Fidele Abrechnungen
Wenn es um die Abrechnung der Spesen geht, ist Jasmin Ladurner die fleißigste Landtagsabgeordnete. Die SVP-Politikerin reizt die Bestimmungen so sehr aus, dass sie nun sogar darüber stolpern könnte. Das ist die GESCHICHTE, die die SPESEN-AFFÄRE um Jasmin Ladurner ausgelöst hat.
von Artur Oberhofer und Matthias Kofler
Als die TAGESZEITUNG im Dezember 2019 aufdeckte, dass sie mit 11.283,84 Euro an abgerechneten Spesen die absolute Spesen-Queen des Südtiroler Landtages ist, reagierte Jasmin Ladurner cool: „Ich bin halt viel unterwegs – vom Brenner bis ins Unterland –, um draußen bei den Leuten zu sein, viel Arbeit, viel unterwegs.“
Hinzu komme: Um nach Bozen zu gelangen, müsse sie „vom Berg in die Stadt hinunter“.
Die SVP-Landtagsabgeordnete wohnt in Hafling. Auf 1.700 Metern Meereshöhe.
Was jetzt auf der Grundlage von vertraulichen Dokumenten, die der TAGESZEITUNG zugespielt wurden, herauskommt: Jasmin Ladurner hat die Bestimmungen zur Spesenrückerstattung mehr als nur ausgereizt. Sie hat möglicherweise Fahrten verrechnet, wo sie nur Beifahrerin war. Und sie hat sogar damit geliebäugelt, sich vom Regionalrat die Sozialabgaben bezahlen zu lassen.
Doch der Reihe nach.
Jasmin Ladurner hat sich jahrelang den Luxus geleistet, nicht nur die Fahrten von ihrem Wohnort Hafling nach Bozen abzurechnen, sondern auch die Fahrten vom Domizil ihres damaligen Lebensgefährten in Wiesen nach Bozen.
Aus der Aufstellung der Fahrten, die Jasmin Ladurner dem Südtiroler Landtag verrechnet hat, geht hervor, dass sie in den Jahren 2019 und 2020 rund zwei Dutzend Fahrten von Wiesen nach Bozen bzw. von Bozen nach Wiesen verrechnet hat.
Dabei kamen zum Teil recht kuriose Wegstrecken-Diagramme heraus.
Einige Beispiele:
Am 2. September 2019 verrechnete Jasmin Ladurner dem Südtiroler Landtag eine Fahrt vom Bestimmungsort (Hafling) nach Sulden und Wiesen. 240 Kilometer. Dafür zahlte der Landtag der Abgeordneten 112,80 Euro.
Am 4. September 2019 verrechnete die SVP-Politikerin eine Fahrt von Wiesen nach Bozen und Mals, 233 Kilometer, 109,51 Euro.
Am 26. September 2019 verrechnete die SVP-Jungpolitikerin eine Fahrt von Wiesen nach Sterzing und Margreid. 163 Kilometer, 76,61 Euro.
Am darauffolgenden Tag, dem 27. September 2019, verrechnete Jasmin Ladurner eine Fahrt von Bozen-Forst-St. Lorenzen, 289 Kilometer, 135,83 Euro.
Am 30. November 2019 rechnete Jasmin Ladurner eine Fahrt von Hafling zum Kronplatz und weiter nach Wiesen ab, 171 Kilometer, 80,37 Euro.
Im Jänner 2020 verrechnete Jasmin Ladurner dem Landtag binnen dreier Tage rund 250 Euro an Fahrtspesen.
Die Details: Am 8. Jänner 2020 verrechnete Jasmin Ladurner eine Fahrt von Wiesen-Brixen-Bozen-Wiesen, 146 Kilometer, 70,08 Euro. Am darauffolgenden 9. Jänner 2020 düste die SVP-Lady von Wiesen über Meran und Partschins und wieder zurück nach Wiesen, 218 Kilometer, 104,64 Euro. Und am 11. Jänner 2020 verrechnete Jasmin Ladurner eine Fahrt von Wiesen nach Ladurns und Hafling, 139 Kilometer, 66,72 Euro.
An jenen drei Jänner-Tagen des Jahres 2020 gab es weder Landtags- noch Kommissionssitzungen. Sie sei aber oft zu Sprechstunden unterwegs, argumentiert die SVP-Politikerin.
Auch dem Amt für Verwaltungsangelegenheiten des Südtiroler Landtages sind die fidelen Spesenabrechnungen der Jasmin Ladurner offenbar nicht verborgen geblieben. Denn am 21. Oktober 2019 musste Jasmin Ladurner gegenüber dem Amt für Verwaltungsangelegenheiten via E-Mail und rückwirkend bis zum 21. Oktober 2018 erklären, dass – Zitat – „Wiesen/Pfitsch mein gewöhnlicher Aufenthaltsort war“.
Jasmin Ladurner sieht diesen Mail-Verkehr zwischen ihr und dem Amt für Verwaltungsangelegenheit als Green Pass für ihre Dienstreisen an: „Dieses Dreieck-Gefahre war mit der Verwaltung abgesprochen und von dieser genehmigt, die Wohnsituation war damals halt eine Realität“, sagt Ladurner. Sie habe in jener Zeit die halbe Woche in Hafling und die andere Hälfte in Wiesen gewohnt.
Beim Land hat man die außergewöhnlichen Reiseaktivitäten der SVP-Landtagsabgeordneten offenbar geduldet. Was bleibt ist zumindest eine schiefe Optik und die Erkenntnis, dass die SVP -Abgeordnete die Bestimmungen bis zum Gehtnichtmehr ausreizt.
Tatsache ist, dass Jasmin Ladurner im Jahr 2019 mit 11.283,84 Euro den höchsten Fahrtspesenbetrag erhalten hat, Der Eisacktaler Helmut Tauber kam auf 9.045,98 Euro, der Vinschger Sepp Noggler auf knapp 6.900 Euro.
Der Chronik halber: Ein Landtagsabgeordneter verdient zurzeit 5.500 Euro netto im Monat. Darüber hinaus stehen den Mandataren eine Kostenpauschale von 700 Euro, eine Spesenvergütung durch den Regionalrat im Ausmaß von bis zu 750 Euro sowie eine Reisekostenrückerstattung durch den Landtag von bis zu 8.000 Kilometern im Jahr zu.
Apropos Regionalrat: Jetzt werden auch Jasmin Ladurners Spesenabrechnungen bei der Region überprüft.
Der Enzian-Abgeordnete Josef Unterholzner hat nämlich gegenüber SVP-Mandataren erklärt, dass Jasmin Ladurner dem Regionalrat mindestens zwei Fahrten verrechnet habe, die sie mit ihm gemacht habe. Als Beifahrerin.
Regionalratspräsident Sepp Noggler bestätigte gegenüber der TAGESZEITUNG, dass die Sekretärin eines Landtagsabgeordneten die Spesenaufstellung von Jasmin Ladurner beantragt habe. Der Sekretärin seien diese Daten nicht ausgehändigt worden. „Sollte aber ein Abgeordneter einen solchen Antrag stellen, werden wir diesem im Sinne der Transparenz natürlich entsprechen“, so Noggler.
Nach Informationen der TAGESZEITUNG hat Jasmin Ladurner sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2020 die Fahrten zu allen Regionalratssitzungen verrechnet.
Wenn stimmt, was Josef Unterholzner sagt, dass er zwei Mal der Chauffeur von Jasmin Ladurner war, dann hätte diese die beiden Fahrten zu Unrecht verrechnet. Josef Unterholzner sagt, er könne seine Taxidienste mit WhatsApp-Nachrichten belegen. Außerdem heißt es aus der SVP-Fraktion im Landtag, dass Jasmin Ladurner auch als Beifahrerin von drei SVP-Regionalratsabgeordneten zu den Regionalratssitzungen gefahren sei.
Gegenüber der TAGESZEITUNG wollte Jasmin Ladurner „nicht ausschließen“, dass sie zu einigen Sitzungen eine Mitfahrgelegenheit von KollegInnen in Anspruch genommen habe. Jasmin Ladurner: „Das kann sein, wenn dem so wäre, bin ich natürlich bereit, den Fehler richtigzustellen und das Geld zurückzubezahlen.“
Es geht im Fall Jasmin Ladurner aber nicht nur um die abgerechneten Fahrten.
Die Jungmandatarin hätte sich und ihrer Familie um ein Haar ein Strafverfahren eingebrockt.
Jasmin Ladurner wollte sich nämlich nach ihrer Wahl in den Südtiroler Landtag von ihrer Mutter, die in Hafling Ferienwohnungen vermietet, anstellen lassen.
Der Hintergrund: Der Regionalrat wäre in dem Fall für die Sozialabgaben Jasmin Ladurners aufgekommen.
Mit anderen Worten: Jasmin Ladurner wollte genau das tun, was der damalige Bürgermeister von Mals, Ulrich Veith, getan hat. Der ließ sich von seinem Bruder anstellen, die Gemeinde zahlte für Veith 113.000 Euro an Sozialabgaben.
Der Fall Veith landete als Betrugsfall vor Gericht – und der Bürgermeister musste das Geld plus Zinsen an die Gemeinde zurückzahlen.
Regionalratspräsident Sepp Noggler bestätigt, dass es von Jasmin Ladurner eine Anfrage gegeben habe. „Das ging über die Ämter, der Antrag auf Freistellung wurde aber nicht akzeptiert, der Mutter von Frau Ladurner wurde beschieden, dass das – mit Verweis auf den Fall Veith – nicht geht.“
Also waren es die Ämter der Region, die Jasmin Ladurner vor einem Betrugsverfahren gerettet haben.
Aber allein schon die Tatsache, dass Jasmin Ladurner mit dem Gedanken gespielt hat, den Veith-Trick anzuwenden, wiegt schwer.
Die Abgeordnete selbst sagt: „Ich wollte mich nur informieren, wie die Sachlage ist.“
Kommentare (40)
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