„Schwer durchschaubar“
Team K, Grüne und die 5-Sterne-Bewegung haben Minderheitenberichte zum Haushaltsentwurf der Landesregierung vorgelegt.
Paul Köllensperger (Team K) fand den Haushaltsentwurf „immer noch schwer durchschaubar“, es fehlten Erklärungstexte, es fehle die Gebarung der Gesellschaften, an denen das Land beteiligt ist, die Landtagsabgeordneten würden nach den Lobbys als letzte eingebunden und hätten nicht Zeit, sich über den Inhalt zu informieren: „Es ist im Grunde eine Verhöhnung der Institution des Landtags.“
Der Anteil der laufenden Ausgaben sei seit 2010 von 62 auf 80 Prozent angestiegen, der Spielraum für Investitionen nicht. Es seien nicht die Personalkosten, die die laufenden Ausgaben steigen ließen, das sehe man beim Sanitätsbetrieb, der über die Jahre krankgespart worden sei. 20 Mio. Euro würden für externe Berater ausgegeben, genauso viel, wie mit dem Irpef-Zuschlag eingenommen werde.
Die Pandemie sei noch nicht vorüber, aber es würden im Haushalt keine Hilfen eingeplant.
Die Ära Kompatscher werde als Zeit der soliden Verwaltung in die Geschichte eingehen, aber auch als Zeit der verpassten Chancen – der Reformdruck habe sich aufgestaut. Das Land müsse sich der Herausforderung stellen, die der Umbau der Wirtschaftsstruktur durch die Krise bedeute.
Die Verwaltungsüberschüsse würden immer kleiner, ohne Reformen werde man Quantität und Qualität der erbrachten Leistungen nicht mehr garantieren können. Dazu müsse man alle Möglichkeiten zur Rationalisierung nutzen, angefangen bei der Digitalisierung der Verwaltung über die Kosten-Nutzen-Rechnung bei Transferzahlungen bis zur Umstrukturierung der ganzen Gruppe öffentliche Verwaltungen, einschließlich Landesgesellschaften und lokalen Körperschaften.
„Und dies endlich mit einer angemessenen Einbindung des Landtags, damit die Abgeordneten und mit ihnen Herr und Frau Südtiroler transparent und verständlich Aufschluss darüber erhalten, in wie vielen Kanälen die aus Steuergeldern erwirtschafteten öffentlichen Mittel für laufenden Ausgaben und Investitionen eingesetzt werden sollen, und mit welchen Resultaten.“
Mit vorliegendem Haushaltsentwurf schienen einige turbulente Jahre für Verwaltung und Bürger vorbei, meinte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) in seinem Minderheitenbericht.
Die Pandemie sei verheerend für die Wirtschaft gewesen, aber auch für die Psyche. Den Institutionen werde immer mehr misstraut. Die autonome Vorgangsweise des Landes am Anfang der Pandemie habe sich nicht als hilfreich erwiesen.
Schon beim Haushalt 2021 sei ein Schwerpunkt auf das Soziale gelegt worden, und das sei richtig. Diese kostenintensiven Dienste ließen sich aber schwer mit steigender Produktivität der Wirtschaft kompensieren. Manche Wirtschaftszweige, vor allem im Digitalbereich, hätten während der Krise zugelegt, würden aber nicht angemessen besteuert.
Dies sei der Zeitpunkt für einen angemessenen Ressourcentransfer, dazu könne man auch auf die Instrumente der Autonomie zurückgreifen.
Nicolini zeigte sich erfreut über die Finanzverhandlungen mit Rom; vor diesem Hintergrund sei die Irap-Erhöhung unverständlich. Die Wirtschaft habe auch mit steigenden Rohstoffpreisen zu kämpfen. Das Land hätte andere Einnahmequellen, etwa eine Erhöhung der italienweit niedrigsten KFZ-Steuer.
Nicolini vermisste im Haushalt einen Reformansatz, eine Rationalisierung der Ausgaben. Südtirol habe im Vergleich hohe Sanitätsausgaben, hier wäre der Verwaltungsapparat zu überdenken. Auch bei den Sozialausgaben, die an sich sinnvoll seien, könnte man eine Rationalisierung vornehmen.
Die Ausgaben für den Bildungsbereich seien angemessen, Einsparungen nicht sinnvoll, aber es wäre ein ethnischer Ausgleich bei den Budgets nötig. Beim nationalen Wiederaufbauplan werde Zentralismus beklagt, doch letztendlich sei das Land entscheidend, wenn es um die Umsetzung in Südtirol gehe. Zahlreiche Geldmittel seien bereits geflossen. Das Autonomiestatut komme allen zugute, aber vieles darin sei nicht mehr zeitgemäß, etwa die Ansässigkeitsklausel beim Wahlrecht.
„Die Zeit ist reif für Vertrauen und Mut: Im Sommer 2020 hat der von der italienischen Regierung eingeschlagene Kurs, in Europa eine Änderung der Spielregeln bewirkt. Nach der ersten Welle ist es dieser dank entschlossenem Handeln gelungen, jenen Stabilitätspakt abzuändern, der das Land zur Stagnation zu verdammen schien. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, weitere zukunftsweisende Reformen auch für unser Landesgebiet einzuleiten. Was Italien gelungen ist, kann auch Südtirol gelingen.“
Hanspeter Staffler (Grüne) sieht in seinem Minderheitenbericht zum Haushalt 2022 eine gewisse Rückkehr zur Normalität, denn die Haushaltsjahre 2020 und 2021 waren geprägt von hohen Nach- und Querfinanzierungen, die über den Reservefonds verwaltet und per Dekret verteilt wurden.
Die Normalität sieht er auch im Aufbegehren des Unternehmerverbandes gegen den hohen Anteil an laufenden Ausgaben im Haushalt, was dem neoliberalen Gedankengang entspreche. Die laufenden Ausgaben sorgten aber für eine funktionierende Verwaltung und für die Finanzierung von gemeinschaftlichen Ausgaben wie Bildung, Gesundheit, Mobilität und Pflege, während Südtirol mit seinem Investitionsanteil von 15-20 Prozent in den vergangenen Jahren weit über dem EU-Schnitt und deutlich vor r Belgien, Deutschland oder Österreich liege.
Die Unternehmen hätten seit 1985 von sinkenden Gewinnsteuern (von 51% auf unter 29 %) profitiert und seien nun durch Corona-Maßnahmen unterstützt worden, die hauptsächlich durch die Steuern von Lohnempfängern und Kleinunternehmen finanziert würden. Von daher sei auch der Protest gegen die nachvollziehbare Irap-Erhöhung nicht zu verstehen.
Staffler machte in seinem Bericht Gewinner und Verlierer des Haushaltsentwurfs 2022 aus. „Die Schwergewichte Gesundheit, Bildung, Soziales und Mobilität wurden auf den ersten Blick gut mit Finanzmitteln ausgestattet, obwohl die Landesregierung beim Sozialen zwischen 70 und 100 Millionen Euro nachbessern muss. Pflege und Gesundheit werden aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung zum Dauerbrenner, es stehen große Herausforderungen bevor.
Staffler weiter:
„Auch das Bildungswesen ist enorm gefordert, vor allem stehen Kindergärtner:innen und Lehrer:innen mittlerweile unter Dauerstress. Politische Leichtgewichte wie Jugend, Denkmalpflege und Naturschutz haben es ungleich schwerer. Den Kleinen wird auch noch das Wenige gekürzt. Dieses Mal scheint es auch den Bevölkerungsschutz hart zu treffen, die Unterfinanzierung ist beträchtlich. In einer misslichen Lage befinden sich auch die öffentlich Bediensteten: es werden weder die Inflationsrate noch die besonderen Leistungen über neue Kollektivverträge abgegolten. Die entsprechenden Kapitel sind entweder schwach oder gar nicht dotiert. Wenn die Landesregierung nicht bald ihre rigide Haltung den Bediensteten gegenüber ändert, steuert Südtirols öffentlich Verwaltung auf einen allgemeinen Personalnotsand zu, der vor allem die Bereiche Bildung, Pflege und Verwaltung hart treffen wird.“
Die Generaldebatte zum Haushalt beginnt am Mittwoch, 15. Dezember, um 10 Uhr.
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