Situationen vermeiden, die einen Interessenkonflikt darstellen, sondern auch jene, die bei allgemeiner Betrachtung als solcher wahrgenommen werden können”.

Demnach darf ein Mandatar seine Position „nicht für private bzw. privatwirtschaftliche Zwecke” nutzen. Auch Lobbytätigkeit für privatwirtschaftliche Zwecke sei in diesem Sinne ausgeschlossen. Doch was genau versteht die SVP unter Lobbyarbeit? Im Grunde genommen ist jede politische Tätigkeit eine Lobbyarbeit. Ein Bauernbund- oder HGV-Vertreter könnte künftig keine Parteiarbeit mehr leisten, weil er/sie als Lobbyist wahrgenommen werden könnte. Kritiker bemängeln zudem, dass der Verhaltenskodex nicht zwischen ehrenamtlicher und bezahlter Lobbyarbeit unterscheidet. Der Bundestag in Deutschland hat ein Lobbyregister eingerichtet, wo die Abgeordneten alle Tätigkeiten auflisten müssen, wenn sie sich für die Interessen von anderen beruflich einsetzen. Ein solches Register wäre deutlich transparenter, als ein in der Praxis nicht umsetzbares Lobbyverbot.

Achammer zeigt sich auf Nachfrage der Tageszeitung bereit, den Text zu überarbeiten. Ihm gehe es darum, Fälle zu unterbinden, in denen sich Funktionäre „überwiegend für eigene und im Widerspruch zum Landesinteresse stehende privatwirtschaftliche Interessen einsetzen und hierfür ihr Mandat ausnutzen“. Ohne Namen zu nennen, macht der Obmann ein Beispiel für einen solchen Interessenkonflikt: Ein Anwalt, der in einem Rechtsstreit zwischen einem Privaten und einer öffentlichen Körperschaft den Privaten vertritt und außerhalb des Verfahrens dann den Bürgermeister, der in derselben Partei sitzt, anhaut und sagt: „Da werden wir doch eine Einigung finden.“ Das was bisher gängige Praxis war, dürfe es in Zukunft nicht mehr geben, betont der Obmann. Noch ist unklar, ob diese Bestimmung auch für Gemeindepolitiker gelten soll. Dann wäre beispielsweise die berufliche Tätigkeit des Bürgermeisters von Bruneck, Roland Griessmair, nicht mehr mit der Parteitätigkeit vereinbar. Die ursprüngliche Fassung des Verhaltenskodex beschränkt sich auf die Politiker auf Landes- und parlamentarischer Ebene.

Laut Achammer gibt es noch Klärungsbedarf. Der SVP-Wirtschaft stößt auch der Passus sauer auf, wonach es möglich sein soll, „im Einzelfall die Parteileitung ü̈ber Spenden unterhalb der Verö̈ffentlichungsgrenze zu informieren“. Die Parteileitung hat demnach in jedem Fall die Möglichkeit, Informationen ü̈ber die Herkunft der Spende zu verlangen. Parteispenden mü̈ssten zudem grundsä̈tzlich zum Wohle der gesamten Partei und nicht zur Unterstü̈tzung einzelner Parteiorganisationen oder Personen eingesetzt werden, heißt es im Ehrenkodex. Hintergrund sind die Wahlkampfspenden von 2018: Die ArbeitnehmerInnen hegen den Verdacht, dass Betriebe der Partei Geld spendeten und diese an die Bedingung knüpften, es nur den Wirtschaftskandidaten zugute kommen zu lassen.

Wirtschaftschef Josef Tschöll ist strikt gegen eine Offenlegung der Spenden unter 5.000 Euro: Eine Freigabe der Daten verstoße gegen die Privacy-Bestimmungen. Diese Auffassung vertritt auch der Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager, der der SVP 2018 über mehrere inländische Firmen Geld gespendet hat. Parteichef Achammer hat die Wirtschaftsvertreter für Freitag zu einem Treffen eingeladen, bei dem offene Fragen geklärt werden sollten. Für bessere oder präzisiere Formulierungen sei er immer offen, betont der Obmann. An der Vermeidung von Interessenkonflikten und Lobbyismus werde aber nicht gerüttelt. Ein klares Regelwerk sei im Interesse aller, um ungute Situationen wie in der Vergangenheit auszuschließen.

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