Du befindest dich hier: Home » News » „Eine Zwei-Klassen-Medizin“

„Eine Zwei-Klassen-Medizin“

Foto: 123rf

Ärztegewerkschafter Ivano Simioni beklagt: Man spare das öffentliche Gesundheitssystem kaputt, während man die Privatkliniken mit Steuergeldern mitfinanziere.

von Heinrich Schwarz

Die vorgesehenen Kürzungen im Südtiroler Sanitätsbetrieb sorgen bei den Gewerkschaften für heftige Proteste. Wie berichtet, fehlen dem Sanitätsbetrieb im Haushaltsjahr 2022 rund 40 Millionen Euro. Als Sparmaßnahmen hat Generaldirektor Florian Zerzer unter anderem einen Aufnahmestopp von neuem Personal, die Kürzung von Mehrleistungen und Überstunden, weniger Operationen und weniger Krankentransporte festgeschrieben.

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat gegenüber der TAGESZEITUNG beruhigt: Die fehlenden Geldmittel werde man im Sommer mit dem Nachtragshaushalt bereitstellen. Bis dahin werde das Geld für alle Bereiche locker reichen, sodass es keine Probleme geben werde.

Doch schon allein die Tatsache, dass die genannten Einsparungen ins Auge gefasst wurden, sorgt für großen Ärger.

„Mitten in der Pandemie sollen Ressourcen gekürzt werden, obwohl es bereits einen großen Personalmangel gibt. Wenn Mitarbeiter nicht mehr eingestellt werden, Überstunden nicht finanziert, Prothesen nicht angekauft und

Leistungen aufgeschoben, sind die Bürger die Leidtragenden, weil die Wartezeiten noch länger werden und das System nicht mehr funktioniert“, sagt Ivano Simioni von der Ärztegewerkschaft BSK-VSK. Im ganzen restlichen Staatsgebiet sei die Sanität zusätzlich finanziert worden.

„Für uns ist das äußerst frustrierend und besorgniserregend. Nach Klatschen und Lobeshymnen sehen wir keine Belohnung in Form eines funktionierenden Betriebes, sondern Sparmaßnahmen, während viel Geld in andere Bereiche fließt“, so Simioni.

Besonders irritierend sei es, dass der Sanitätsbetrieb interne Kürzungen ausgemacht habe, während die Konventionen mit den Privatkliniken weiterhin aufrecht bleiben. „Die öffentliche Sanität wird kaputt gespart, weil das nötige Geld nicht zur Verfügung gestellt und auf den Nachtragshaushalt verwiesen wird, der erst im Sommer kommt. Aber gleichzeitig zahlt der Sanitätsbetrieb weiterhin für die angekauften Leistungen der Privatkliniken. Die Sanität wird mehr und mehr outgesourct und privatisiert“, findet Ivano Simioni.

Er betont, dass die Konventionen ein lukratives Geschäft für die Privaten seien. Die Privatkliniken würden in der Regel jene Leistungen übernehmen, die wenig Aufwand bedeuten, während dem Sanitätsbetrieb die komplizierten und teuren Leistungen bleiben würden. Gutes Geld würden die Privatkliniken auch mit der Bereitstellung von Covid-Betten machen – mit Tarifen, die 1,5 mal höher seien als auf dem restlichen Staatsgebiet.

Der Ärztegewerkschafter Ivano Simioni sagt: „Das öffentliche Gesundheitssystem blutet langsam aus, während die Privaten indirekt steuerfinanziert werden. Je mehr das passiert, desto größer wird der Druck auf die Krankenhäuser und die Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Immer mehr wechseln in die Privatmedizin oder ins Ausland. Sie gehen dorthin, wo sie die besten Bedingungen vorfinden und keiner Überarbeitung ausgesetzt sind. Ärzte und Pfleger können sich den Arbeitsplatz heutzutage aussuchen.“

Die früheren Landesregierungen hätten es stets verhindern wollen, aber jetzt komme es zu einer schleichenden Privatisierung, die zur Zwei-Klassen-Medizin führen werde, unterstreicht Simioni.

Er hofft, dass die Situation gelöst wird, ansonsten werde auch das Konfliktpotenzial mit den Gewerkschaften zunehmen. Diese fordern eine ausgewogene Verteilung der Geldmittel.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (21)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • schwarzesschaf

    Das system ist aufgepauscht genug da ist es egal wenn ein wenig personal eingespart wurde, wie warves beim personalstopp in land nichts ist passiert 3s ist immer noch gleich langsam bzw etwas schneller obwohl sehr viele in rente gingen. Also mach ich mir da keine sorgen besonder wenn man in krankenhaus ist und die krankenschwester mit dem händyspielt anstand für den nächsten Patienten die liege wieder sauber macht

    • gorgo

      Ich sehe das auch nicht so dramatisch. Bissi schneller durch die Gänge schlurfen und weniger rumgackern.
      Vielleicht hat man nach 2 Jahren, umplanen, einteilen, x Ausfällen durch Quarantäne oder Suspendierungen auch gemerkt, das in dem System jede Menge Leerlauf ist.

  • vinsch

    Dieses Ziel hatte man schon vor Corona, jetzt, dank dem Virus hat man es endlich geschafft.

    • andreas

      Na ja, wenn man bedenkt, wieviel Geld die Hoteliere erhalten haben ist es irgendwie logisch, dass es irgendwie eingespart werden muss.
      Auch die Praxis der Saisonverträge und dann Arbeitslosengeld oder offiziell nach Tarif zahlen und die Mitarbeiter beantragen Mietbeihilfen, kosten nun mal.

  • pingoballino1955

    Und die Wartezeiten für bestimmte OP`s immer noch 6 (sechs) Monate + ! ??????

  • sigo70

    Dazu passt auch diese Landtagsanfrage:
    http://www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_638690.pdf
    „Gab es 2001 in Südtirol noch 2.753 Betten, so sind es 2021 nur mehr 1.956. Es gingen also fast 800 Betten „verloren“.“

  • franz19

    Langsam ist ja alles möglich…Auch die Test die so mancher über Internet macht sind einfach nur lächerlich, Sie schalten sich mit jemand im Ausland zu ,wer weiss wen und erhalten den Code für getestet…einfach nur Schwachsinn!!!

    Es gibt einfach zu viele Tricksereien,sonst würden wohl die meisten impfen und ohne Sorge arbeiten gehen…

  • nochasupergscheiter

    Ja weißt du das problem wäre ja nicht die Kapazität, die hätten zwar zeit aber die einen Mitarbeiter sitzen zuhause, gesund aber suspendiert, die anderen warten auf die bösen Ungeimpften die seit wochen nicht kommen, aber es könnte ja sein dass… Die irgendwann doch kommen… Vielleicht…. Irgendwann… Derweil lass ma die anderen mal nicht rein… Und wenn jemand Stirbt geben wir die Schuld dafür dass wir statt zu arbeiten gewartet haben…. Den bösen Ungeimpften…. Heiiiii… Hossa… Sind wir schlau…

  • andreas1234567

    Hallo nah Südtirol,

    im Prinzip hat der Gewerkschaftler recht.

    Südtirol hat Bettenkapazität in Privatkliniken angemietet weil Rom die Einteilung nach weiss/orange/rot im Herbst auf die Auslastung der Sanität angerechnet hat.

    Um den Tourismus zu schützen hat man schlicht Betten bei Privatkliniken „zugemietet“ um bei der Hospital-Quote unter ominösen 10/20% Grenzen zu verbleiben.Mehr Betten = weniger Auslastung.

    Umfang und Kosten wurden vom Abgeordneten Dr.Ploner im Rahmen einer Landtagsanfrage nachgefragt und beantwortet:

    http://www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_626936.pdf

    Es wäre Zeit für eine parlamentarische Folgefrage was dieser „Statistiktrick“ mit der Anmietung niemals genutzter Betten in Privatkliniken das Land gekostet hat und ob der Tourismus als einziger Nutzniesser dieser Zahlenschönung sich nicht gern etwas beteiligen will.

    Gruss nach Südtirol

  • aufmerksamerbeobachter

    Ist ja offensichtlich wie Misswirtschaft gemacht wird. Politiker und die Führungspitze der Sanität stecken das große Geld ein und die Arbeitnehmer haben das Nachsehen. 40 Millionen Euro Fehlausgaben für Masken,Testen und Impfen.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen