Stimmen des Widerstands
Am 30. Oktober feiert die performative Lesung „Tsinstiya – Voci della resistenza / Stimmen des Widerstands“ der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt und des Rotierenden Theaters im Kulturzentrum Astra in Brixen Premiere.
Im Mittelpunkt desAbends stehen Stimmen des afrikanischen Widerstands, die sich über Jahrzehnte gegen den europäischen Kolonialismus wandten. In aktuellen Debatten rund um koloniale Kontinuitäten und Rassismus erlangen sie erstmals auch in Europa an Bedeutung. Am 2. November macht das Ensemble in der Carambolage in Bozen, am 13. November in Sterzing Halt. Regie führen Regisseur und Filmemacher Ide Maman und Theaterautorin und Regisseurin Emma Mulser.
„Alle Menschen sind, einfach weil sie Menschen sind, solidarisch miteinander verbunden.So tragen alle Verantwortung für jedes in der Welt begangene Unrecht. Dies gilt umso mehr, wenn ein Verbrechen in meiner Gegenwart begangen wird oder ich hiervon einfach weiß.“
Diese im Stück offen zitierte Aussage des südafrikanischen Freiheitskämpfers Steve Biko spiegelt die Kernaussage des Theaterstücks, das morgen im Astra Premiere feiert, wider. Das Ensemble Südtiroler Laienschauspieler*innen hat sich dafür mit vier Biografien afrikanischer Widerstandskämpfer*innen auseinandergesetzt, die jahrzehntelang gegen den europäischen Kolonialismus und die systematische Unterdrückung Schwarzer Menschen und PoC kämpften. Vor allem das Thema der kollektiven Verantwortung stellen sie in den Mittelpunkt und den Begriff „Tsinstiya“, der auf Hausa, der meistgesprochenen Handelssprache in West-Zentral-Afrika, so viel bedeutet wie „gemeinsam sind wir stark“.
Emma Mulser erklärt: „Wenn ich mich frage, was ich als junge weiße Südtirolerin mitKolonialismus in Afrika, mit Unterdrückung und Demütigung, mit Rassismus und Identitätsverlust zu tun habe, dann ist meine erste Reaktion darauf: Keine Ahnung.“ Genau diese Reaktion habe sie dazu angeregt, sich zu fragen: Wie sieht es derzeit mit den globalen Machtverhältnissen aus? Wer bestimmt wer bevorteilt wird und wer rassistisch diskriminiert – und wie lebt der historische Kolonialismus in unseren Köpfen bis heute weiter?
Zwar werden Widerstandskämpfer*innen heute immer öfters für ihren Mut und Einsatz für Gleichheit und Menschenrechte gefeiert, Gedenkstätten eingerichtet, Biografienverfilmt. Meist handelt es sich dabei aber immer noch um europäische Heldengeschichten. Adrian Luncke, der das Theaterstück für die OEW produziert, betont:„Mit Tsinstiya möchten wir das öffentliche Bewusstsein um einige Stimmen des afrikanischen Widerstands bereichern, die in der aktuellen Emanzipationsbewegung und im Kampf gegen Rassismus wieder an Kraft gewinnen.“
Auch der in Bozen lebende Filmemacher und Regisseur Ide Maman sieht dies als persönliche Herausforderung. Er betont: „Das Stück soll den Zuschauer*innen einenpostkolonialen Blick auf die Geschichte des afrikanischen Widerstands ermöglichen und dabei Raum für Reflexionen schaffen.“ Besonders interessant seien dabei die Aussagen der im Stück vertretenen Widerstandskämpferinnen Lalla Fadhma N’soumer aus Algerien und Mangou Sarraounia aus Niger, die gegen die europäischen Unterdrückungsregime aktiv waren. Dafür griffen sie zum politischen Diskurs, zu Waffen und auch zu kulturellen Ausdrucksformen. Ihre „Stimmen des Widerstands“ bringt das Theaterensemble, das aus Südtiroler Laienschauspieler*innen mit und ohne Migrationserfahrung besteht (Vera Munter, Jasmin Gfader, Aaron Kerschbaumer, Sabrine Lardjane, Buba Sowe und Balde Mamudu Karimatu), auf die Bühne.
OEW-Geschäftsführer Matthäus Kircher schließt: „Es ist unglaublich wichtig, dass wir als weiße Menschen unseren Blick auf koloniale Kontinuitäten richten und uns unbequemen Fragen stellen. Nur so können wir der ungleichen Verteilung von Möglichkeiten, auch in Südtirol, konstruktiv begegnen und an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten.“
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