„Situation nicht unterschätzen“
Aufgrund des Neuschnees ist die Lawinengefahr in Südtirol gestiegen. Lawinenexperte Lukas Rastner erklärt, warum es nicht reicht, nur die Gefahrenstufe vor einer Tour zu betrachten und wie er die Zunahme der Sportler im freien Gelände sieht.
Tageszeitung: Herr Rastner, in Südtirol ist die Lawinengefahr derzeit groß. Wegen der großen Neuschneemengen oder der Schneebeschaffenheit?
Lukas Rastner: Man kann momentan von einer Kombination gefährlicher Faktoren sprechen: Die Altschneedecke war schon vor diesem Schneefall oft ungünstig aufgebaut und eben auf diese ungünstige Oberfläche ist jetzt der Neuschnee gefallen. Durch den Wind bildet sich nun ein Schneebrett, welches auf dieser ungünstigen Oberfläche abgelagert ist und dieses System ist leicht zu stören.
Also ist auch am Wochenende nach wie vor Vorsicht geboten.
Absolut. Die kritischste Phase liegt dann zwar hinter uns, aber die Gefahrenstellen sind da und man muss sich dieser bewusst sein – auch neben den Pisten. Gleich neben den Pisten kann es nämlich auch schon kritischen Triebschnee geben. Die Situation ist und bleibt kritisch und man muss sich bewusst sein, dass die Situation nicht zu unterschätzen ist. Wer sich nicht gut auskennt, sollte sich auf die Pisten beschränken – und wer trotzdem im freien Gelände unterwegs ist, muss auf jeden Fall die Ausrüstung wie Schaufel, Sonde und LVS-Gerät dabei haben und diese auch benutzen können.
Bereits in den letzten Jahren haben sich Wintersportarten abseits der Skipisten immer größerer Beliebtheit erfreut. Der Lockdown und die geschlossenen Pisten haben noch mehr Skitourengeher und Schneeschuhwanderer ins freie Gelände gelockt. Sehen Sie das problematisch?
Jeder betreibt diese Sportarten, weil es einfach schön ist und deswegen sehe ich es eigentlich nicht problematisch. Aber natürlich braucht es vor allem für Neulinge und Anfänger Präventionsarbeit, weshalb auch von der Bergrettung, vom Alpenverein usw. Kurse und andere Möglichkeiten angeboten werden, damit man es schafft, wichtige Informationen leicht zugänglich zu machen. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man für sein Verhalten im freien Gelände selbst verantwortlich ist und man wissen muss, was man tut – und das gilt nicht nur für Skitourengeher sondern auch für Schneeschuhwanderer oder andere Sportler, die im winterlichen Gelände unterwegs sind. Man muss sich einfach gut informieren, ausbilden und vorbereiten und dafür reicht es nicht einen schnellen Blick auf die Gefahrenstufe des Lawinenberichts zu werfen – man muss auch wissen, was die verschiedenen Begriffe bedeuten und wie diese die Tourenplanung beeinflussen.
Ist der neue Lawinenwarnbericht ausführlicher als der alte?
Durch den neuen Warnbericht wurde sehr viel Wert auf Kommunikation gelegt, damit die Meldungen besser aufbereitet werden und bei den Leuten ankommen. Europaweit ist unsere neue Seite sicher eine der führenden nur für Lawinen. Zudem tauschen wir uns täglich mit den Warndiensten in Tirol und im Trentino aus, weil jeder auch andere Zusatzinfos hat und so konnten wir die Qualität noch einmal deutlich steigern.
Welche Fehler machen Anfänger gerne?
Es kommt zum Teil vor, dass die Leute zwar alles mit dabei haben – also Schaufel, Sonde und LVS-Geräte – diese Ausrüstung aber nicht zusammenbauen oder bedienen können. Sie fühlen aber nur weil sie ausgerüstet sind, dass sie richtig und korrekt unterwegs sind, wobei es aber am wichtigsten bleibt, diese Ausrüstung im Notfall auch einsetzen zu können. Im Notfall zählt jede Minute und Sekunde und man muss sich deswegen wirklich mit der Ausrüstung auseinandersetzen – bei einem Unfall ist nämlich die Kameradenrettung entscheidend.
Eine einhundertprozentige Sicherheit gibt es nie, aber es geht darum, das Risiko zu reduzieren.
Genau, man muss entscheiden, welches Risiko man eingeht. Ist man nur im Flachen unterwegs, hat man kein oder kaum ein Risiko, wagt man sich aber ins Steilgelände, muss man überlegen, welche Maßnahmen man setzt, um das Risiko zu minimieren.
Interview: Lisi Lang
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