Chancen und Risiken
Südtirols Gemeinden haben die Chance, über den Recovery Plan Projekte zu finanzieren, für die bisher das Geld fehlte. Doch das Ganze hat seine Tücken.
von Heinrich Schwarz
Die Techniker in den Gemeinden haben seit einiger Zeit viel zu tun. Denn aus Rom winkt viel Geld, wenn man schnell genug ist, verschiedene Projekte voranzutreiben. Von den rund 200 Milliarden Euro, die Italien aus dem Wiederaufbaufonds der EU erhält, profitieren nämlich auch die Gemeinden. Diese können Projekte für Bauten und andere Arbeiten in verschiedenen Bereichen einreichen und darauf hoffen, dass der Staat eine Finanzierung bereitstellt.
Für die Gemeinden ist das eine noch nie dagewesene Chance: Es könnten Projekte finanziert werden, die seit Jahren in den Schubladen liegen, weil bisher schlichtweg das nötige Geld gefehlt hat. Je mehr und je bessere Projekte, desto größer die Chance auf viele Geldmittel.
Die Projekte
Gelder aus dem sogenannten „Recovery Plan“ des Staates (auch PNRR genannt) gibt es etwa für Schulen, Kindergärten, Kitas, Schulturnhallen, Schulausspeisungen, Recyclinghöfe und für den Bereich „borghi“. „Dabei geht es um Gemeinden, die abwanderungsgefährdet sind und über eine Dorfaufwertung wieder für Schwung sorgen möchten. Sie haben einen relativ großen Gestaltungsspielraum zwischen Dorfgestaltung und Dorfbelebung“, erklärt Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindenverbandes, den Bereich „borghi“.
„In den meisten Bereichen sind die Geldmittel auf die verschiedenen Regionen bzw. Provinzen aufgeteilt worden – und somit auch auf Südtirol. Ich gehe davon aus, dass die Südtiroler Gemeinden die zugeteilten Gelder locker ausschöpfen werden. Dafür sprechen die Verfahren, die bereits abgeschlossen worden sind“, sagt Schatzer.
Er verweist auf den Bereich Schulbauprojekte, wo erst kürzlich das Bewertungsverfahren zu Ende ging. Es wurden 19 Projekte von Südtiroler Gemeinden vorgelegt, aber nur einige wenige werden effektiv finanziert.
Andreas Schatzer hofft, dass Südtirol nicht nur die eigenen Gelder ausschöpfen, sondern auch noch zusätzliche Mittel erhalten wird: „Man hört, dass das Geld in bestimmten Bereichen italienweit nicht ausgeschöpft wird. Vielleicht wird das übriggebliebene Geld umverteilt, sodass Gemeinden, die zuerst nicht finanziert werden, am Ende doch noch zum Zug kommen.“
Der Nachteil der Kleinen
Die größeren Gemeinden sind bei den PNRR-Projekten gegenüber den kleineren im Vorteil. Sie haben nämlich mehr Techniker, die sich um die Vorbereitung der Projekte kümmern können.
„Das Problem war, dass die Termine relativ kurzfristig waren. Kleingemeinden mussten sich mit externen Technikern behelfen, aber auch mit externen Firmen, die sie bei der Einreichung der Gesuche unterstützt haben“, erklärt Andreas Schatzer.
Zudem hätten größere Gemeinden schon viele Projekte in der Schublade liegen. „Kleinere Gemeinden müssen sich einige Projekte erst zurechtlegen, weil sie mit ihrem Geld anders haushalten müssen als große“, so der Gemeindenverbands-Chef.
Er kommt zum Schluss: „Kleine Gemeinden werden sich eindeutig schwerer getan haben, aber ich wünsche mir, dass auch sie einige ihrer wichtigen Projekte zumindest eingereicht haben.“
Strenge Fristen
Wird ein Projekt mit PNRR-Geldern finanziert, kann sich die Gemeinde einerseits zwar freuen, andererseits kommen auf sie zahlreiche Probleme und Risiken zu. Und zwar aufgrund der strengen Fristen.
„Der Staat gibt ganz klare Termine vor. Das betrifft Einreichprojekt, Ausführungsprojekt, Vergabe der Arbeiten, Beginn der Arbeiten und natürlich den Abschluss“, erklärt Andreas Schatzer.
Hält man die Fristen nicht ein, ist das Geld futsch: „Wenn man eines der vorgegebenen Kriterien nicht einhält, ist man weg vom Fenster.“
Die Schwierigkeiten beginnen laut Schatzer bereits bei der Vorbereitung der Ausschreibungen, weil die Vorgaben relativ streng und je nach zuständigem Ministerium unterschiedlich seien. So seien etwa bestimmte Baupreise vorgegeben. Manche dürfe man nicht überschreiten, manche nicht unterschreiten.
Das nächste Problem: Wie Andreas Schatzer erklärt, dürfen die Gemeinden – bis auf Bozen – die Arbeiten laut derzeitiger Regelung nicht selbst ausschreiben, sondern nur über die Agentur. Man hofft, dass der Staat diese Bestimmung noch aufweicht. „Denn wenn alle Ausschreibungen über die Vergabeagentur laufen müssen, wären die Zeiten entsprechend lang.“
Anschließend wird es schwierig, Unternehmen zu finden, die die Arbeiten ausführen. Derzeit sind die Betriebe zwischen Superbonus und anderen Bauvorhaben nämlich stark ausgelastet. „Hier sehe ich bei Kleingemeinden mit ihren eher kleinen Projekten das geringere Problem als bei Städten, wo es oft um mehrere Millionen Euro geht“, sagt Schatzer.
Neben der Gefahr, dass Ausschreibungen leer ausgehen, gibt es im Falle von mehreren Angeboten das Risiko, dass es zu Rekursen unterlegener Baufirmen kommt und die Projekte somit verzögert werden.
Plötzlich ohne Geld
Kann eine Gemeinde die Fristen nicht einhalten und verliert deshalb die staatliche Finanzierung, muss sie das Geld irgendwie selbst auftreiben. Andreas Schatzer sieht die Sachlage so: Wenn die Bauarbeiten noch nicht begonnen haben, ist das Problem der Eigenfinanzierung geringer, weil man sich nun mehr Zeit lassen kann. Aber wenn man die staatlichen Gelder erst während der Bauphase verliert, kann das zu einem großen finanziellen Problem für die betroffene Gemeinde werden.
„Das dürfte aber grundsätzlich nicht passieren. Denn sobald die Bagger einmal da sind, werden die Arbeiten in der Regel auch rechtzeitig abgeschlossen. Der Großteil wird mit einheimischen Firmen arbeiten, wo man schon die Gewähr hat, dass die Fristen eingehalten werden“, meint der Gemeinden-Chef.
Die problematische Phase ist also der Zeitraum, bis die Bagger auffahren. Dabei besteht aber durchaus die Hoffnung, dass der Staat die Termine nach hinten verschiebt, falls sich viele Gemeinden zeitlich schwer tun.
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