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„Alles in einer Hand“

Walther Andreaus

Jetzt starten auch die Verbraucherschützer eine staatsweite Offensive gegen das Athesia-Medienmonopol in der Region Trentino-Südtirol. Die Hintergründe.

von Artur Oberhofer

Der Offene Brief geht an die Präsidentin der Europäischen Kommission, an den Staatspräsidenten, an den Präsidenten des Ministerrats, an Minister – und an die Garanten für den Wettbewerb und den Bereich Kommunikation.

Absender ist der Verbraucherschutzverein Robin und das Centro Consumatori Italia – unterstützt vom namhaften Rechtsprofessor Massimo Cerniglia.

Der brisante Betreff: Schutz des Medienpluralismus in der Autonomen Region Trentino-Südtirol und in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol.

In dem Offenen Brief ersuchen die Verbraucherschützer die Politik, die Wettbewerbs- und die Kommunikationsbehörde Maßnahmen zu ergreifen, um – wie es in dem Brief heißt – „die verfassungsmäßigen und unionsrechtlichen Werte des Informationspluralismus in der Region Trentino-Südtirol zu gewährleisten“.

Hintergrund dieser Aufsehen erregenden Initiative ist die für Italien einzigartige und an Ungarn erinnernde Situation in Trentino-Südtirol, wo ein einziges Medienhaus, Athesia, mehr als zwei Drittel des Medienmarktes kontrolliert.

Walther Andreaus, der Direktor des Verbraucherschutzvereins Robin und Rosario Trefiletti, der Präsident des Centro Consumatori Italia, verweisen in ihrem Offenen Brief unter anderem auf eine Bestandsaufnahme zur Lokalinformation, die die Wettbewerbsbehörde AGCOM vorgenommen hat. In diesem bislang noch unveröffentlichten Bericht heißt es einleitend, dass insbesondere in Regionen, die durch starke lokale Gemeinschaften mit kulturellen und/oder sprachlichen Besonderheiten gekennzeichnet sind, wie das Aostatal und Trentino-Südtirol, „ein ausgeprägtes Interesse an lokalen Informationen festzustellen (…) sei.

Als „relevant und problematisch“ bezeichnet die Wettbewerbsbehörde den Umstand, dass sich in einigen Regionen – darunter Trentino-Südtirol – „Positionen mit einer hohen Informationskraft einiger privater Subjekte herausbilden“. Solcherart entstünden im Informationsbereich auf regionaler Ebene Machtpositionen, die „das Verschwinden unabhängiger Stimmen, die Verquickung von Information und lokaler Politik sowie die Undurchsichtigkeit bestimmter Eigentumsstrukturen“ zur Folge hätten und sich negativ auf die demokratische Entwicklung des Landes auswirkten.

Die AGCOM hat die Situation in Trentino-Südtirol genauestens analysiert und ermittelt, dass „die führende Gruppe Athesia einen sehr hohen Anteil an der Gesamtzahl der Lokalnachrichten (78,1 %)“  innehat.

Zur Athesia heißt es im AGCOM-Dossier unter anderem:

Athesia ist eine Verlagsgruppe mit Sitz in Bozen, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde
(…).
Heute kontrolliert die Gruppe im Medienbereich Unternehmen wie Athesia Druck GmbH, Radio Dolomiti, Media Alpi Pubblicità, SIE (vor kurzem von einer lokalen Gruppe übernommen), SETA (vor kurzem von GEDI übernommen), RTT und On Air, zu dem unter anderem die wichtigsten Tageszeitungen der Region gehören. Die Gruppe wurde als ein auf die Veröffentlichung von Tageszeitungen (und Zeitschriften) spezialisiertes Unternehmen gegründet und konsolidiert und expandierte später in die Bereiche Radio und Online-Publishing.
(…)
Eine Analyse der Marktanteile (gemessen an der Auflage) sowohl in der Region als auch in den Provinzen Trient und Bozen zeigt eine erhebliche redaktionelle Konzentration.

Die Gruppe, zu der Dolomiten (12,7 Mio. Exemplare), L’Adige (7 Mio.) und Trentino-Alto Adige (fast 6 Mio.) gehören, hat einen Anteil von mehr als zwei Dritteln (68 %) an der Auflage aller in der Region verkauften Zeitungen (national und lokal).

Darüber hinaus ermöglicht die Bandbreite der Titel sowohl eine territoriale als auch eine sprachliche Diversifizierung (siehe Abbildung 2.12), wobei L’Adige in Trient (43 %) und in der italienischen Gemeinschaft führend ist und Dolomiten in Bozen (58 %) und in der deutschsprachigen Gemeinschaft (während die beiden anderen Titel in den beiden Provinzen ähnliche Positionen einnehmen, nämlich etwa 15 %).
(…)


Auch im Rundfunk nimmt die Gruppe eine wichtige Stellung ein. Insbesondere hält Athesia eine 50%ige Beteiligung am führenden Radiosender der Region (Südtirol 1), der 13% der Bevölkerung erreicht (TER-Zahlen) und damit alle anderen nationalen und lokalen Sender übertrifft. Darüber hinaus wird das Angebot durch andere Radiomarken ergänzt, darunter Radio Dolomiti, das eine Reichweite von etwa 5 % der Bevölkerung erreicht.“

Das Fazit der AGCOM: Zusammenfassend lasse sich sagen, dass sich – Zitat – „in Trentino-Südtirol in den Händen einer privaten lokalen Gruppe, Athesia, eine Position von beträchtlicher Informationsstärke abzuzeichnen scheint, die durch ein komplettes und diversifiziertes Spektrum von Aktivitäten im Mediensektor (einschließlich der Werbekomponente) und auf der Grundlage einer soliden wirtschaftlichen und finanziellen Position einen bedeutenden Einfluss auf das gesamte territoriale Ökosystem“ nimmt.

Die Botschaft könnte klarer nicht sein: Der Medienmarkt in Trentino-Südtirol wird von einem Medienhaus kontrolliert.

Die Verbraucherschutzvereine bedauern, dass die Anti-Monopol-Initiative von PD-Senator Gianclaudio Bressa (vorerst) gescheitert sei. Bressa hatte die Aufnahme eines Änderungsantrags in das Haushaltsgesetz 2022 gefordert, der den Rechtsrahmen in Frage stellt, der heute die Bildung von Medienkonzentrationen – auf regionaler Ebene – sogar zu 100 % zulässt (während das vor 2004 geltende Gesetz eine Grenze von 50 % vorsah).

Ein weiterer Absatz der Abänderung sah vor, dass ein Verleger in einer marktbeherrschenden Stellung keinen Zugang zu finanziellen Beiträgen für die Veröffentlichung von Minderheiten hat.

Die Verlagsanstalt Athesia AG, die fast 80 Prozent des Medienmarktes in Südtirol und im Trentino besitzt, erhält jährlich 6,2 Millionen Euro an öffentlichen Beiträgen für das Verlagswesen.

Die Verbraucherschutzverein geben außerdem zu bedenken, dass bei der größten Südtiroler Zeitung „Dolomiten“ keine Trennung zwischen Verlag und Redaktion besteht. „Der Chefredakteur der Zeitung ist nämlich – gemeinsam mit der Familie Ebner – Mehrheitsaktionär und Bruder des Verlegers, der seinerseits auch Präsident der Handelskammer Bozen ist. Kurzum, man könnte von einem echten ,harmonischen Wirrwarr‘ sprechen“, so heißt es im Offenen Brief.

Die Verbraucherschützer erwägen nach Prüfung der europäischen und verfassungsrechtlichen Regelungsrahmen nun sogar eine Sammelklage zum Schutz des Pluralismus. Auch wird die Europäische Kommission angehalten, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien wegen Verstoßes gegen die europäischen Rechtsvorschriften zum Schutz des Pluralismus in den Medien einzuleiten. Dasselbe gelte, immer laut den Verbraucherschutzorganisationen, für  die Antitrustbehörde, die ebenfalls ein Verfahren zum Schutz des Pluralismus einleiten könnte.

Auch die Prüfung des Gasparri-Gesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit wäre laut den Verbraucherschützern ein gangbarer Weg.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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