Umverteilte EU-Gelder
Südtirols Landwirtschaft profitiert besonders von der neuen Förderpolitik, sagt der Vorsitzende des EU-Agrarausschusses, Norbert Lins.
Tageszeitung: Herr Lins, Sie waren mit einer Delegation des EU-Parlamentes in Südtirol und besichtigten mehrere landwirtschaftliche Betriebe. Was war der Hintergrund der Reise?
Norbert Lins: Wir wollten uns vor Ort über die Lage der Landwirtschaft und der verschiedenen Sektoren in der Landwirtschaft informieren. Und wir wollten uns anschauen, wie die Gemeinsame Agrarpolitik vor Ort funktioniert und was die zukünftigen Erwartungen sind.
Die Südtiroler Landwirtschaft mit ihren kleinstrukturierten Betrieben inmitten von Bergen ist von Fördergeldern aus Brüssel abhängig. Können die lokalen Bauern auch in Zukunft auf ausreichend finanzielle Unterstützung zählen?
Zum einen ist es uns gelungen, bei den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik das Budget zu halten. Zum anderen war es wichtig, dass wir eine Umverteilung in der ersten Säule der Landwirtschaftspolitik erreicht haben: Jeder Mitgliedsstaat – und somit auch Italien – muss mindestens zehn Prozent seiner Gelder in der ersten Säule von Groß nach Klein umverteilen. Das kleinstrukturierte Südtirol ist somit sicherlich einer der größten Profiteure dieser Veränderung.
Gegen diese Umverteilung hat es immer Widerstand von den größeren Betrieben gegeben. Wie spürbar wird diese Umverteilung für die kleinen Betriebe wirklich sein?
Das kann ich in Euro und Cent noch nicht sagen, denn die Mitgliedsstaaten haben zwar die Vorgabe der 10-prozentigen Umverteilung bekommen, können die Instrumente hierfür aber selbst wählen. Wir in Deutschland haben es uns relativ einfach gemacht. Das würde ich auch Italien empfehlen, liegt aber nicht in meiner Hand. Wir haben ein System der stärkeren Förderung der sogenannten ersten Hektare. Das heißt: Künftig bekommt jeder Landwirt 150 Euro pro Hektar und obendrauf 70 Euro pro Hektar für die ersten 40 Hektar. Für die Hektare 41 bis 60 gibt es 40 Euro pro Hektar obendrauf. Mir ist bewusst, dass wir in Deutschland eine andere Struktur haben und 40 Hektar weit über dem Südtiroler Schnitt sind. Italien kann das auch so ähnlich machen, muss es aber nicht.
Ein weiteres strittiges Thema ist in dieser Hinsicht die Angleichung der Zahlungsansprüche pro Hektar. So erhalten etwa landwirtschaftliche Betriebe in der Poebene viel mehr Fördergeld als Bauern in Südtirol. Wird es zu einer Angleichung kommen?
Es kommt zu einer Angleichung, wobei wir im Parlament mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden sind. Wir hätten gerne eine 100-prozentige Angleichung gehabt, also die Abschaffung der sogenannten internen Konvergenz. Uns ist immerhin gelungen, diese auf 85 Prozent anzunähern. Italien ist das Land, das bei der internen Konvergenz noch am weitesten zurückliegt. Bis 2027 muss Italien auf 85 Prozent herankommen. Das ist eine deutliche Veränderung. Die vom Parlament geforderte komplette Abschaffung ist am Widerstand von mindestens zehn Mitgliedsstaaten gescheitert.
Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen das große Motto. Was bedeutet mehr Umwelt- und Klimaschutz für die Zukunft der Landwirtschaft? Worauf muss man sich einstellen?
Die künftige Hauptänderung sind die sogenannten Öko-Regelungen. Wir nehmen 25 Prozent des Budgets in der ersten Säule heraus, mit denen freiwillige Umweltmaßnahmen von Landwirten gefördert werden. Diese Maßnahmen sind nicht notwendig, um die Basisprämie zu erhalten, sondern sind für Landwirte die Möglichkeit, zusätzliche Förderungen zu bekommen. In Deutschland ist die letzte Entscheidung noch nicht gefallen, aber auf dem Tisch liegt etwa der Vorschlag einer Stilllegung. Das heißt, der Landwirt bekommt Geld dafür, wenn er einen bestimmten Anteil seiner Fläche stilllegt. Ein weiterer Vorschlag ist zusätzliches Geld bei einem geringeren Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Meines Wissens gibt es auch in Italien noch keine Entscheidungen. Jedenfalls wird aus dem Budget der Direktzahlungen ein Viertel herausgenommen, das die Landwirte erst einmal als Minus sehen. Sie bekommen dann ein Angebot an Umweltmaßnahmen, mit denen sie die Verluste wieder teilweise oder ganz ausgleichen können. Natürlich müssen die Maßnahmen für einen Landwirt betriebswirtschaftlich Sinn machen.
Könnte diese Regelung vor allem für Biobetriebe vorteilhaft sein?
Sowohl für Bio- als auch für konventionelle Betriebe. Gerade in Südtirol ist die Tierhaltung im Vergleich zu Teilen meines Landes nicht so intensiv. Insofern gehe ich schon davon aus, dass es attraktive Angebote für konventionelle und für Biobetriebe geben wird. Ich weiß nicht, was in Italien gerade diskutiert wird, aber in Deutschland verteilen wir auch einen durchaus hohen Betrag von der ersten zur zweiten Säule um. Wir haben die Bioflächenförderung in der zweiten Säule angelegt, weil wir erheblich umschichten. Das heißt, dass für Biobetriebe mehr herausspringt. Wir wollen den Biolandbau ausbauen. Das ist ja durchaus auch in Südtirol das Ziel.
In Südtirol ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Obstwirtschaft ein heiß diskutiertes Thema, das auch von deutschen Medien immer wieder aufgegriffen wird. Wie stehen Sie dazu? Sind Pflanzenschutzmittel nun einmal notwendig oder gibt es durchaus die Möglichkeit, vermehrt darauf zu verzichten?
Zum einen ist es – auch für die Zukunft – notwendig, einen angemessenen Pflanzenschutz zu betreiben. Gleichzeitig müssen wir aber alles tun, damit wir auf Pflanzenschutzmittel zumindest teilweise verzichten bzw. sie deutlich reduzieren können. Das kann durch technische und mechanische Entwicklungen gelingen. Maschinen kosten natürlich Geld – das will ich gar nicht wegdiskutieren –, aber es gibt zunehmend technische Mittel, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zumindest zu reduzieren.
Interview: Heinrich Schwarz
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Kommentare (31)
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andreas
Die Fördergelder der EU für die Landwirtschaft waren eigentlich ursprünglich dafür gedacht, die europäische Landwirtschaft zu erhalten um nicht durch Billigimporte aus den USA oder Südamerika unter die Räder zu kommen, was durchaus sinnvoll war.
Nun kommt aber ein Großteil der Gelder der Agrarindustrie zugute, welche durch hochsubventionierte Produkte z.B. die afrikanischen Landwirtschaft zugrunde richtet.
Deutsche und französische Großkonzerne bieten ihre Milch- oder Fleischprodukte zu einem Bruchteil des Preises von heimischen Herstellern in Afrika an.
Gleichzeitig fördert die EU mit der Entwicklungshilfe z.B. Geflügelbetriebe in Afrika, wo dann teilwesie das Gebäude erstellt wird, es aber nie in Betrieb genommen wird, da sich die Produktion durch die ausländische Konkurrenz nicht rechnet.
Afrikanische Länder hatten bis vor ein paar Jahren hohe Einfuhrzölle für Lebensmittel, mussten diese aber auf Druck der EU, und da vor allem Merkel, senken, um nicht die Entwicklingshilfe zu verlieren.
Dadurch verarmten diese Länder und die Migration verstärkte sich.
Die afrikanischen Länder, welche momentan wirtschaftlich nicht schlecht da stehen, haben auch höhere Einfuhrzölle.
Und nun kommt so ein deutscher CDUler daher und will die Welt erklären……
Die EU Förderungen gehören grundsätzlich überdacht, denn wenn eine reiche VOG 2018 ca. 17 Millionen oder die VI.P 8,5 Millionen erhalten haben, stimmt etwas nicht.
bettina75
Wo kann man spenden ?
franz19
Wo sind denn jetzt unsere SVP Politiker die jetzt am jammern waren…Haben Sie jetzt auch was dagegen???