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Anfänge einer „Barbarei“

Erich Kofler Fuchsberg: Ob Artenschutz, Rassenschutz, Heimatschutz oder Infektionsschutz, in jenem Staatsgebilde, dem ich meine Zustimmung gebe, ist kein Platz für deren diktatorische Durchsetzung.

Der Vinschger Künstler Erich Kofler Fuchsberg sieht – wie der Philosoph Giorgio Agamben – in den Maßnahmen gegen die Covid19-Pandemie einen Polizeistaat und totalitären Staatsapparat im Entstehen. Was meint er damit?

Tageszeitung: Herr Kofler Fuchsberg, in einem Brief an mehrere Medien bezeichnen Sie die Maßnahmen gegen die Covid19-Pandemie als Einübung in den Polizeistaat und einen totalitären Staatsapparat. Wo sehen Sie einen Polizeistaat am Entstehen?

Erich Kofler Fuchsberg:  Sobald Teilen der Bevölkerung jene durch die Verfassung garantierte Grundrechte verweigert werden, sobald die Teilnahme am öffentlichen Leben untersagt ist, der Zugang zu Ämtern, öffentlichen Dienstleistungen usw. verwehrt, wenn der Aufenthalt an bestimmten Plätzen unter Strafe gestellt wird, wenn Polizeiorgane dafür ausrücken, völlig unbescholtene Personen aus öffentlichen Verkehrssystemen zu entfernen, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz und damit ihre Lebensgrundlage verlieren, dann sind eindeutig polizeistaatliche Maßnahmen zu erkennen. Es wird ein Teil der Staatsbürger:innen für einen Missstand verantwortlich gemacht und mit Sanktionen bedroht, dessen Ursachen aber in einer mehrere Jahrzehnte dauernden Misswirtschaft im Sanitätsbereich zu suchen sind: Ausdünnung, Austrocknung und einer aus den Neo-Liberalen Programmen entstammenden Umverteilung der Ressourcen. Hier ist ein Stellvertreterkrieg zu beobachten, der nichts anderes beabsichtigt, als das Scheitern der politischen Parteien unleserlich zu machen und Schuldige zu benennen. Alle aufgezählten Punkte sind als Einführungselemente in den totalitären Staatsapparat zu deuten.

Mit Teilen der Bevölkerung meinen Sie die Nicht-Geimpften, die No-Vax?

Was heißt Yes-Vax oder No-Vax, es sind Menschen, die den Nutzen dieser Impfung für sich in Anspruch nehmen wollen, und andere, die das nicht wollen.

Aktuell ist es das Virus, von dem Gefahr droht, und nicht vom Staat. Der Staat trifft Maßnahmen, um das Leben der Bürger zu schützen. Das ist seine verfassungsmäßige Pflicht. Was soll daran totalitär sein?

Vom einen droht genauso viel Ungemach wie vom anderen. Dass der Staat sich Sorgen um die Gesundheit seiner Bürger machen soll, ist sicher nicht schlecht, und er wird noch viel Gelegenheit dazu haben, aber alle Maßnahmen müssen im Verhältnis zum allgemeinen Nutzen und Schaden stehen und es muss die Souveränität der einzelnen Person respektiert bleiben. Dass der „Staat“ eine und nur diese eine Lösung parat hält und nichts anderes zulässt, gleicht einem pseudo-religiösen Verhalten, das durch die Wissenschaft so nicht genehmigt werden kann. Niemals darf der demokratische, liberale Staat eine Krise über Zwangsmaßnahmen zu meistern suchen, ansonsten verliert er den Anspruch und wird unglaubwürdig.

Auch der Philosoph Giorgio Agamben vertritt die Auffassung, Italien befinde sich auf dem Weg in eine Diktatur. Für Menschen, die in einer richtigen Diktatur leben, klingt das wie Hohn.

Agamben, einer der einflussreichsten Philosophen der Gegenwart hat nicht behauptet, Italien sei eine Diktatur, sondern er erkenne in den Verordnungen zur Pandemiebekämpfung jenen Weg, der an die Anfänge einer „Barbarei“ erinnert. Zu Beginn diktatorischer Zustände gab es immer Vorwände und Maßnahmen, die ein scharfes Regiment nötig zu machen vorgaben, waren es wirtschaftliche Gründe, politische oder soziale Verwerfungen. Er weist darauf hin, dass nach den Erfahrungen des Ineinandergreifens von Medizin und Politik im Nazideutschland ein Kodex diese beiden Parteien auseinanderhalten sollte, und dass medizinische Eingriffe ausschließlich freiwillig, ohne Zwang und Druck erfolgen dürfen. Virologische Befunde sind ein Teil der Realität eines Staates, aber es gibt noch soziale, psychologische und politische Elemente, die nicht weniger zählen. Hier eine kleine Passage von Agambens Rede an den Italienischen Senat: „Ich glaube, dass es heute notwendiger denn je ist, zu verstehen, dass Medizin und Politik klar voneinander getrennt werden müssen und dass man sich nicht auf wissenschaftliche Gründe berufen kann, um Maßnahmen zu rechtfertigen, die ihrem Wesen nach zwangsläufig politisch sind.“   

 Agamben geht so weit, Impfpässe mit den Judensternen der Nazis zu vergleichen. Die Corona-Politik mit den Verbrechen der Nationalsozialisten zu vergleichen geht zu weit, oder?

Sicher, so möchte ich das nicht sehen und ich glaube auch nicht, dass Agamben hier 1:1 misst. Er meint vielmehr, dass die Muster der Stigmatisierung vergleichbar sind, nicht aber die Konsequenzen. Tatsächlich ist es seit dieser ganz üblen Zeit das erste Mal wieder, dass Maßnahmen zum sozialen Ausschluss eines Teiles der Bevölkerung gefordert und akzeptiert werden.

Die politischen Entscheidungsträger müssen in der Bekämpfung der Pandemie zwei der höchsten Güter, den Schutz des Lebens und die Freiheit der Gesellschaft, miteinander vereinbaren. Im gegenwärtigen Ausnahmezustand muss der Staat den Schutz des Lebens als primäres Ziel verfolgen. Glauben Sie, der Ausnahmezustand könnte zum Normalzustand werden?

Nein, das glaube ich nicht. Diese Pandemie wird vorübergehen wie alle bisherigen Pandemien vorübergegangen sind, oder wir werden lernen damit umzugehen, wie Menschen immer gelernt haben, sich neu auszurichten und anzupassen. Jedoch bin ich sicher, die Langzeitschäden der Pandemiebekämpfung werden einschneidender und länger nachwirken als jene der eigentlichen Pandemie.

Welche Landzeitschäden fürchten Sie?

Vertrauensverlust in die politische Führungskompetenz, auch Verwerfungen im privaten Bereich, Verhärtung der Positionen und Abbau toleranter Haltung gegenüber anderen Meinungen.

Jeder wird zustimmen, dass medizinische Eingriffe ausschließlich freiwillig, ohne Zwang und Druck erfolgen sollten. Aber wie soll Infektionsschutz funktionieren, wenn eine Gruppe von Bürgern die Impfung verweigert?

Ob Artenschutz, Rassenschutz, Heimatschutz oder Infektionsschutz, in jenem Staatsgebilde, dem ich meine Zustimmung gebe, ist kein Platz für deren diktatorische Durchsetzung. Es gibt immer mehrere Wege, ein Ziel zu erreichen. Gäbe es, in welchem Zusammenhang auch immer, ein alternativloses Lösungskonzept, dann hätten wir alle schon längst den einen Gott und die eine Partei.

Interview: Heinrich Schwazer

Zur Person

Erich Kofler Fuchsberg, 1957 in Naturns geboren, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Max Melcher. Zahlreiche  Einzelausstellungen unter anderem in der Bozner Galerie Museum und im Wiener Museum für Moderne Kunst. Seine Werke befinden sich unter anderem in der Graphischen Sammlung Albertina, der Stadt Wien, Museion Bozen, Museum Ferdinandeum/Innsbruck sowie weiteren öffentlichen und privaten Sammlungen.

 

 

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