„Modello Südtirol“
Die italienische Sportpresse schwärmt über das Modell FC Südtirol. Südtirols einziger Profi-Fußballclub wird in ganz Italien als Vorzeigeprojekt herumgereicht.
von Artur Oberhofer
Dietmar Pfeifer ist seit Wochen ein gefragter Gesprächspartner von Sportjournalisten aus ganz Italien. Immer wieder muss der Generaldirektor des FC Südtirol den Sportreportern die Geheimnisse des Erfolgsmodells FCS erklären. Die „Gazzetta dello Sport“, Italiens auflagenstärkste Sportzeitung, widmete dem „Modello Südtirol“ (ja, mit „ü“ geschrieben) vor wenigen Tagen sogar eine ganze Seite.
Der Titel des Gazzetta-Artikels von Francesco Velluzzi: „Le Dolomiti del gol – Strutture top e tanti soci, così nasce la Serie B.”
Seit die Mannschaft des glühenden Dostojewski-Fans Ivan Javorcic souverän die Tabelle im Kreis A der Serie C anführt, steht Südtirols einziger Profi-Fußballclub im Rampenlicht.
Ob Ex-FCS-Trainer wie Maurizio Pellegrino, Beppe Sannino, Giovanni Stroppa, Marco Baroni oder Attilio Tesser, ob Ex-FCS-Spieler wie Emmanuel Gyasi (heute bei Spezia) – immer wieder schwärmen ehemalige Trainer und Spieler in den nationalen Sportgazzetten vom Erfolgskonzept des FC Südtirol.
Der Tenor: Der Club im hohen Norden habe sich in all den Jahren konstant und immer Schritt für Schritt weiterentwickelt. Zuerst personell. Dabei hat man stets auf junge, aufstrebende Trainer gesetzt. Man darf nicht vergessen, dass beim FCS Trainer gearbeitet haben, die später den Sprung in die Serie A geschafft haben – wie etwa Paolo Zanetti, derzeit bei Venedig unter Vertrag.
Parallel dazu hat sich der FCS strukturell weiterentwickelt, wobei das Trainingszentrum in Rungg ein Juwel ist, um das sogar A-Clubs die weiß-roten Kicker und das Trainerteam beneiden.
Der letzte Schritt in Richtung strukturelle Avantgarde ist das Stadion, das bald fertiggestellt ist.
Das heißt: Der FCS ist den umgekehrten Weg vieler anderer Clubs gegangen.
In Bozen hat man zuerst strukturell aufgerüstet, anstatt Euro-Millionen in Spielertransfers und -gehälter zu investieren, so wie dies andere Clubs machen, die es mit Euros und mit der Brechstange versuchen. Das von der Vereinsführung alljährlich ausgegebene Ziel beim FCS lautete: „Wir müssen uns jedes Jahr weiterentwickeln.“ Das Budget ist langsam gewachsen. So hat der FCS mit knapp fünf Millionen Euro nur halb so viel Geld zur Verfügung als Clubs wie Padua oder Triestina. Und man hat mit Paolo Bravo einen Sportdirektor geholt, den man ohne Umschweife als den Architekten des letzten Qualitätssprungs beim FCS bezeichnen kann.
Anders als seine Vorgänger hat Bravo nicht nur auf Leihspieler von A- oder B-Clubs gesetzt, sondern gezielt junge und hungrige Spieler fix nach Bozen geholt, die nach dieser Traumsaison – der FCS hat in dieser Spielzeit noch kein einziges Match verloren und erst sechs Gegentore kassiert – stark an Marktwert zugelegt haben.
Und während andere Clubs auf bekannte Namen setzen und für ehemalige A- oder B-Spieler Jahresgehälter von bis zu 300.000 Euro bezahlen (oder versprechen), verdient beim FCS kein Spieler mehr als 90.000 Euro pro Jahr. Und: Im Unterschied zu anderen Realitäten bekommen die Spieler auch das Geld. Und zwar pünktlich.
Bereits im vergangenen Jahr hat der FCS mit Trainer Stefano Vecchi an die Tür der Serie B geklopft. „Doch im letzten Jahr fehlte uns noch das gewisse Etwas“, analysierte FCS-Generaldirektor Dietmar Pfeifer zu Beginn dieser Saison.
Was Pfeifer nicht sagte: Das gewisse Etwas hatten sich die Vereinsbosse vom Trainer erwartet, doch Stefano Vecchi gelang es in der neuralgischen Phase der Meisterschaft nicht, aus der Mannschaft noch den letzten Tropfen Saft herauszuholen.
Mit Ivan Javorcic, dem engen Freund von Torino-Trainer Ivan Juric, hat Sportdirektor Paolo Bravo einen Fußballlehrer nach Bozen geholt, der ein harter Hund mit großem Herz ist.
Man sieht es an der Körpersprache der Spieler: Der Teamgeist, den Javorcic der Mannschaft eingeflößt hat, ist in jeder Spielsituation greifbar. Die Mannschaft ist eine Mannschaft im wahrsten Sinn des Wortes.
Auch ist es dem FCS endlich gelungen, die ethnischen und die kirchturmpolitischen Zäune niederzureißen. Der Verein hat sich jahrelang schwergetan, in dieser ethnopolitisch geprägten Fußballprovinz Wurzeln zu schlagen. Inzwischen haben auch die Italiener in Südtirol sich langsam daran gewöhnt, vom FC Sudtirol zu sprechen. Sie haben begriffen, dass dieses Erfolgsmodell mit der Marke Sudtirol nicht gegen sie gerichtet ist, sondern dass dieser FC Sudtirol die Auswahl aller Südtiroler ist bzw. sein sollte.
Diese jahrelange und mühsame Imagearbeit, die Dietmar Pfeifer – aber auch der ehemalige Präsident Walter Baumgartner – geleistet haben, macht sich nun insofern bezahlt, als nun neben dem Duschkabinen-König Hans Krapf auch andere Industriekapitäne und Wirtschaftsgrößen den FCS als PR-Faktor entdeckt haben.
Forst-Mann Gerhard Comper ist jetzt Präsident. Und mit Walter Pardatscher (VOG) und Carlo Costa (Sparkasse) stehen Comper zwei einflussreiche Netzwerker zur Seite.
Für die vielen italienischen Sportjournalisten, die derzeit nach Bozen und Rungg pilgern, um die Geheimnisse des FCS zu ergründen, ist der Aufstieg der Mannschaft aus der Skirennläufer-Provinz in die Serie B bereits so gut wie fix (die Weiß-Roten haben acht Punkte Vorsprung auf Verfolger Padua).
Jetzt müssen Ivan Javorcic und seine Männer beweisen, dass ihnen nicht – wie im letzten Jahr – auf der Zielgeraden die Luft ausgeht.
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