Verhärtete Fronten
Die deutsche Opposition spricht sich entschieden gegen eine Verschärfung der Maßnahmen für Ungeimpfte aus: Die Schuld an der aktuellen Notlage trage die Landesregierung.
Von Matthias Kofler
Südtirol weist seit Wochenbeginn eine Sieben-Tage-Inzidenz über 150 auf. Auch die Zahl der hospitalisierten Covid-Patienten ist in den vergangenen Tagen rapide angestiegen und liegt mittlerweile bei 62. Landeshauptmann Arno Kompatscher will daher in Rom erwirken, dass Südtirol die Corona-Regeln eigenständig verschärfen kann, ohne dafür bis zur Einstufung als gelbe Zone warten zu müssen. Auch eine Differenzierung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften ist laut dem Regierungschef denkbar.
Was sagt die Opposition im Landtag zu diesem Vorhaben? Trägt sie einen neuen Sonderweg des Landes mit?
„Strengere Regeln wird es in jedem Fall brauchen“, ist Brigitte Foppa überzeugt. Eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften, wie sie in Deutschland und Österreich praktiziert wird, hält die Grünen-Fraktionschefin jedoch für „problematisch“. Sie plädiert stattdessen dafür, sich weiterhin strikt an die staatlichen Vorgaben zu halten. Das heißt: Falls Südtirol als gelbe Zone eingestuft würde, würde im Freien wieder die Maskenpflicht greifen. Zudem dürften in Bars und Restaurants maximal nur noch vier Personen an einem Tisch Platz nehmen. „Wichtig ist, dass die Regelung Sinn macht – denn nur dann können die Leute auch mitgehen“, unterstreicht Brigitte Foppa, die sich selbst als überzeugte Impfbefürworterin definiert. Sollte die Bevölkerung die Maßnahmen jedoch nicht nachvollziehen können, wachse eben indirekt der Widerstand, sagt die Grüne und kritisiert damit das bisherige Krisenmanagement der Landesregierung.
Auch Oppositionsführer Paul Köllensperger spricht sich entschieden gegen einen – wie er es nennt – „selektiven Lockdown für Ungeimpfte“ aus. „Wenn wir die Nicht-Geimpften einsperren, verschärfen wir damit das soziale Gefälle und spalten die Gesellschaft noch mehr, was uns über die Jahre mehr schaden würde als das Coronavirus“, warnt der Fraktionssprecher des Team K. Köllensperger ist der Meinung, dass die bisherige Strategie der Landesregierung „nicht so gut funktioniert“ habe.
Statt den Druck auf Ungeimpfte stetig zu erhöhen, sollte man die Impfquote anderweitig steigern, indem man die Hausärzte in die Impfkampagne miteinbinde und die über 50-Jährigen im direkten Gespräch für eine Impfung überzeuge. Der Großteil der derzeit noch nicht geimpften Personen sei mit guten Argumenten von einer Impfung zu überzeugen, nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung gehöre zu den Impfgegnern – das sei verkraftbar. „Der Kampf gegen das Coronavirus ist ein Marathon und kein Sprint“, betont Köllensperger. Ein Lockdown sei in einer Notfallsituation berechtigt. Es zeige sich aber, dass jene Länder auf dieses Instrument zurückgreifen würden, in denen der Sanitätsbetrieb weniger stark belastbar sei. „Die SVP hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Betten in den Spitälern kontinuierlich abgebaut. Sie muss sich fragen, was sie falsch gemacht hat, anstatt die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben“, kritisiert der Team-K-Leader.
In dieselbe Kerbe schlägt Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber: „Wir haben es in den vergangenen 20 Monaten nicht geschafft, die Betten in den Krankenhäusern wesentlich zu erhöhen und haben mit der Impfpflicht nun auch dringend benötigtes Personal verloren.“ Der Blaue fordert die Landesregierung auf, sich ein Beispiel an unseren Nachbarländern zu nehmen, wo ungeimpftes Sanitäts- und Pflegepersonal nicht suspendiert wird, sondern täglich einen negativen Test oder regelmäßig einen Antikörpernachweis erbringen muss und verpflichtet ist FFP2 und 3 -Masken zu tragen.
„Es ist traurig, dass der LH für schärfere Maßnahmen gegen Nicht-Geimpfte plötzlich von den staatlichen Regelungen abweichen und damit die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben will, während er überall dort, wo es medizinisch und organisatorisch Sinn machen würde, keinerlei Vorschläge akzeptiert“, so Leiter Reber. Der Freiheitliche plädiert zudem für eine „absolute Daten-Transparenz“. Denn: „Zahlen überzeugen viel mehr als ein Gratis-Würstl oder ein Saunabesuch.“ Die bislang nur spärlich veröffentlichten Südtiroler Zahlen zeigten auf, dass die Impfung das Risiko auf schwere Krankheitsverläufe minimiere. Die Impfung habe jedoch ihre Grenzen, weil der Impfschutz kein 100% sei und leider monatlich abnehme. Umso wichtiger sei es, den Risikogruppen rasch ein drittes Impfangebot zu machen. „Wenn wir bei den 30-Jährigen 20 Prozent an Ungeimpften haben, ist das nicht so schlimm, aber die große Anzahl von Senioren und Risikogruppen ohne wirksamen Impfschutz und fehlender oder unvorsichtiger Betreuung ist fatal“, ist der F-Obmann überzeugt.
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