Du befindest dich hier: Home » News » Der Warnruf

Der Warnruf

In dieser Woche gab  einen starken Anstieg an Corona-Patienten in den Krankenhäusern. Covid-Einsatzleiter Marc Kaufmann warnt vor einer erneuten Überlastung.

Tageszeitung: Herr Kaufmann, die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern ist in den letzten Tagen stark gestiegen. Ist die Lage nun wieder kritisch?

Marc Kaufmann: Die Entwicklung entspricht den Erwartungen. Mit Beginn der kalten Jahreszeit haben respiratorische Infekte und damit auch die Viren, die diese Infekte auslösen, Hauptsaison. Mit Blick auf die umliegenden Länder, denen momentan ein ähnliches Schicksal widerfährt, war es zu erwarten, dass die Anzahl der Erkrankten auch bei uns wieder zunimmt. Es hat uns also nicht überrascht, die Hoffnung war aber da, dass das Infektionsgeschehen möglichst  lange kontrolliert abläuft.

Derzeit ist die Lage aber nicht kritisch?

Jeder Coronapatient hat aus Sicht des Krankenhausbetriebes einen gewissen Preis, weil er mit erheblichem ärztlichen und pflegerischen Aufwand versorgt werden muss. Diese Ressource fehlt dann klarerweise im Bereich der Covid-freien Medizin. Das Ganze wird in dieser Herbst- und Wintersaison durch die Personalfehlstände, die aufgrund der Suspendierungen erfolgt sind, zusätzlich aggraviert. Das heißt, auch schon eine geringe Anzahl an Kranken und schwerkranken Covidpatienten stellen die Krankenhäuser vor eine enorme Belastung, weil man Ressourcen aus dem Covid-freien Bereich abziehen muss.

Bisher konnte Südtirol rund 100 Intensivpatienten versorgen, für mehr fehlte das Personal. Wie viele Patienten kann man nun nach den Suspendierungen versorgen?

Eigentlich hat sich das nicht wirklich verändert, aber der Preis dafür ist noch viel höher geworden. Sollten wir wieder in eine solche Extremsituation kommen, wird die Covid-freie-Medizin noch stärker beschnitten. Wir müssten uns dann wohl nur mehr auf eine reine Notfallversorgung beschränken, d.h. viele gewohnten, medizinischen Leistungen, die zum Standard eines mitteleuropäischen Landes gehören, können nicht mehr ausreichend angeboten werden. Die Pandemie geht leider schon sehr lange. Einiges kann man natürlich, ohne langfristige Schäden zu verursachen, verschieben, irgendwann muss die medizinische Versorgung aber erbracht werden. Wir haben in allen 7 Krankenhäusern in diesem Sommer versucht, verschobene und verlorene medizinische Leistungen wie Operationen und Fachvisiten aufzuholen. Wenn die Belastung durch Covid aber wieder zum Hauptproblen wird, dann sind wir gezwungen erneut einen großen Schritt zurückzumachen.

Glauben Sie, dass es zu einem weiteren Anstieg der Krankenhauspatienten kommen wird?

Mit einer gewissen Unregelmäßigkeit erwarte ich mir, dass die Zahlen Richtung Winter weiter zunehmen werden. Eine definitive Stabilisierung wird es wohl erst in der warmen Jahreszeit geben. Die Zahlen sind jetzt in einem kurzen Zeitraum stark angestiegen. Diesen Trend gilt es zu stoppen und das Infektionsgeschehen in eine Plateau-Phase zu bringen. Aktuell ist trotz der Covid-Belastung noch ein grenzwertiger medizinischer Normalbetrieb möglich. Wenn die Zahlen aber exponentiell steigen, wird es sehr schnell kritisch werden.

Wird es einen exponentiellen Anstieg geben?

Das kann niemand sagen, dazu sind zu viele Variablen im Spiel. Auf der einen Seite gibt es leider eine sehr „gute“ Virus-Performance was die Infektiosität, d.h. die Ansteckungsfähigkeit betrifft, unterstützt durch eine gewisse Lockerheit oder Müdigkeit der Bevölkerung bezogen auf die physikalischen Schutzmaßnahmen, wie Maske und Abstand. Auf der anderen Seite, muss man aber auch sagen, dass wir mit der Impfung eine exzellente Chance haben, die Pandemie in eine kontrollierte Situation zu bringen. Die genannten Variablen werden letztlich den Pandemieverlauf im Winter bestimmen. Ein zusätzliches großes Fragezeichen bleiben die anderen respiratorischen Infekte wie Influenza, Parainfluenza, RSV usw. Wenn die AHA-Regeln nicht mehr so aktiv angewandt werden wie im letzten Jahr, könnte diese zusätzliche Belastung deutlich stärker ausfallen.

Zumindest die Zahl der Intensivpatienten bleibt stabil. Erwarten Sie sich auch dort einen Anstieg?

Dieser Indikator reagiert erfahrungsgemäß erst einige Wochen nachdem die Krankenhausaufenthalte steigen, bleibt dann aber lange ein Problem. Ich gehe davon aus, dass der ein oder andere der aktuell aufgenommenen Krankenhauspatienten noch intensivpflichtig wird. Intensivpatienten müssen in der Regel viele Wochen versorgt werden, die Belastung für das Gesundheitssystem bleibt also lange hoch.

Wie ist der Zustand der Patienten auf den Normalstationen?

Das ist interessant. Vereinfacht dargestellt gibt es zwei große Gruppen von Patienten. Die eine Gruppe ist jene der, zum Teil überzeugten, Ungeimpften. Diese Patienten sind jünger, meist zwischen 30 und 60 Jahren, und haben Covid-typische Lungensymptome. Sie werden fallweise schwer krank, mitunter sogar intensivpflichtig. Die zweite Gruppe besteht aus geimpften, hochaltrigen Patienten (80+) und Patienten mit schweren Vorerkrankungen oder einer Beeinträchtigung ihres Immunsystems. Diese werden teilweise trotz Impfung positiv getestet, sind meist aber nicht lungenkrank. Aufgrund der schweren Grunderkrankungen benötigen sie dennoch oft vorübergehend eine Versorgung im Krankenhaus.

Wie viele Patienten sind geimpft?

Ganz genau kann ich es nicht sagen, da ich natürlich nicht alle Patienten im Detail kenne, aber grob geschätzt sind mehr als zwei Drittel der Covidpatienten im Krankenhaus ungeimpft. Bei der letzten Experten-Kommission hat der Kollege aus Österreich berichtet, dass 85 Prozent der Covid-Intensivpatienten ungeimpft und nur 15 Prozent geimpft sind. Die Impfung ist kein hundertprozentiger, aber doch ein extrem hoher Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Intensivaufenthalt. Das entspricht auch unserer Erfahrung. Einer unsere Intensivpatienten aktuell z.B. ist zwar geimpft, aufgrund seiner Grunderkrankung muss er aber immunsupprimierende Medikamente einnehmen und konnte daher keine ausreichende Impf-Antwort aufbauen.

Das ist sehr bezeichnend…

Ja, es ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen, wie trotzdem hartnäckig ein gewisses Unverständnis und Misstrauen bezüglich der Wirksamkeit der Impfung kursiert.

Doppelt geimpfte Patienten ohne relevante Vorerkrankungen befinden sich nicht im Krankenhaus, bzw. auf der Intensivstation?

Wie gesagt, ich kenne nicht die Krankengeschichten aller 50 Patienten, aber  grundsätzlich kann man das momentan klar verneinen.

70 Prozent der Gesamt- und rund 80 Prozent der impfbaren Bevölkerung haben mindestens eine Dosis. Reicht diese Impfquote aus, um sicher durch den Winter zu kommen?

Ich denke, dass das Land Südtirol eine sehr effektive und aufwendige Impfkampagne gefahren hat. Man hat, wenn wir uns mit dem deutschen Sprachraum vergleichen, Werte erreicht, die deutlich höher sind,, als wir je vermutet haben. Trotzdem ist jeder Ungeimpfte und vorallem jeder Covid-Erkrankte einer zu viel. Der Aufruf, die niederschwelligen Impfangebote in dieser Zeit doch noch in Anspruch zu nehmen, bleibt also aufrecht. Das gilt übrigens auch für die Influenza-Impfung. Eine Impfbeteiligung von knapp 80 Prozent zu erreichen, ist eine extreme Leistung. Es ist aber leider trotzdem nicht ausreichend, um mit Sicherheit sagen zu können, dass das Spiel gewonnen ist.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (75)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • andreas

    Ein Lockdown für Ungeimpfte würde das Risiko senken.
    Wer es bis jetzt nicht verstanden hat, versteht es auch in Zukunft nicht.

    Das Beste wäre denen auch den Zugang zum Internet zu sperren, denn mit Telegram, You Tube oder Facebook werden die immer wirrer.
    Die Argumente mancher werden so langsam abstrus und anscheinend leiden auch einige unter Verfolgungswahn und steigern sich immer mehr in ihre Wahnvorstellungen.

    batman ist ein Paradebeispiel dafür, wie verwirrt digitale Medien jemanden machen können.
    Er postet kontinuierlich Videos von irgenwelchen Verschwörungstheoretikern oder anderen Unsinn und prophezeit den sofortigen Untergang des Abendlandes und das täglich mehrmals.

  • alfons61

    @andreas: es scheint dass Du hier der einzige ist der etwas versteht. Lass dich noch 10 mal impfen wenn Du möchtest aber lass es sein hier immer und immer alle von Deiner IMPFPHOBIE zu überzeugen.

  • luis2

    Dank an die TZ.
    Besondern Dank dem Herrn Primar für die detaillierte Auskunft
    .
    Je mehr man schon weiß, desto mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.

    Friedrich Schlegel

  • luis2

    Anscheinend soll das Wetter sich in den kommenden Tage verändern, heute schein noch die Sonne, allen gute Feiertage.

  • fliege

    Auf ntv gesehen/gehört: in einem Krankenhaus in DE 8 intensiv, davon 5 nicht geimpft und 3 geimpft…. Wenn schon muss auch die ganze Wahrheit gesagt werden.

  • andreas

    @fliege
    Was würde es bringen, Leuten wir dir mit Zahlen zu kommen, wenn du sie gar nicht interpretieren kannst?

    Auch Geimpfte können schwer erkranken, das hat eigentlich nie jemand bestritten.

    Da über 75% geimpft sind ist es logisch, dass die Zahl derer auf der Intensivstation hoch sein kann, da es immerhin 3x so viele wie nicht geimpfte gibt.

    Dass die Impfung das Risiko einer schwereren Erkrankung vermindert, sollte nach fast einem Jahr auch dem weltfremdesten Impfgegner langsam klar sein bzw. solltet ihr es wenigstens akzeptieren.

    Eure Meisterleistung besteht anscheinend darin, irgend einen zusammenhangslosen Unsinn zu posten und anzunehmen, dass sinnlose Fragen eure Meinung bestätigt.

    Natürlich kann man alles hinterfragen und meinen zu den „Wissenden“ zu gehören, bis jetzt habe ich aber noch von so gut wie keinem Impfgegner plausible Argumente oder einen gangbaren Weg gelesen.
    Dagegensein ist eigentlich keine substanzielle Meinung, eher eine infantile Trotzreaktion.

    • fliege

      @andreas
      Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich deine Kommentare grundsätzlich gut und objektiv finde. Woher willst du aber wissen, dass ich ein Impfgegner bin, nur weil ich sage, dass man Aussagen mit Zahlen belegen soll? Weißt du ob ich geimpft bin oder nicht? Deswegen bitte keine voreiligen Schlüsse. Zudem die Aussage, ich könnte nicht mit Zahlen umgehen. Keine Angst, ich kann besser mit Zahlen umgehen als du denkst…..

      • andreas

        Dann verstehe ich aber noch weniger, wozu du eine nichtssagende Aussage unkommentiert in den Raum stellst.
        Und wenn 10 von 10 auf der Intensiv geimpft sind, bietet die Impfung trotzdem vielen einen Schutz.

        Jeder schwerkranke oder tote Geimpfte ist doch ein Glücksmoment für manche Impfgegner, welche Bestätigung ihre Ideologie suchen.

  • nochasupergscheiter

    Wir hatten jetzt täglich Unfälle mit verletzten…
    War weiss ich nicht aber es werden wohl erste winter Anzeichen und tiefstehende Sonne Mitschuld sein…
    Jedenfalls auffallend viele…
    Diese Leute wandern meiner Ansicht nach alle in covid Stationen bis Zeit ist sie zu testen…
    Vorher weiss man ja nicht warm die auf der strasse liegen, könnte ja corona sein…
    Daher auch die hohen Zahlen..
    Auf intensiv sind ja nur mehr 4 und trotzdem höre ich statt Freude dauernd das Gejammere der Überbezahlten nichtstuer.. Auf eine corona Station und dort helfen Herr Kaufmann, aber nein besser nicht sie als coronabeauftragter kennen die 40 Patienten ja nicht… Wäre so als ob die Verkäuferin in der Bäckerei ihre Brötchen nicht kennen würde und die verdient im Monat ein Zehntel

  • olle3xgscheid

    Wirkilch ein Schmarrn der Artikel..
    Wenn 40.000 NICHT- GEIMPFTE min 3X in der Woche getestet werden, müsten rein rechnerisch mehr infizierte sein!!
    Und da sich die 40.000 aufs ganze Land verteilen ist schon eigenartig wie die sich zum infizieren treffen??
    Unter anderem wie schaffen das Insassen von Altersheimen, ?? Wie kommt der ( Virus) rein ? 😉

  • netzexperte

    Positiv oder nicht ist doch total wurscht (unerheblich, egal, interessiert niemanden). Es geht letztendlich AUSSCHLIESSLICH um jene, die die Krankenhäuser blockieren, indem sie so symptomatisch sind, dass sie Hilfe brauchen – im worst case auf der Intensivstation. Im Gegenzug ist mittlerweile wissenschaftlich bewiesen, dass die Impfung deutlich mehr Vorteile als Nachteile hat, das Risiko einer irreparablen Nebenwirkung ist so gut wie nicht vorhanden, da ist es schon wahrscheinlicher dass man vor der Haustür von einem Auto überfahren wird. Natürlich kann man trotz Impfung das Virus weitergeben, daran erkranken und vielleicht sogar daran sterben (wobei ohne entsprechene Vorerkrankungen sehr sehr unwahrscheinlich). Warum alle Impfverweigerer (die meisten gehören wohl eher nicht der Elite an) glauben, man hätte es mit der Impfung auf sie abgesehen und man wolle sie damit eliminieren, verstehe ich immer noch nicht.

  • olle3xgscheid

    Alle Hausarztpraxen waren jeden Winter von Patienten mit ganz harmlosen Erkältungen blockiert, hat jemand daran was geändert?? !!

  • olle3xgscheid

    @netzxperte
    Die Elite findet schon einen Platz im Krankenhaus, notfalls in der Schweiz 😉

  • luis2

    Die Medien schaffen es immer Feuer zu legen, wir Trottel helfen dabei.

  • luis2

    Vor einiger Zeit den Impfstoff über den Brenner nach Rom transportiert, (mit Begleitschtz) und jetzt werfen sie dir das Zeug mit Bratwurst nach.
    Und was noch? Klare Fakten auf den Tisch und das Volk beginnt zu glauben.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen