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Ich hing in der Leinwand

Viel sagendes T-Shirt beim Kochen (Milena Smit und Penelope Cruz)

Endlich wieder richtig Kino bei „Madres Paralelas“ von Pedro Almodòvar.

von Renate Mumelter

Bevor der Film beginnt, ist Bewegung im Kinosaal, ganz so, wie es früher war. Während die Werbung läuft, reden die Menschen miteinander, bei den Trailern werden sie ruhiger, bei Filmbeginn wird’s ganz still. Dieses Lebendige im Kino ist ein besonderes Glück. Offensichtlich gibt es genug Menschen, die davon überzeugt sind, dass ein Almodòvar-Film unbedingt auf der Leinwand angeschaut werden muss. Es zahlt sich aus.

Die Story

Dass Frauen im Mittelpunkt der Geschichte stehen, verrät bereits der Titel „Madres Paralelas“. Was es aber mit dieser Parallelität auf sich hat, erschließt sich erst Stück für Stück und soll hier nicht weiter ausgebreitet werden. Es geht aber nicht nur um Frauen, es geht um Sexualität, und es geht um Familie und deren Bedeutung. Und gleichzeitig geht es um Tote, um politische Verbrechen und darum, dass „die Geschichte sich weigert zu schweigen“, wie Almodòvar am Ende des Films den uruguayischen Journalisten und Schriftsteller Eduardo Galeano zitiert.

Im Mittelpunkt stehen zunächst zwei hochschwangere Frauen, beide alleinstehend, die sich quasi im Kreissaal kennenlernen. Die eine, Ana, ist fast zu jung, um Mutter zu werden, die andere, Janis, ist für eine werdende Mutter schon eher auf der älteren Seite. Aus dem Zusammentreffen dieser zwei Frauen entwickelt sich der spannende und aufschlussreiche Rest.

Mütter, Frauen, Falangisten

Während Janis kocht und Ana mütterlich beibringt, wie Kartoffeln richtig zu schälen sind, trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „We should all be feminists“. Das ist natürlich kein Zufall. Genauso wenig ist es ein Zufall, dass in diesem Almodòvar-Film Frauen die Hauptrolle spielen. Sie treiben das facettenreiche Geschehen weiter, setzen sich über Konventionen hinweg, lassen Gefühle zu. 

Frauen sind es auch, die sich für die Menschenwürde jener einsetzen, die während des Spanischen Bürgerkriegs „flugs“ hingerichtet wurden. Ein Tipp: Vor dem Kinobesuch kurz googeln, was es mit den Falangisten und dem Bürgerkrieg so auf sich hatte, dann lässt sich die letzte Einstellung des Films besser einordnen. 

„Madres Paralelas“ ist also nicht nur ein Film über Mütter, es ist auch ein politischer Film und das gleich in mehrerer Hinsicht. Da geht es nämlich um Lebensmodelle, soziale Schichten, um Genetik und Gefühle, um Abneigung und vertrauensvolle Zuneigung. Die zieht erfreulicher Weise nicht den Kürzeren. Schmalzig wird der Film trotz Melodram nie.

Bilder mit Rot

Normalerweise passiert mir im Kino immer dasselbe, irgendwann bekomme ich den Impuls, auf die Uhr zu schauen, und dann ist erstaunlicher Weise fast immer genau eine Stunde vergangen. Diesmal war’s nicht so. Es kam kein Impuls, ich hing in der Leinwand. Da war einmal die Story, an der ich dranbleiben wollte, dann waren da die exzellenten Schauspielerinnen Penelope Cruz und Milena Smit, die keinen Zweifel daran ließen, dass das, was sie spielten, in dem Moment real war. Und dann waren da die Bilder, diese gestochen scharfen Bilder, die übergroß keinen Zweifel daran ließen, dass sie sehr präzise ausgeleuchtet und sehr klar komponiert sind. Jede Einstellung könnte für sich alleine stehen. Der Weg durch den Film ist wie ein Gang durch eine Kunstgalerie, begleitet von jener Musik, die da ist, ohne aufdringlich zu werden. Über die Farben muss ich mich da wohl nicht noch extra auslassen. Sie sind – wie immer bei Almodòvar – bunt, und nie fehlt das Rot, die Farbe der Frauen. 

„Madres Paralelas“ zählt zu den wenigen Filmen, bei denen es sich lohnt, öfters hinzugehen, denn die Ebenen, auf denen er erzählt, sind vielfältig.

 

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