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Die Kriegs-Leugner

Wie die Südtiroler No-Vax-Szene Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg verbreitet – und warum sie diesen sogar leugnet.

von Markus Rufin

Mit der russischen Invasion in die Ukraine ist der Krieg in Europa zurückgekehrt. Für viele war ein solches Szenario undenkbar, für andere war es nur eine Frage der Zeit. Wieder andere wollen die Situation nicht wahrhaben. Sie leugnen den Krieg einfach.

Das Besondere: In Südtirol handelt es sich dabei in erster Linie um Impfgegner, die behaupten, dass es in Russland keinen Krieg gibt, beziehungsweise die offiziellen Meldungen hinterfragen.

In der Telegram-Gruppe „WIR-NOI“, die seit rund eineinhalb Jahren für die meisten Protestaktionen im Land verantwortlich ist, wurden in den letzten Tagen bereits mehrere Posts von einem Administrator gemacht, die zumindest andeuten, dass die Geschehnisse in der Ukraine so nicht stattfinden. In einem Post ist zu lesen:

 

„Eines dürft Ihr nicht vergessen: Über Russland informieren Euch die gleichen Medien, die über Corona berichtet haben.“

 

In den Kommentaren zu diesem Post gibt es (fast) ausschließlich Zustimmung. Die „westlichen Medien“ betreiben Propaganda, heißt es in vielen Kommentaren. Zahlreiche Links zu dubiosen Quellen werden geteilt. In der Gruppe „Zukunft.Südtirol“ wird beispielsweise ein Screenshot von CNN Ukraine geteilt. Dabei handelt es sich allerdings um einen nachweislichen Fake-Account.

In einem weiteren Post der Administratoren zitieren sie den Schweizer Historiker Daniele Ganser, der in erster Linie für seine höchst umstrittenen Verschwörungstheorien bekannt ist.

 

„Kriege beginnen immer mit Lügen. Daher muss die Wahrheit auf den Tisch.“

 

Auch hierzu gibt es zahlreiche Kommentare, die untermauern sollen, dass Russlands Invasion gerechtfertigt ist.

Die Intention dahinter ist klar: Die Gruppe will signalisieren, dass die Medien – genau wie beim Thema Corona – lügen. Zu Anfang wurde der Krieg in der Ukraine sogar geleugnet. Auf die Spitze treibt es dabei Ulrich Gutweniger, einer der Anführer der Südtiroler No-Vax-Szene.

Auf seinem Telegram-Kanal teilt er die Nachricht nach der der Krieg in der Ukraine „Fiktion der westlichen Medien“ sei. In Wahrheit gebe es in der Ukraine keine Unruhe, alles sei in Kiew unter Kontrolle.

Auch im Telegram-Kanal Frei-Netz, einem weiteren Kanal der Südtiroler Impfgegner, wird eine Nachricht geteilt, wonach es keinen Krieg in der Ukraine gebe. Ähnliches ist in der Gruppe Lichtblick zu lesen.

Impfgegner verbreiten nun also nicht nur Fake News zu Corona und zur Impfung, sondern mittlerweile auch zum Ukraine-Krieg.

Während in den ersten Tagen der Krieg vollständig geleugnet wurde, wird er mittlerweile relativiert, berichtet Andrea Pizzini. Der Filmemacher beobachtet die Südtiroler No-Vax-Szene seit Monaten und kennt die vielen Fake News und Verschwörungstheorien ebenfalls.

Ihn überrascht es nicht, dass die Impfgegner-Gemeinde nun auch zu anderen Themen Lügen verbreitet: „Ich bin kein Experte, ich habe aber gesehen, dass Donald Trump und Wladimir Putin als die Guten dargestellt wurden, während alle anderen immer die schlechten waren.“

Dabei stützten sich die Impfgegner auf Quellen wie dem russischen Propaganda-Sender RT. Dieser wird vom russischen Staat finanziert und wurde auch in anderen Ländern von Impfgegnern immer wieder als Quelle genannt. Diese Quellen haben impf- und coronakritische Artikel verfasst und unterstützen nun natürlich die russische Invasion in der Ukraine.

„In den Südtiroler Gruppen gibt es mittlerweile eine pro-russische Rhetorik. Zuerst wurde der Krieg geleugnet, jetzt heißt es, dass die NATO für die Eskalation verantwortlich ist. Das zeigt, dass diese Gruppen nichts anderes tun, als Verschwörungstheorien zu verbreiten“, sagt Pizzini.

Eine weitere Vorgehensweise, die die Südtiroler Impfgegner an den Tag legen: Sie verknüpfen die aktuellen Geschehnisse mit den bereits bestehenden Verschwörungstheorien zu Corona. Der Angriff Russlands sei nur der zweite Schritt des sogenannten „Great Resets“, oder Putin greife die Ukraine und die NATO nur deshalb an, um den „Deep State“ zu bekämpfen.

Es handelt sich um krude Thesen, die jeglicher Grundlage entbehren und zeigen, dass sich die No-Vax-Szene die Dinge so zurechtlegen, wie sie sie brauchen. Das hat auch Pizzini beobachtet: „Für die No-Vax-Gemeinde ist alles was im Mainstream steht, falsch. Alles was dagegen Minderheiten sagen, stimmt. Das ist ihre fundamentale Position. Sie wollen einfach nur gegen den Strom schwimmen.“

 

 

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