„Ein gefundenes Fressen“
Ganz Italien lacht über die No-Vax-Szene, die Corona-Partys und die Zeltschulen in Südtirol. Warum Tourismus-Landesrat Arnold Schuler dennoch davon ausgeht, dass die Wintersaison halbwegs normal verlaufen wird.
TAGESZEITUNG: Herr Landesrat, über Italien lacht die Sonne, über Südtirol die ganze Welt?
Arnold Schuler: So schlimm ist es nicht …
Tatsache aber ist, dass Südtirol in den nationalen Medien seit Wochen eine Lachnummer ist.
Leider ist es so, weil Themen wie die Corona-Partys, die öffentlich geworden sind, für manche lustig sind.
Hat es die Corona-Partys tatsächlich gegeben?
Das ist schwer zu beweisen, aber es gibt eine Reihe von Indizien, dass es diese Partys gegeben hat. Und es ist klar, dass solche Partys nicht nur Unverständnis auslösen, sondern dass man sich zum Gespött macht.
Aber hat es die Partys gegeben oder nicht?
Wir und auch die Carabinieri haben dauernd Hinweise bekommen, aber es ist ja nicht so, dass offizielle Einladungen zu diesen Partys verschickt werden. Das ist das Dilemma! Aber wenn man sieht, wie das Infektionsgeschehen in einigen Gemeinden explodiert ist, kann man annehmen, dass es diese Corona-Partys gegeben hat. Für die nationalen Medien ist das natürlich ein gefundenes Fressen, weil Italien zum Thema Corona einen anderen Zugang hat. In Italien ist die Impfrate höher als bei uns. Umso unverständlicher sind die Corona-Partys für die Italiener.
Südtirol wird nicht nur wegen der Corona-Partys belächelt, sondern auch wegen der vielen Kinder, die aus den Schulen abgezogen wurden und jetzt in Zelt-Schulen unterrichtet werden.
Es waren mehrere Aktionen, die dazu geführt haben, dass wir zum Gespött der nationalen Medien wurden. Wobei ich eines nicht verstehe …
Das wäre?
Warum ziehen über 600 Eltern ihre Kinder aus der Schule ab? Es gibt ja keine Impfpflicht, es gibt nicht einmal eine Testpflicht, sondern nur die Maskenpflicht. Wenn die Maskenpflicht schon ausreicht, um die Kinder aus der Schule abzuziehen und sie irgendwo legal oder illegal zu unterrichten, dann ist das traurig. Und ich kann auch verstehen, dass man im restlichen Italien nur Unverständnis erntet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass unter den über 600 von den Schulen abgezogenen Kindern nur sieben aus italienischsprachigen Familien kommen.
Wir haben es also mit einem (Süd-)Tiroler Phänomen zu tun?
Ja, offenbar ist es ein Kulturproblem. Man braucht sich nur in den deutschsprachigen Nachbarländern umzusehen: Auch dort haben sie Schwierigkeiten mit der Akzeptanz der Regeln.
Warum ist das so?
Diese Schwierigkeiten hat es schon zu Andreas Hofers Zeiten mit der Pocken-Impfung gegeben. Offenbar hat sich bei uns nichts verändert, obwohl wir heute einen ganz anderen Zugang zur Wissenschaft und viel die besseren Argumente wie zu Hofer-Zeiten haben. Wissen Sie, was ich nicht verstehe?
Sie sagen es uns?
Wenn eine Person im Krankenhaus liegt und der Primar sagt zu ihr: Wir müssen die Leber raustun, dann wird das akzeptiert, da vertrauen wir dem Arzt. Warum bei Corona nicht? Warum kommen Corona-Patienten, die nur ganz knapp dem Tod entronnen sind, aus dem Spital und sagen, eine Impfung kommt für sie nicht in Frage? Mit anderen Worten: Warum vertrauen wir einem Arzt bei einer gravierenden Diagnose und beim Impfen sagen die Leute: Da bin ich selbst der Fachmann.
Herr Landesrat, gibt es viele Stornierungen von Winter-Urlaubern?
Das mit den roten Gemeinden war eine fatale Botschaft, die hinausgegangen ist. Dabei war im Dekret nie die Rede von roten Gemeinden. Die Botschaft hätte sein sollen: In den 36 Gemeinden wurden bestimmte Werte überschritten, da braucht es zusätzlich Maßnahmen. Wenn dann aber Tourismusgemeinden als rote Gemeinden gebrandmarkt werden, dann ist das eher negativ. Ich habe das auch in meinem eigenen Betrieb gemerkt …
Sie vermieten Ferienwohnungen?
Ja, wir hatten über Weihnachten eine sehr gute Belegung, wir hatten voll. Jetzt gibt es Stornierungen im Ausmaß von 30 Prozent.
Gibt es bereits Daten zu den landesweiten Stornierungen?
Nein, da gibt es noch keine Daten, aber es herrscht sehr viel Unsicherheit. Im Zweifel wird storniert.
Wer hat die Sache mit den roten Gemeinden falsch kommuniziert?
Das mit den Sondermaßnahmen in den Gemeinden mit höheren Inzidenzen wurde vielleicht auch nur verkürzend oder vereinfachend mit „rote Gemeinden“ kommuniziert. Das Ganze hat dann eine fatale Eigendynamik entwickelt.
Welche Wintersaison erwarten Sie sich?
Ich bin zuversichtlich. Mit der Einführung von 2G, glaube ich, können wir uns halten. Ich glaube, dass ein guter Teil der Gäste, die kommen wollten, auch kommen werden. Das gilt insbesondere für die italienischen Gäste, die eine hohe Impfquote haben. Auch bei den deutschen und österreichischen Südtirol-Urlaubern sehe ich ein großes Potential. Wichtig ist, dass wir die Situation im Griff behalten und dass die Lifte auch offen bleiben können, wenn wir orange Zone sind. Wenn 2G, so wie es aussieht, kommen sollte, dann wäre dies alles andere als eine Katastrophe, denn die Leute, die dann zu uns kommen, fühlen sich sicher.
Sie klingen sehr optimistisch …
Ja, dass wir gelbe Zone werden, das ließ sich nicht mehr verhindern, auch orange können wir noch verkraften. Nur rot können wir uns nicht mehr leisten. Momentan sieht es bei uns günstiger aus im Vergleich zu Bayern oder Österreich. Das macht Hoffnung. Obwohl wir relativ viele Neuinfektionen haben, bleibt die Zahl der hospitalisierten Patienten, insbesondere jene der Intensivpatienten glücklicherweise stabil. Es ist natürlich ein Problem, wenn über 10.000 Personen in Quarantäne sind, weil diese Leute fehlen der Wirtschaft, dem Handwerk, auf den Baustellen und in den Gastbetrieben. Aber das Wichtigste ist die Situation in den Krankenhäusern. Das haben wir derzeit glücklicherweise im Griff.
Bereitet Ihnen die neue Omikron-Variante Sorgen?
Das müssen uns die Fachleute sagen. Ich mache mir derzeit nicht allzu große Sorgen, auch weil es scheint, als würde diese Variante milde Verläufe auslösen. Diese Frage muss, wie gesagt, die Wissenschaft beantworten. Wir müssen alles daran setzen, dass so viele Menschen als möglich geimpft werden.
Zurück zur Wintersaison. Sie glauben, dass es ohne Lockdown abgehen wird?
Ich bin zuversichtlich, und das ist, glauben Sie mir, nicht reiner Zweckoptimismus. Alles andere als eine halbwegs normale Saison wäre fatal. Noch eine Saison ausfallen lassen – das könnten wir uns nicht mehr leisten und das wird auch nicht der Fall sein. Ich denke, dass wir maximal mit 2G leben müssen, das schaffen wir. Wir müssen alles tun, um die rote Zone zu vermeiden, denn rote Zone würde bedeuten, dass es nicht nur für die Wirtschaft sehr schwer würde, bei rot geht es um unser aller Gesundheit.
Interview: Artur Oberhofer
Ähnliche Artikel
Kommentare (33)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
leser
Oberhofer
Ein sehr gutes und parteiloses interview, dass bei jedem satz den interviewten daraufhinweisst wie er zu antworten hat
Und noch dazu mit fast so vielen schreibfehlern, für die mich zeitungstreue maulwürfe immer anprangern
Viel satz mit leerem inhalt
rumer
@leser
Gut geschrieben.
Wenn das Land von Schettino, Berlusconi, Salvini und der Mafia nicht versteht, dann machen wir alles richtig.
besserwisser
fakt ist: wenn ich in meinem garten so ein zelt aufstellt dann bekomme ich eine abrissverfügung, wieso wird da nicht durchgegriffen?
criticus
Italien hat auch gestaunt als Südtiroler Politiker am Anfang der Pandemie 600 Euro monatlich abkassieren wollten.
Italien staunt auch, dass unsere Politiker 10.000 Euro Nachzahlung und eine Gehaltserhöhung von 600 Euro monatlich bekommen.
Herr Schuler, wir fragen uns auch wer bezahlt die Prozess- und Anwaltsspesen gegen die Umweltagentur in München?
Und wie kann man gegen etwas was schwer zu beweisen ist anklagen und es den Jugendlichen wochenlang vorhalten?
leser
Criticus
Italien stnd auch hinter bettino craxi aks er nach algerien flüchtete als man ihm nachwies, dass er dem bürger 7.000 milliarden unterschlagen hat
Man wollte ihm sogar noch ein denkmal setzen
2xnachgedacht
ja, das ganze hat eine fatale eigendynamik entwickelt-von anfang an.
leser
Für duese diese eigendynamik sollte man due presse verurteilen
olle3xgscheid
Italien täte gut vor deren Haustüre zu kehren.
Klar , ein 500.000 Seelendorf wie Südtirol kontrilliert sich leicht.
Wieviele Partys laufen vor de Toren Mailand‘ , Turin Florenz, Rom usw mit 1000enden Jugendlichen und Partys bis zu 3 Tage.
Hörts endlich auf!!!!
Schon vergessen wie schlau unsere südlichen Nachbarn??
andreas
Natürlich macht sich ganz Italien darüber lustig, das ist effektiv lustig.
Wer es nicht lustig findet, dass da einer in deutscher Militärkleidung im Wald ein Camp errichtet und dort Kinder mit Schultaschen daherkommen, welche da nur Essen drin haben, denn sie müssen ja essen, wie da ein ganz Kluger erklärt, hat keinen Humor.
Als nächstes wird er wohl einen Graben drumherum ausgraben, Stacheldraht anbringen, in jede Himmelsrichtung ein MG positionieren und bei der UNO anfragen, als Staat anerkannt zu werden.