Humus der Region
Die Opernsaison der Stiftung Haydn wird künftig als Festival ausgetragen. Zwei Uraufführungen, eine Neuinszenierung und ein Gastspiel stehen im März kommenden Jahres auf dem Programm.
(sh) „Was wächst auf dem Humus der Region, was ist hier möglich?“ Das ist die Frage, die der künstlerische Leiter der Opernsaison der Stiftung Haydn Matthias Lošek von Beginn an seiner programmatischen Arbeit vorangestellt hat. Zunächst mit dem Musiktheaterwettbewerb Fringe, jetzt mit Auftragsopern, die von der Stiftung dem Euregio-Gedanken folgend, an je eine/n Komponistin/en aus Südtirol, dem Trentino und Nordtirol vergeben werden. Manuela Kerers bereits an der Neuen Oper Wien aufgeführte Oper „Toteis“ macht im kommenden März den Anfang, 2023 folgt eine Neuinterpretation von Peter Pan aus der Feder des Tiroler Komponisten Wolfgang Mitterer, für 2024 ist ein neues Werk des Trentiner Komponisten Matteo Franceschini geplant.
Die kommende Saison bietet nicht mehr übers Jahr verteilte Premieren, sondern ist auf den Monat März konzentriert und nimmt damit zumindest strukturellFestivalcharakter an. Mit vier Opern, darunter zwei Uraufführungen, einer Neuinszenierung, sowie einem Gastspiel, hat sich die Stiftung einiges an „produktiver Eigenleistung“ (Präsident Paul Gasser) vorgenommen. Damit soll das regionale Musiktheaterschaffen gefördert und in die europäische Opernlandschaft eingebettet werden.
Lošek hat die Spielsaison unter die urmerikanische Maxime „Larger than Life“ gestellt, die von den Backstreet Boys zur Hymne erhoben wurde. „Larger than life” ist das, was man auf der Kinoleinwand sieht, fast immer, Lošek aber meint die Geschichten, die „größer als das Leben“ sind, Geschichten, die „dicht an der Realität angesiedelt sind“ und von der Kunst verdichtet werden.
Eröffnet wird die Saison am 4. März mit dem Siegerprojekt des Musiktheaterwettbewerbs Fringe „Silenzio/Silence“ der Komponistin Anna Sowa. Danach folgt die Kammeroper „Falcone (il tempo sospeso del volo)“ von Nicola Sani über das Attentat im Jahr 1992 gegen den Richter Giovanni Falcone bei Capaci.
Eine schaurige Frauenfigur hat sich die Brixner Komponistin Manuela Kerer in ihrer Oper „Toteis“ vorgenommen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte sie als Mann verkleidet für das Habsburgerreich gegen Italien, verlor ein Bein, hegte heftige Sympathien für die Nazis, schloss sich der SS an und wurde von den Herrenmenschen als Heldin gefeiert. Reue gezeigt hat die in Meran aufgewachsene Viktoria Savs (1899–1979), bis zu ihrem Tod nicht. Sie blieb eine überzeugte Ewiggestrige.
Die Geschichte schreit nach Oper, sie schreit nach einer Komponistin wie Manuela Kerer, die im großen Spa Südtirol „unbequem“ sein will. Der Stoff sei die bislang größte Herausforderung für sie gewesen, sagt sie: „Es liegt mir fern, mit dem Finger auf die Frau zu zeigen, denn ich weiß ja nicht, was ich damals gemacht hätte.“
Zum Abschluss der Saison kommt die Oper „Powder Her Face“ des britischen Komponisten Thomas Adès in einem Gastspiel der Nouvelle Opéra de Fribourg auf die Bühne. Es geht um keine Geringer als die „Dirty Dutches“ Argyll Margaret Campell, die eine der schillerndsten Frauengestalten der englischen Society war und es mit einem Sexskandal zur Berühmtheit brachte. Nach einem Sturz in einen Aufzugsschacht war sie zur Nymphomanin geworden. Bei ihrem Scheidungsprozess wurden Fotos der perlentragenden Duchess gezeigt, die bei einem gesichtslosen, nackten Mann Fellatio praktizierte. Thomas Adès 1995 uraufgeführte Kammeroper handelt von den letzten Tagen im Leben der Duchess und es war das erste Mal, dass ein Blowjob auf einer Opernbühne zu sehen war.
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