Neuer Trend
Immer mehr Menschen veräußern ihre Immobilie als „nacktes Eigentum“. Was mit diesem Begriff gemeint ist und warum das Phänomen zunimmt, erklärt der Präsident der Südtiroler Maklervereinigung Alexander Benedetti im Interview.
Tageszeitung: Herr Benedetti, was genau bedeutet im Immobiliengeschäft die Bezeichnung „nacktes Eigentum“?
Alexander Benedetti: Beim „nackten Eigentum“ erwirbt ein Käufer das Eigentum an einer Immobilie, die jedoch mit einem Wohnrecht oder einem Fruchtgenuss auf Lebzeit zugunsten des Verkäufers belastet wird. Es kann jedoch auch eine bestimmte Zeitdauer vereinbart werden. Wenn das Wohn- oder Fruchtgenussrecht auf Lebzeit gewährt wird, darf der Verkäufer der Immobilie bis zu seinem Lebensende weiterhin darin wohnen, ohne dafür eine Miete zu bezahlen. Behält der Verkäufer den Fruchtgenuss zurück, kann er die Immobilie auch an Dritte weitervermieten. Die Immobilie darf vom Verkäufer jedoch nicht mehr weiterverkauft werden und es darf auch ihre Zweckbestimmung nicht geändert werden.
Was hat der Verkäufer davon?
Der Verkäufer hat den Vorteil, dass er sich finanzielle Liquidität verschafft. Er darf weiterhin wie bisher in seiner Wohnung und seinem gewohnten Umfeld bleiben, erhält den Verkaufserlös aber bereits zu Lebzeiten.
Und der Käufer?
Der Käufer erwirbt die Immobilie zu einem günstigeren Preis. Dieser wird nach bestimmten Tabellen und Kriterien berechnet und hängt in erster Linie vom Alter des Verkäufers ab. Das Eigentum wird im Grundbuch vermerkt und verzeichnet bis zum Ableben des Verkäufers üblicherweise einen Wertzuwachs. Die Gemeindeimmobiliensteuer und die ordentlichen Instandhaltungskosten zahlt weiterhin der Verkäufer. Der Käufer muss lediglich für die außerordentlichen Instandhaltungskosten aufkommen, außer es ist anders vereinbart.
Wer ist der typische Käufer von „nacktem Eigentum“?
Jemand, der Geld auf der hohen Kante hat, es investieren will und Interesse an einer günstigeren Wohnung hat, die er jedoch im Augenblick nicht selbst braucht. Häufig kaufen die Käufer das nackte Eigentum daher auch gar nicht für sich selbst, sondern für ihre Nachkommen, da die erworbene Wohnung ja meist erst nach vielen Jahren mit dem Ableben des Verkäufers tatsächlich verfügbar wird.
Und wer ist der typische Verkäufer?
Der typische Verkäufer ist vielfach bereits etwas älter, er hat keine direkten Nachkommen oder sonstigen Erben, denen er seine Immobilie hinterlassen möchte und er hat den Wunsch, sich Liquidität zu Lebzeiten zu verschaffen. Das kann mit einer geringen Rente zu tun haben oder mit dem Willen, es sich im Alter noch gut gehen zu lassen. Es kann aber auch sein, dass der Verkäufer eine Investition tätigen möchte oder eine Schuldposition tilgen muss. Dann gibt es Fälle, wo bereits Eltern um die 50 oder 60 das nackte Eigentum an ihrer Wohnung verkaufen und den Erlös ihren Kindern schenken, damit sich diese wiederum selbst ein Heim kaufen können, ohne auf das Erbe zu warten.
Der Verkauf nach dem Prinzip des „nackten Eigentums“ liegt im Trend, einige Makler haben sich sogar darauf spezialisiert. Warum ist das Phänomen im Steigen?
Es gibt immer mehr ältere Immobilieneigentümer, die keine Nachkommen bzw. Erben haben, gesundheitlich jedoch noch sehr fit sind und das Leben genießen möchten. Durch den Verkauf des nackten Eigentums haben sie die finanziellen Mittel dazu.
Wie wird der Preis des nackten Eigentums berechnet?
Der Wert des nackten Eigentums hängt vom Alter des Verkäufers und demzufolge des Inhabers des Wohnrechtes oder Fruchtgenussrechtes ab und natürlich auch von der Immobilie selbst. Es gibt hier eigene Tabellen, die den Wert unter Berücksichtigung des Alters des Verkäufers und des gesetzlichen Zinssatzes ermitteln und als Richtwert dienen.
Zahlt sich das für den Käufer aus? Wenn er eine Wohnung als volles Eigentum erwirbt und diese vermietet, kommt er über die Jahre vermutlich auf dieselben Summen?
Im Prinzip besteht immer ein Zusammenhang zwischen dem Wert des Wohnrechtes oder des Fruchtgenusses und dem Nettobarwert der zukünftigen Mieten. Allerdings zahlt der nackte Eigentümer keine Immobiliensteuer und er muss sich auch nicht um die Verwaltung von Mietverträgen kümmern.
Kommt es manchmal zu Streitfällen mit Erben, wenn beispielsweise ein Elternteil das nackte Eigentum veräußert und nichts davon den Kindern abgibt?
Streitfälle sind immer möglich, das gilt für alle Immobilienverkäufe und man sollte sich deshalb immer vorab gut beraten lassen. Wichtig ist, dass das nackte Eigentum zu einem fairen Marktwert mit ausgeglichenen vertraglichen Bedingungen verkauft bzw. erworben wird. Ein Elternteil kann über sein Vermögen immer selbst verfügen und demzufolge das nackte oder volle Eigentum nach eigenem Willen verkaufen. Es ist allerdings sicherlich angebracht, dies vorher mit den Nachkommen zu besprechen, weil es ja auch sein könnte, dass auch diese am Kauf interessiert sind.
Welches sind die Gefahren beim Verkauf des „nackten Eigentums“?
Wenn jemand das nackte Eigentum verkauft, sollte er sich diesen Schritt gut überlegen und sich wie gesagt gut beraten lassen, weil der Verkauf nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Interview: Karin Gamper
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Kommentare (1)
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steve
Die Bevölkerung sinkt und wenn ein bisschen Inflation dazukommt, krieg ich in zehn zwanzig Jahren so eine Wohnung um die Hälfte.
Schön aber für unsere Makler, dass es sowas gibt. 🙂