Das Nein der Lega
In der Landesregierung bröckelt der Zuspruch zur 2G-Regelung. Während die SVP-Abgeordneten einen Zickzackkurs fahren, stellt Vize-LH und Lega-Kommissar Giuliano Vettorato klar: „Wir sind gegen eine Impfpflicht.“
von Matthias Kofler
Am vergangenen Dienstag italienweit die Impfpflicht für Erwerbstätige über 50 Jahren in Kraft: Wer nicht nachweisen kann, geimpft oder genesen zu sein, der wird von der Arbeit suspendiert, gilt als unentschuldigt abwesend und bekommt weder Gehalt noch Landesbeiträge. Laut dem Generaldirektor des Sanitätsbetriebs, Florian Zerzer, sind in Südtirol etwa 10.000 ArbeitnehmerInnen über 50 Jahren von den verschärften Maßnahmen gegen das Coronavirus betroffen.
Während der italienische Staat mit der Impfpflicht für Erwerbstätige die Zügel anzieht, bröckelt in Südtirol der politische Zuspruch zum harten Corona-Kurs von Ministerpräsident Mario Draghi. Die Regierungskoalition aus SVP, Lega und Forza Italia ist in der Frage, ob man mit der Ausweitung der 2G-Regelung tatsächlich der Pandemie Herr werden kann, gespalten. Dies zeigte sich deutlich bei der Debatte zur Impfpflicht für Politiker, die vergangene Woche im Landtag stattfand. Lediglich zwölf von 19 Mehrheitsvertretern stimmten für einen Beschlussantrag des SVP-Fraktionsvorsitzenden Gert Lanz, mit dem Rom aufgefordert werden sollte, die 2G-Pflicht auf alle politischen Organe auszudehnen.
Drei prominente SVP-Vertreter enthielten sich der Stimme: nämlich die Landesräte Thomas Widmann und Maria Hochgruber Kuenzer sowie Regionalratspräsident Sepp Noggler. „Ich war bei der Abstimmung nicht im Sitzungssaal, weil wir derzeit schwerwiegendere Probleme zu lösen haben. Und ich frage mich, welchen Sinn es hat, einen solchen Antrag nach Rom zu schicken“, begründet Maria Hochgruber Kuenzer ihre Enthaltung. Die in der Landesregierung für die Urbanistik zuständige Landesrätin verweist auf die stark ansteigenden Energiepreise: 50 Prozent der SüdtirolerInnen müssten mit einem Einkommen unter 1.000 Euro über die Runden kommen. Diesen Menschen konkret und nachhaltig unter die Arme zu greifen, liege ihr wirklich am Herzen, unterstreicht die SVP-Politikerin.
Wie die Urbanistik-Landesrätin gehört auch Landtagsvizepräsident Noggler fraktionsintern nicht zu den Hardlinern im Corona-Management. Seine Enthaltung zum Lanz-Entwurf sei aber „keine bewusste politische Aktion“ gewesen, betont der Vinschger Edelweißpolitiker. Wenn er die Sitzungen leite, könne es hin und wieder vorkommen, dass er an Abstimmungen nicht teilnehme. Noggler bezweifelt, dass der vom Landtag genehmigte Beschlussantrag allzu viel an der aktuellen Situation ändern werde: Eine 2G-Pflicht für Abgeordnete und Gemeinderäte könne nur dann eingeführt, wenn der Staat das Gesetzesdekret abändere.
Am erstaunlichsten ist die Stimmenthaltung von Sanitätslandesrat Widmann. Dieser stellt jedoch klar, nicht aus politischen Gründen, sondern wegen eines anderen Termins bei der Abstimmung nicht im Sitzungssaal gewesen zu sein. Für ihn sei es jedenfalls eine „Selbstverständlichkeit“, dass für die Politiker dieselben Regeln gelten wie für die anderen Bürger – denn die Pandemie betreffe uns alle. „Ich würde sogar noch weiter gehen: Wir sind gestandene Tiroler und sollten uns alle impfen lassen – daran besteht kein Zweifel“, so Widmann.
Eine andere Position vertritt der Koalitionspartner Lega, dessen Vertreter sich ebenfalls der Stimme enthalten haben. „Wir sind für die Entscheidungsfreiheit und gegen die Impfpflicht“, unterstreicht Lega-Kommissar und Vize-Landeshauptmann Giuliano Vettorato. Er sehe die Impfung als eine „Chance“ und habe sich auch selbst impfen lassen. „In einer Demokratie dürfen wir aber nicht jenen die Stimme wegnehmen, die eine andere Meinung vertreten“, meint Vettorato. Zudem komme der Begehrensantrag zu einer Zeit, in der die Corona-Maßnahmen schrittweise gelockert würden. Ende März ende der Notstand ohnehin, erinnert der Vize-LH und sieht daher keinen Anlass für eine Verschärfung der Corona-Regeln.
Das Abstimmungsverhalten der Lega-Vertreter im Landtag ist aber auch auf den neuen Kurs der Mutterpartei in Mailand zurückzuführen. Parteichef Matteo Salvini geht zunehmend zu den Corona-Restriktionen der Regierung von Premier Draghi auf Distanz. „Meine neunjährige Tochter ist nicht gegen das Coronavirus geimpft. Die Impfung ist eine Entscheidung, die den Eltern und Kinderärzten zusteht. Das ist kein Thema für eine politische Diskussion“, erklärte er vor einigen Tagen. Zuvor hatten sich die drei Minister der Lega geweigert, für eine Maßnahme zu stimmen, laut der bei Infektionsfällen in einer Schulklasse geimpfte Kinder im Gegensatz zu ihren nicht immunisierten Schulkollegen nicht in den Fernunterricht gehen müssen. Damit werde Diskriminierung genährt, hatte die Lega protestiert.
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Kommentare (9)
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gorgo
Der Begehrensantrag war natürlich sinnloser Unfug, bin aber gespannt wie Kuenzer mit ihrer Enthaltung anderen Problematiken lösen will.
Das über 50% der Südtiroler mit einem Einkommen unter 1000 € auskommen müssen stimmt im übrigen auch nicht, bzw. noch nicht.
Aber wird mit derart engagierten und informierten Politikern schon noch werden.
pingoballino1955
Der Sanitätslandesrat hatte andere Termine in so einer gerade von seinem Resort wichtigen Abstimmung,wie lächerlich ist das denn????? Wie üblich dümmer Ausreden sind ihm wohl nicht eingefallen????
heinz
Jetzt, wo die Zahlen sinken, ist er auf einmal gegen die Impfpflicht? Wo war Vettorato mit seiner Meinung, als sich die Lage zuspitzte?
Brauchen wir so eine Partei in der Südtiroler Landesregierung?
eiersock
Es Politiker seits die Besten!
Kriag es a an Lohn für des Gekasperle ?
S‘ Wort „SCHAMEN“ gibs bu enk nit!
iatz isch jo jeds zwoate Wort „NACHALTIGKEIT“
treter
In diesem Sinne stimme ich mit der Lega! Die Impfpflicht ist sofort abzuschaffen! Kann mich noch erinnern als die Politik noch sagte: bei 70 Prozent Durchimpfung haben wir die Herdenimmunität! Jetzt sind wir bei 90 Prozent angelangt!!! Frage: will uns die Politik verarschen?!
george
Die meisten Kommentatoren hier schreiben „großen“ Unfug daher und zeigen damit auf, dass sie vom gesamten Sachverhalt soviel verstehen wie die Kuh vom Sonntag. Aber den Wissenschafter spielen, das möchten sie gerne, verstricken sich aber dauernd in Widersprüche und „plärren“ dauernd von Einschränkungen der persönlichen Freiheit und eigenen Rechten.