VinziBus fährt nicht mehr
Warum die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft den VinziBus-Dienst nach über 18 Jahren einstellt.
Es war am Abend des 11. März 2003: Freiwillige des VinziBus boten im Bozner Bahnhofspark zum ersten Mal obdachlosen Menschen eine heiße Suppe, Brot und Getränke an. Gestern, am 15. November 2021 – mehr als achtzehneinhalb Jahre später – stellte der VinziBus der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft seinen Dienst vorläufig ein: nicht etwa, weil ihm die Freiwilligen ausgegangen wären, sondern weil die Stadtregierung von Bozen entschieden hat, die obdachlosen Menschen ab sofort im ehemaligen Alimarket-Gebäude in Bozen Süd unter anderem mit Essen zu versorgen.
Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft nimmt das zur Kenntnis, goutiert es aber keineswegs. Auch Obdachlose sind Teil der Gesellschaft und sollen nicht durch fehlende Versorgungs-Angebote im Stadtzentrum an den Stadtrand gewiesen werden. Die Hilfe soll vielmehr dort angeboten werden, wo sich die Menschen aufhalten und Hilfe brauchen. Das Angebot im Alimarket-Gebäude in Bozen Süd erfüllt diesen Anspruch wohl nicht.
2002 hat der damalige Präsident der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft Josef Plankensteiner das mobile Versorgungsangebot VinziBus in Graz gesehen, das Konzept für Bozen adaptiert und ab 2003 umgesetzt. Sechs Jahre lang, von 2003 bis 2009, kümmerte er sich um die Essensorganisation und die Einteilung der Freiwilligen. Rund 25 wohnungs- und obdachlose Menschen nahmen anfangs den abendlichen Dienst in Anspruch. Von 2009 bis 2012 war Brigitte Rauch Vigl die Verantwortliche des VinziBus, auf sie folgte bis 2018 Paul Tschigg. Seit drei Jahren koordiniert Franziska Fuchsberger den inzwischen etablierten Sozialdienst VinziBus im Zentrum von Bozen.
Von März 2003 bis April 2016 stand der VinziBus abends zwischen 19.15 und 20 Uhr täglich im Bahnhofspark. Drei bis vier Freiwillige verteilten Suppe, belegte Brote, Tee und Joghurt an die Hungrigen. Darauf folgte ein neunmonatiges Intermezzo im Garten des Kapuzinerklosters in Bozen. Die große Errungenschaft war danach die „Tankstelle der Wärme“ am Bozner Verdiplatz. Dort konnten die Betreuten von Dezember 2016 bis März 2019 endlich in einem warmen Raum sitzen und das Essen würdevoll zu sich nehmen. Die Freiwilligen, die jeweils zu viert Dienst taten, hatten mehr Möglichkeiten, sich ihre Anliegen anzuhören und ihnen Unterstützung anzubieten.
Im März 2019 musste die Tätigkeit im Innenraum am Verdiplatz wegen der Pandemie aufgegeben werden. Die Freiwilligen des VinziBus entschieden in Absprache mit den Verantwortlichen von Volontarius und der italienischen Vinzenzgemeinschaft, den Dienst nunmehr auf offener Straße anzubieten. Außerdem wurde in der Pandemiezeit aus dem Abendessen ein Mittagessen: Rund 130 Essen täglich wurden ab sofort mittags ausgegeben – unabhängig davon, ob es eisig kalt war, regnete oder die Sonne vom Himmel brannte. Die Freiwilligen von der Vinzenzgemeinschaft und Volontarius hielten mit dem VinziBus anfangs an fünf, später an drei Bozner Standorten. Vor vier Monaten wurde aus den drei Standorten einer: Ecke Trientstraße/Rondell Rombrücke.
Insgesamt haben in den vergangenen achtzehneinhalb Jahren mehr als 200 Freiwillige beim VinziBus mitgearbeitet. Zwei von ihnen waren vom ersten Tag an dabei. Eine Besonderheit des Hilfsangebotes des VinziBus war die organisations- und sprachgruppenübergreifende Zusammenarbeit in der Landeshauptstadt: Bis zum Beginn der Pandemie übernahmen die Freiwilligen des VinziBus der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft und der Verein Volontarius jeweils an drei Abenden pro Woche die Essensverteilung, einmal wöchentlich taten Freiwillige der San Vincenzo Dienst. Seit der Pandemie und der Ausgabe der Mittagessen übernahmen die Freiwilligen des VinziBus die Verteilung am Wochenende und an Feiertagen, weil ihre Freiwilligen unter der Woche mittags arbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen klappte in all den Jahren reibungslos.
18 Jahre lang wurde der Dienst des VinziBus ausschließlich mit Spenden finanziert. Bis zum heurigen Frühjahr übernahm die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft alle Kosten. In den vergangenen acht Monaten bezuschusste die Gemeinde Bozen die Tätigkeit dankenswerterweise.
Seit 2003 hat allein die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft im Bahnhofspark, im Garten des Kapuzinerklosters, bei der „Tankstelle der Wärme“ am Verdiplatz und auf offener Straße insgesamt 3.500 Mal den Dienst des VinziBus übernommen. Die Freiwilligen haben dabei geschätzte 250.000 Essen verteilt, 250.000 Joghurt und ebenso viele belegte Brote ausgegeben, 35.000 Liter Tee ausgeschenkt und unzählige Gespräche mit den Hilfesuchenden geführt.
Jetzt ist mit dem VinziBus vorläufig Schluss – leider. Die Verantwortlichen der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft sind überzeugt, dass das Angebot auch weiterhin im Stadtzentrum gebraucht wird. Dass die Pandemie und die Neustrukturierung des Bozner Bahnhofs den idealen Standort am Bozner Verdiplatz zunichte gemacht haben, ist schade und für die Verantwortlichen bis heute nicht recht nachvollziehbar. Sie hatten mit den Leuten, die das abendliche Essen in Anspruch nahmen, bis auf wenige Ausnahmen keine Probleme. Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft hat der Stadtgemeinde Bozen heuer eine alternative langfristige Lösung in der Marconistraße in Bozen angeboten, doch die Stadtgemeinde Bozen hat dem Vorhaben bisher noch nicht zugestimmt. Die rechtliche Position diesbezüglich ist noch nicht endgültig geklärt. Sollte indes eine Privatperson in Zentrumsnähe einen passenden Standort – idealerweise einen geschützten Raum – zur Verfügung stellen können, ist das Team des VinziBus in kürzester Zeit bereit, den Dienst wieder aufzunehmen.
Die Freiwilligen des VinziBus und die Verantwortlichen der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft meinen: Das Verlegen der obdachlosen Menschen in eine Halle in Bozen Süd ist für die Betroffenen gar nicht ideal. Schon klar: Alimarket soll nur vorübergehend als Tagesstätte und Notschlafstelle, als Ausbildungsort für die Hilfesuchenden und zur Essensverteilung dienen. Für die öffentliche Hand ist das eher kostenintensiv. Dauerhaft braucht es, wennschon, kleinere, überschaubare Strukturen in der Stadtmitte – dort, wo sich die Leute aufhalten. Die Vinzenzgemeinschaft sucht weiter nach Alternativen: nach kleineren und vor allem würdigen Lösungen für die Menschen, welche schon am Rand der Gesellschaft leben und jetzt noch auch am Rand der Landeshauptstadt landen sollen.
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Kommentare (2)
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exodus
Ich finde, ein Dach über dem Kopf und warmes Essen ist eine große Hilfe für Obdachlose und das ist das Wichtigste, nicht unmögliche Ansprüche stellen, die niemand erfüllen kann!!