„I can´t get no satisfaction“
Er war der Mann, der Südtirols Rockszene unter Strom setzte. Mit der Gründung der Liederszene hat Walter Eschgfäller Musikgeschichte geschrieben. Mit seinem unerwarteten Tod verliert die Südtiroler Rock- und Popwelt ihren wichtigsten Förderer und Antreiber. In Erinnerung an ihn publiziert die Tageszeitung ein Gespräch mit ihm.
Tageszeitung: Herr Eschgfäller, wie war das mit der Liederszene?
Walter Eschgfäller: Die Antwort ist einfach. Es gab fast nix. Auftrittsmöglichkeiten waren praktisch nicht existent, aber es gab viele Liedermacher. Die Vereinshäuser hat man ohne sehr gute Kontakte überhaupt nicht bekommen. Eine Rockband hatte null Chancen, dort aufzutreten.
Ist das heute anders?
Die Situation ist schizophren. Alle bekennen sich zur Jugendförderung, aber in der Realität ist das nicht mehr als ein Alibi. Es gibt tolle Musikschulen, aber danach ist tote Hose. Dass diese jungen Leute Auftrittsmöglichkeiten brauchen, um sich weiterzuentwickeln, interessiert scheinbar niemand. Da werden Entscheidungen von Leuten getroffen, die völlig realitätsfremd sind. Von den Politikern geht ja niemand zu den Konzerten. Den Theiner habe ich einmal zum Schools´s Out Festival eingeladen. Die Antwort lautete: Ich lass mich doch nicht anpöbeln. Wenn von Jugend die Rede ist, sehen die nur Alkohol und Exzesse. Ich streite nicht ab, dass es das gibt, aber es ist ein ganz kleiner Prozentsatz.
Woher kommt diese Dämonisierung der Jugend?
Wenn es um Jugendliche geht, herrscht immer noch die gleiche Verbotsmentalität wie vor 25 Jahren. Ich habe mit Politikern der 80er, der 90er und den jetzigen zu tun gehabt. Die Haltung ist die gleiche geblieben. Die Politiker, die in ihrer Jugend selbst rebelliert haben, argumentieren heute wie ihre Eltern. Wir haben so viele Theater, so viele Vereinshäuser. Lasst die Jungen hinein. Die müssen sich ja irgendwo ausdrücken können. Wenn wir ihnen das verbieten, ist der Schaden schon angerichtet. Bozen wäre der ideale Ort, vom Land gäbe es eine Unterstützung, aber die Gemeinde sagt immer nur nein. Seit das Kubo zu ist, gibt es keine Auftrittsmöglichkeiten mehr.
Was ist mit dem Pippo-Stage und der Halle 28?
Zu klein. Mit 150 zugelassenen Zuschauern macht man nicht viel. Lässt man ein paar Leute mehr hinein, ist man als Veranstalter schon fast im Gefängnis. Die Halle28 geht für eine Party in Ordnung, für ein Live-Konzert ist es schwierig, weil es keine Garderobe für die Musiker gibt. Und sie ist dem Tode geweiht.
Aber die Musikszene blüht doch.
Beim Rocknet Live Award haben wir jedes Jahr zwischen 20 und 25 neue Bands auf der Bühne. Das sagt alles über die Lebendigkeit der Szene aus. Interessanterweise gibt es jetzt wieder eine neue Liedermacherszene: Max von Milland, Dominik Plangger. Finde ich toll.
Haben Sie eine Ahnung, warum die Barden zurückkommen?
Vielleicht suchen die Leute wieder mehr die Ruhe. Sie wollen einen Text verstehen, was bei einer Band ja selten der Fall ist.
Woher kommt diese Flut an Talenten?
Aus den Musikschulen, die exzellent arbeiten. Die spielen wie die Götter, dass einem fast die Tränen kommen. Einmal treten die bei uns auf, aber das Problem kommt danach. Die können sich kaum weiterentwickeln, weil es keine fixe Struktur gibt. Das ist das große Manko, das seit der Gründung der Liederszene nicht gelöst werden konnte. In die Vereinssäle kommen die Bands nicht hinein. Da heißt es gleich: Junge Leute, das bedeutet Krawall, das wollen wir nicht. Das hat sich kein bisschen verändert. In Terlan hat man uns vor zwei Jahren hinauskomplimentiert.
Erinnern sie sich noch an die Anfänge?
Es war alles ziemlich amateurhaft, aber den Leuten hat es gefallen. Bei der zweiten Ausgabe mussten wir bereits Zusatztermine einschieben, so groß war der Andrang. Eigentlich eine Sensation. Das hätte so weitergehen können, nur leider sind uns sehr schnell die Liedermacher ausgegangen.
Die von den Bands verdrängt wurden.
Ja, und das hat die Leute gestört. Die wollten einen schönen, ruhigen Abend erleben mit Liedermachern in der klassischen Pose: das rechte Bein auf den Stuhl geklemmt, die Gitarre auf dem Schenkel. Einen Sepp Messner Winschnur, La Zag, Alfred Mair und Alex.. H. eben. Die Bands waren laut, hatten ein Schlagzeug und das hat den Leuten nicht gefallen. Von da an ist es abwärts gegangen. Anfang der 1990er Jahre war die Geschichte ausgelaugt.
Die goldene Zeit der Liedermacher waren die siebziger Jahre. In den 80er Jahren war die Neue Deutsche Welle tonangebend.
Typisch Südtirol eben. Alles kommt mit ein paar Jahren Verzögerung.
Liedermacher sind klassisch links.
Ja, aber nicht bei uns. Das war hier nicht so ausgeprägt. Benno Simma ist der einzige politische Liedermacher, der mir einfällt. Wenn ich an einige Texte von damals denke, muss ich lachen. Aber das war eben die Zeit. Wir haben nie darauf geschaut, wer wie singt. Deutsch, italienisch, das spielte keine Rolle.
Nach der Liederszene kam das School´s Out Festival.
Zunächst haben wir einzelne Band gefördert, das School´s out Festival kam Ende der 1990er Jahre. Das Konzept war das gleiche: Auftrittsmöglichkeiten für lokale Bands schaffen. Wie das geendet hat, wissen wir ja. Es gab von einzelnen Medien eine riesige Kampagne gegen das Festival. Die haben es bewusst als Sauforgie dargestellt, was auf der Bühne passierte, die Bands, die sich Monate lang auf den Auftritt vorbereitet hatten, hat die gar nicht interessiert. Ich hatte einfach keine Lust mehr, nach jedem Festival zu den Sponsoren zu gehen, um die Sache richtig zu stellen. Das war alles erstunken und erlogen.
Aufgegeben haben Sie trotzdem nicht.
Das kam nicht in Frage. Die Bands brauchen ja Auftrittmöglichkeiten, deshalb haben wir den Rocknet Live Award gegründet. Dieses Konzept funktioniert. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, einen ersten Schritt auf die Bühne zu wagen, danach müssen sie selber weiterschauen. Das läuft sicher die nächsten Jahre so weiter. Danach muss man weiterschauen. Ich bin ja schon bald 60.
Ist das eine Drohung?
Nein, aber es können ruhig andere antreten. Irgendwo im Hintergrund werde ich sicher weiter mitmischen.
Gab es auch Flops in Ihrer Laufbahn?
Klar, aber es ist sich immer ausgegangen. Das größte Risiko bin ich mit Franz Heel beim Status Quo-Konzert eingegangen. Wir haben damals einen Kredit für 20 Millionen Lire aufgenommen, um die Gage zu bezahlen. Ein Wahnsinn. Der Vertrag war bereits unterschrieben und wir hatten noch nicht einmal eine Halle. Stattgefunden hat das Konzert in Gröden. 6000 Leute. Es war so kalt, dass die Band vor Beginn des Konzerts gesagt hat: No Heaters, no Show. Wir mussten in aller Eile Industrieheizer auftreiben, um die Bühne aufzuwärmen.
Überlebt Ihr Plattenladen?
Mal sehen. CD´s sind völlig out, aber die alte Vinylplatte ist wieder im Kommen. Der Verkauf ist um 10 Prozent gestiegen. Wer sich von der Masse abheben willl, kauft Platten. Mp3-Hören, das ist uncool. Keine Qualität.
Sie haben auch die Band Frei.Wild sehr unterstützt, die in Deutschland enorme Erfolge feiert, aber auch attackiert wird wegen vermeintlicher rechter Tendenzen.
Ich habe sie beraten, als sie von ihrer ersten Plattenfirma hinausgeschmissen wurden. Philipp Burger hat mich gefragt, ob ich ihn nach Berlin zu den Verhandlungen mit ihrem derzeitigen Manager begleiten könnte. Das habe ich gerne gemacht. Ich denke, sie haben die beste Wahl getroffen.
Was sagen Sie zu den Polemiken um die Band?
Die hat es immer gegeben und die werden auch nie aufhören. Als sie beim School´s out Festival aufgetreten sind, hat mich eine Redakteurin der Dolomiten angerufen und gefragt, warum wir eine Nazi-Band auftreten lassen? Wortwörtlich. Philipp hat als 15jähriger Fehler gemacht und hat später bereut. Dieses Recht muss man jedem zugestehen. Aber egal, ob er sich bei jeder Gelegenheit davon distanziert, das wird immer der Reibungspunkt bleiben. Eigentlich ist er ein Vorbild. Er hat Charisma, wenn er etwas sagt, hören ihm die jungen Leute zu.
Die beste Band aller Zeiten?
Keine Frage. Die Rolling Stones.
Ihr bester Song?
I can´t get no satisfaction.
Wo nehmen Sie Ihre satisfaction her?
Wenn ich einen 15jährigen auf der Bühne rocken sehe, geht’s in mir richtig emotional zu. Herrlich. Dann weiß ich, dass ich nicht alles falsch gemacht habe.
Interview: Heinrich Schwazer
Walter Eschgfäller
Walter Eschgfäller, 1954 in Sarnthein geboren, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Gärtner und Koch, bevor er 1978 sein musikalisches Erweckungserlebnis bei einem Konzert von Statale 17 und Emphasis hatte. Danach begann er als Radiomoderator und Musikmanager zu arbeiten. 1987 gründete er zusammen mit Willy Vontavon die Liederszene, die in die 25 Jahren ihres Bestehens 300 Konzerte organisierte und ebenso viele Bands unterstützte. Ende der 90er Jahre rief er das Schools Out Festival ins Leben, seit einigen Jahren betreute er den erfolgreichen Bandwettbewerb Rocknet Live Award. Vergangene Woche ist Walter Eschgfäller im Alter von 67 Jahren gestorben.
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