Die letzte Platte
Mit dem unerwarteten Tod von Walter Eschgfäller verliert die Südtiroler Musikszene ihren wichtigsten Förderer.
von Thomas Vikoler
Es ist irritierend, ihn nicht an seinem gewohnten Platz anzutreffen: Telly stand, beinahe verwurzelt wie ein Baum, stets hinter dem nicht mit Platten und CDs zugestellten Teil seines Verkaufstresens. Nun stehen sechs rote Kerzen vor dem Eingang von Disco New, seinem Plattengeschäft in der Bozner Kolpingstraße.
Walter Eschgfäller, so sein richtiger Name, ist am Freitag infolge eines Herzinfarktes mit 67 Jahren unerwartet verstorben.
Was aus seinem Laden, den er 40 Jahre lang betrieb, und den dort gelagerten Tonträger-Schätzen wird, ist unklar. Wie kein anderer hat Telly von hier aus das Musikgeschehen in Südtirol mitbestimmt. Immer getragen von einer Leidenschaft, die zuweilen an Starrsinn grenzte: Er glaubte an gute Rockmusik, vor allem aus Südtirol, an Hardrock und Metal, an die Jugendkultur, an seine Leib-Band Skanners, an Island und die Band Sigur Ros, an die Überwindung der Probleme mit der Autorenvereinigung Siae, an ein krachendes Schulende und ans Überleben der Vinyl-Schallplatte, an den Erfolg von Frei.Wild in Deutschland.
Sein Geschäft, das seit dem Aufkommen der Gratis-Downloads immer weniger eintrug, führte er beharrlich weiter. Besucht wurde es vornehmlich von Musikern aus der hiesigen Szene, deren geheimer König er war. „Dieses Geschäft bringt keinen Gewinn, macht aber Spaß“, steht auf einem Schild neben dem Eingang.
Telly stand nie rockend auf einer Bühne, er agierte im Hintergrund, sprach als gebürtiger Sarner das vom Englischen bestimmte Rock-Idiom, konnte bissig sein (zum Beispiel wenn Platten beim Anhören im Geschäft nicht artgerecht behandelt wurden) und betätigte sich in seinen letzten Lebensjahren im Internet und nicht nur dort als Grantler gegen Gott und die Welt. Für jemand, der die Jugend-Kultur zu seinem Lebenszweck gemacht hat, muss sich das Altern zuweilen angefühlt haben wie ein Kater nach einem Highlight-Konzert, etwa dem Auftritt der Skanners 1996 als Vorgruppe von Deep Purple in Mailand. Der große Durchbruch der von ihm gemanagten Bozner Metal-Band schien nahe, kam am Ende aber doch nicht.
Telly hatte genug zu tun: Er betreute eine beim Bildungszentrum angesiedelte Info-Stelle für Siae/Enpals-Angelegenheiten, im Jahre 1987 war er Mit-Gründer der Liederszene Südtirol, die vor allem hiesige Liedermacher promotete, und 1999 erstmals das School`s-Out-Festival organisierte. Eine absurde Polemik über angeblich exzessiven Alkohol-Konsum der ausgelassenen Schülerschaft beendete das Konzert-Abenteuer.
Das fand Telly natürlich ungerecht, denn er hat das Rock-Lebensgefühl immer eisern verteidigt, obwohl er es nie so ausleben konnte, wie die von ihm unterstützten Musiker. Er selbst musste sich ja um die Sound-Anlage und das Ticketing kümmern, Bands promoten und nebenbei Platten verkaufen.
Was zurückbleibt ist – neben seiner Meriten als größter Förderer der hiesigen Musikszene – aber sein mildes Lächeln hinter den Plattenstapeln in seinem Geschäft.
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Kommentare (1)
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andreas1234567
Hallo aus D,
ein schöner Nachruf. Armer Musikenthusiast, muss sich die letzten Monate gefühlt haben wie eine Schnecke im Eimer mit Branntkalk.
Hoffe es findet sich ein Nachfolger für seinen Laden. Es ist nicht blöd falls sich wer interessiert, die Nachfrage nach „echten“ Tonträgern steigt stetig und die Nachfrager können es sich leisten in Vinyl gepresste Musik um 15,99 zu kaufen wo es das in Digital zum Download um 3,99 gibt.
Das Fördern von Frei.Wild und die Sympathie für die Band kostet ihn wohl jedweden anerkennenden Kommentar von den obertoleranten und kunterbunten Gesellschaftskräften.
Gruss nach Südtirol