Advent im dormizil
Vor einem Monat, am 10. November 2021 hat das Nachtquartier dormizil in Bozen zum ersten Mal seine Holztür für 25 obdachlose Menschen geöffnet.
Die Erfahrungen sind gut, Herausforderungen gibt es viele: Vor einem Monat, am 10. November 2021 hat das Nachtquartier dormizil in Bozen zum ersten Mal seine Holztür für 25 obdachlose Menschen geöffnet. Am vergangenen Wochenende haben sich 50 der mehr als 90 Freiwilligen zum Austausch getroffen. Sie sind beeindruckt von der Not der Menschen in der Landeshauptstadt und mit einer Realität in Kontakt gekommen, die sie bisher nicht kannten.
Alle haben ihre Mitarbeit weiterhin zugesagt und werden wie bisher Nacht- und Frühstücksdienste leisten. Dort, wo Politik und Verwaltung versagen, springt zum wiederholten Mal die Zivilgesellschaft ein. Die Haselsteiner Familien-Privatstiftung hat dem Verein housing first bozen EO das dreistöckige Gebäude in der Rittner Straße 25 für 30 Jahre kostenlos bereitgestellt. Betriebe, Genossenschaften, Familien und Einzelpersonen tragen mit Geld- und Sachspenden dazu bei, dass die Strukturkosten gedeckt werden und die benötigten Materialien zur Verfügung stehen. dormizil kommt ohne öffentliche Förderungen aus.
90 Freiwillige sind in den Listen des „dormizil“ eingetragen. Alle wollen mitarbeiten, Nachtdienste leisten, Frühstück vorbereiten und für die Menschen da sein, die momentan auf der Schattenseite des Lebens stehen. Im dormizil zu Gast sind Männer aus Südtirol, aus dem übrigen Italien, aus Polen, Rumänien, der Ukraine, aus Mazedonien, Afghanistan, Pakistan, aus Nigeria, Senegal, Algerien und Marokko im Alter zwischen 20 und 65 Jahren. Pro Stockwerk können sie ein Gemeinschaftsbad nutzen, in jedem Zimmer schlafen zwei oder drei Menschen. So bleibt ihnen Platz, um sich zurückzuziehen und geräuschlos zu schlafen. Aus dem großen Freiwilligenpool haben bisher 65 Personen Freiwilligendienst geleistet: Sie haben im ersten Monat mehr als 700 frische Semmeln, 40 Liter Milch, 400 Tassen Kaffee, 200 Liter Tee, dazu Marmelade, Butter, Honig, Streichschokolade, viele Kekse und Brioches ausgegeben. Letztere werden besonders nachgefragt.
Nachdem das Gebäude in der Rittner Straße 25 Ende September ausgeräumt war, haben sich die Vereinsmitglieder Magdalena Amonn, Paul Tschigg, Christian Anderlan, Sigrid Bracchetti, Norbert Pescosta, Wolfgang Aumer, Martina Schullian, Helmuth Niedermayr, Verena von Aufschnaiter, Birgit Bragagna Spornberger und viele Freunde und Bekannte im Oktober daran gemacht, die Räume zu reinigen und die Wände zu streichen. Die Heizung wurde funktionstüchtig gemacht, Betten, Kästen, Tische und Geschirr haben viele Privatpersonen und Betriebe zur Verfügung gestellt. Unter anderem Ethical Banking, Raiffeisenkasse Bozen und Raiffeisen Landesbank Südtirol unterstützen den Verein „housing first EO“ finanziell und ideell.
Das Treffen mit den Freiwilligen am Samstag, 11. Dezember war auch deshalb wichtig, weil sie das Rückgrat des dormizil sind, erklären die Mitglieder des Vereinsvorstandes Magdalena Amonn, Paul Tschigg und Christian Anderlan. Viele Freiwillige haben sich zum ersten Mal gesehen, haben sich über gemachte Erfahrungen ausgetauscht, sich gegenseitig bestärkt und ihre weitere Disponibilität zugesagt.
Es gab im vergangenen Monat auch herausfordernde Momente im dormizil, etwa als das Kernteam, das aus Paul Tschigg, Christian Anderlan, Sigrid Bracchetti und Verena von Aufschnaiter besteht, einen Gast des Hauses verweisen musste, weil er sich wiederholt nicht an die Regeln gehalten hatte. Als ein junger Gast aus Gambia erfuhr, dass seine Mutter plötzlich verstorben war, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, waren die Unterstützung der anderen Gäste und der Freiwilligen besonders gefragt. Aber schwierige Momente verbinden, haben die Freiwilligen des dormizil erfahren.
Rund 130 Menschen in Bozen sind obdachlos. Im dormizil erhalten 25 von ihnen seit 10. November und bis 31. März 2022 nächtliche Unterkunft. Die Gemeinde Bozen hat im Ex-Alimarket-Gebäude in Bozen-Süd zwar eine Halle als Notunterkunft für Menschen ohne Dach über dem Kopf bereitgestellt. Aber der Zugang ist schwierig, den untergebrachten Menschen fehlt es an Privatsphäre, ihr Schlaf wird durch Schnarchgeräusche und grelles Licht gstört. Wie jeder Mensch bevorzugen sie kleine, geschützte Räume zum Schlafen.
Die Führungskosten des dormizil werden ausschließlich durch Spenden finanziert.
Die Vereinsmitglieder haben Spendenpakete für jede Dicke von Brieftasche geschnürt: So kosten Strukturerhalt und Frühstück für eine Übernachtung im dormizil sieben Euro (Nachtpaket). Das Wochenpaket – sieben Nächte – ist um 49 Euro erhältlich. Ein Frühstückspaket – Frühstück für alle 25 Gäste – kostet 80 Euro. Wer die Strukturerhaltungskosten wie Heizung, Strom, Reinigung der Bettwäsche und Müll für einen Monat tragen möchte, ist eingeladen, das Wärmepaket um 460 Euro zu übernehmen. Aber auch jede andere Spende ist willkommen. Die Spendenpakete und Einzelspenden können über die Webseite www.dormizil.org abgewickelt werden. Einzahlungen sind per Banküberweisung, paypal oder Kreditkarte möglich.
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