Neapel und Hessen
Heute geht es um zwei Filme, die unbedingt anzuschauen sind (im Kino!). Der von Paolo Sorrentino spielt in Neapel, der von Maria Speth in Hessen.
von Renate Mumelter
„È stata la mano di Dio“
Es beginnt alles mit einem schwindelerregenden Flug über den Golf. Im Kinosessel bewege ich mich auf Neapel zu, um dort in eine vermeintliche Zeitverschiebung einzutauchen. Sie führt in jenes Neapel, das von San Gennaro lebt, das einen Monaciello mit Zauberkraft hat und einen Maradona, der Neapels eigentlicher Magier war.
Paolo Sorrentinos Hommage an seine Stadt ist Leinwandkino pur mit Bildern, die fesseln, Schauspielerînnen, die auch in Nahaufnahmen da sind, mit Menschen, die so vielfältig sind, dass es nie fad wird. Sorrentino ist Neapolitaner und es heißt, der Film sei autobiografisch. Ob Sorrentino sich mit dem jungen Fabietto selbst meint oder doch nicht, bleibt Nebensache.
Die Geschichte erzählt von einer Großfamilie, von einem Haus, in dem Nachbarschaft was gilt, vom Normalsein, vom Anderssein, von einer harmonischen Ehe, von traumatischen Ereignissen und vom Erwachsenwerden jenes Fabietto, der Filmregisseur werden will. Neapel ist nicht ärmlich sondern gutbürgerlich und gebildet, also nicht das Neapel, das in Filmen meistens zum Handkuss kommt. Dass zwischendurch stark Neapolitanisch gesprochen wird, stört nicht weiter. Es lässt sich alles erahnen.
Alle Schauplätze, alle Darstellerînnen sind klug ausgewählt und noch klüger ins Bild gesetzt von Kamerafrau Daria D’Antonio. Eine Hommage ans Kino. Wer Fellini kennt, kann nicht anders als an seine Filme zu denken. Er ist unsichtbar genauso präsent wie Sergio Leone, Franco Zeffirelli, Antonio Capuano und Maradona. „Il cinema non serve a niente ma ti distrae“, wird Fellini zitiert. „Il cinema ti distrae dalla realtá. La realtà è scadente.“
„Herr Bachmann und seine Klasse“
taucht direkt in die Realität ein. Monatelang begleitete Regisseurin Maria Speth Dieter Bachmanns Klasse an der Gesamtschule Stadtallendorf. Die 3:37 Stunden des Films lösten auch bei mir Befürchtungen aus. Aber nix davon trat ein. Maria Speth schafft es, das Publikum über diese lange Strecke mitzunehmen. Wie sie das genau macht, erzählt sie in einem Interview mit dem Wochenmagazin Die Zeit.
Im Kino wurde ich mit den Schülerînnen immer vertrauter. Wenn ich die Filmfotos heute anschaue, ist es, als ob ich alte Bekannte treffen würde: „Schau, die Steffi“ oder: „Wie Hassan da lacht.“ Es ist eigentlich genau der Prozess, der in der Klasse zwischen Lehrerînnen und Schülerînnen abläuft und und unter den Schülerînnen auch. Voraussetzung für das gute Verhältnis ist Zuwendung und Vertrauen. Herrn Bachmanns Klasse setzt sich aus 12 Nationalitäten zusammen, die Deutschkenntnisse sind unterschiedlich, die kulturellen Hintergründe auch. Dass sich damit erfolgreich arbeiten lässt, zeigen Dieter Bachmann und Maria Speth Film. Ein Film, der nicht nur für Schulleute interessant ist.
In diesen Dezembertagen ist es gar nicht schlecht, sich zwischendurch für ein paar Stunden aus dem Stadtrummel in die andere Welt von Stadtallendorf zurückzuziehen.
„Herr Bachmann und seine Klasse“ ist am Donnerstag, den 9. Dezember (20h) bei docu.emme in Meran zu sehen, am 10., 11. und 12. Dezember um 15.45 Uhr im Filmclub.
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