Kein Zutritt
SVP und Lega fordern die 2G-Pflicht für alle demokratischen Institutionen. Warum das Vorhaben rechtlich auf wackligen Beinen steht.
Von Matthias Kofler
Andreas Leiter Reber spricht von „Farce“ und „Schaumschlägerei“: „Die SVP muss nicht nach Rom schreiben, sondern ihr LH und das Präsidium im Landtag sollen einfach einen Südtiroler Weg einschlagen und uns zu 2G verpflichten, wenn es ihnen so wichtig ist“, sagt der Freiheitlichen-Obmann.
Die Koalitionsparteien SVP, Lega und Forza Italia fordern in einem an das römische Parlament gerichteten Begehrensantrag: „2G-Regel auch in der Politik“.
Ab dem 15. Februar gilt in Italien für alle ArbeitnehmerInnen des öffentlichen und privaten Sektors, die über 50 Jahre alt sind oder bis zum 15. Juni das 50. Lebensjahr vollenden, die Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Im Moment fehlen jedoch die staatlichen Vorschriften, wie die 2G-Regel am Arbeitsplatz der PolitikerInnen gestaltet werden soll. „Die politischen Versammlungen dürfen von der 2G-Regel nicht ausgenommen werden“, schreiben Gert Lanz, Helmut Tauber (beide SVP), Rita Mattei (Lega) und Carlo Vettori (FI). In anderen Worten: An den Sitzungen des Landtags, der Landesregierung, der Gemeinderäte und -ausschüsse sollen nur noch Mandatare teilnehmen dürfen, die nachweisen können, dass sie geimpft oder genesen sind. Ungeimpfte blieben von den politischen Organen ausgeschlossen.
Ein guter Vorschlag? Die Opposition ist geteilter Meinung. Andreas Leiter Reber vermutet, dass sich SVP und Lega mit einem Alibi-Antrag in Rom einen schlanken Fuß machen und die Opposition geschickt in eine Sackgasse manövrieren wollen. In der Tat stehen die Minderheitenvertreter vor einer schweren Entscheidung: „Wir wollen bestimmt keine Privilegien für die Politiker, deshalb müssten wir den Antrag eigentlich unterschreiben. Gleichzeitig sind wir aber gegen 2G und fordern stattdessen 3G für alle, auch im ÖPNV. Deshalb können wir den Begehrensantrag auch nicht unterzeichnen.“ Für den F-Chef gilt zu klären, ob nur die Politiker oder alle Mitarbeiter in Landtag und Gemeinden zu 2G verpflichtet werden sollen. „Da ich im Laufe des Tages mindestens zwei, drei Kaffee in der Landtagsbar trinke, gilt für mich und die meisten anderen sowieso schon längst 2G“, so Leiter Reber.
Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol) hat einen Alternativvorschlag ausgearbeitet: Demnach soll 2G in 3G umgewandelt werden, und zwar sowohl im Freizeit- als auch im Arbeitsbereich. „Wir sind gegen eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte“, unterstreicht Faistnauer. Ihm persönlich tun vor allem die ungeimpften Jugendlichen leid, die nicht mehr mit den Öffis zur Schule fahren können. Diese „Diskriminierung“ müsse ein Ende finden. Daher sollten Testungen als Alternative zur Impfung erlaubt werden, bis die Maßnahmen komplett abgeschafft werden können.
Faistnauers Ex-Partei, das Team K, hat den Antrag der Mehrheit hingegen mitunterzeichnet. „Es geht darum, dass für die politischen VertreterInnen dieselben Regeln gelten wie für Angestellte – das unterstützen wir“, sagt Maria Elisabeth Rieder. Die Grünen sind noch unentschlossen. Man wolle hier abwägen, erklärt Brigitte Foppa. „Auf der einen Seite unterstützen wir die Maßnahmen, die uns aus der Pandemie heraushelfen können und wir treten für gleiche Rechte für alle ein. Auf der anderen Seite erachten wir eine 2G-Pflicht für alle politischen Organe als einen schwerwiegenden Eingriff: Es gehört zu einer aufgeklärten Gesellschaft, dass sich alle BürgerInnen – unabhängig von ihren Einstellungen und Wertvorstellungen – eine demokratische Vertretung verdienen. Mit einem Ausschluss der Ungeimpften würden deren demokratische Grundrechte beschnitten“, befürchtetFoppa. Die Grünen wollen ihre Entscheidung auf der Basis von Expertenmeinungen treffen. Eine Einschränkung der Teilhabe an den politischen Prozessen – und damit die Möglichkeit der politischen Einflussnahme – könnte verfassungswidrig sein, warnen bekannte italienische Verfassungsrechtler.
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