„Wir haben ein Frauenproblem“
Wie sich SVP-Senatorin Julia Unterberger das schlechte Ergebnis der Frauen bei den Gemeinderatswahlen erklärt. Und warum feministische Politik in Südtirol so verpönt ist.
Tageszeitung: Frau Unterberger, in der letzten Amtsperiode war die SVP im Meraner Gemeinderat ohne eine einzige Frau vertreten, was für großes Unverständnis sorgte. Bei dieser Wahl hat Ihre Tochter Katharina Zeller als SVP-Stadtobfrau die Liste verweiblicht und verjüngt. Trotzdem sind bei den Vorzugsstimmen drei Herrn Bauern und drei Herrn Arbeitnehmern, aber keine einzige Frau gewählt worden. Wie erklären Sie sich das wiederholte schlechte Abschneiden der Frauen auf der SVP-Liste?
Julia Unterberger: In Meran hat sich die Situation insofern verbessert, als ein ganzer Block kompetenter Frauen ins Mittelfeld vorgerückt ist und bei einer Kandidatinnen-Quote von 40 Prozent insgesamt ein Drittel der Vorzugstimmen erhalten hat. Leider haben sich die Vorzugsstimmen verzettelt. Es zeigt sich halt immer wieder, dass die Kandidaten die größten Chancen haben, die von einem Verband getragen werden. Bei diese Analyse darf man jedoch nicht vergessen, dass die SVP eine junge Frau als Spitzenkandidatin hatte, während bei den anderen großen Parteien und Wahlbündnissen die Frauen nur in der zweiten und dritten Reihe vertreten waren. Das wiegt einiges auf.
In Nals sind nur zwei von neun SVP-Räten weiblich, auch in Glurns gibt es unter den fünf Gewählten auf der SVP-Liste lediglich eine einzige Frau. Hat die Volkspartei ein Frauenproblem?
Dass die SVP ein Frauenproblem hat, ist offenkundig. Dessen sind sich inzwischen alle bewusst, und die Parteispitze versucht auch, Frauen zu fördern. Nur liegt der Grund halt auch an der sehr traditionellen Wählerschaft, die das politische Geschäft immer noch eher Männern zutraut.
Wie kann man – auch auf gesetzlicher Ebene – eingreifen, um die Unterrepräsentanz der Frauen zu beheben?
Auf der gesetzlichen Ebene gäbe es ein ganz einfaches Mittel: geschlechtergerechte Vorzugsstimmen, das heißt nur zwei oder vier paritätische Vorzugsstimmen zulassen. In den meisten italienischen Wahlgesetzen für den Gemeinderat gibt es so ähnliche Systeme. Leider haben nicht alle eine solche Vorzugsstimmentradition wie wir. Bei uns wäre so eine Maßnahme hochwirksam und die Frauen haben sie auch immer wieder vorgeschlagen. Nur: Wo der eigene Posten auf dem Spiel steht, hört die Frauenförderung dann doch auf.
Die Freiheitliche Ulli Mair ist der Auffassung, dass das Selbstbewusstsein der Frauen unter der Quoten-Diskussion leide. Frauen würden sich aufgrund ihres Geschlechts als Opfer sehen und deshalb häufig auf eine Kandidatur für ein politisches Amt verzichten. Teilen Sie diese Meinung?
Nein, diese Meinung teile ich überhaupt nicht! Frauen waren jahrhundertelang völlig entrechtet: Bis 1917 haben sie bei einer Heirat ihre Geschäftsfähigkeit verloren, konnten sich ohne die Genehmigung des Ehemannes nicht einmal ein Brötchen kaufen, geschweige denn andere Entscheidungen treffen. Das ist erst knapp 100 Jahre her. Das Wahlrecht haben sie in Italien erst 1946 erhalten, Richterinnen werden können sie erst seit 1963, um nur einige Beispiele zu nennen. Gerade wir SüdtirolerInnen, die wir auf den Proporz bestanden haben, um unsere Benachteiligung bei öffentlichen Stellen auszugleichen, müssen doch verstehen, dass Geschlechterquoten exakt derselben Logik folgen! Dass Frauen mit Hilfe von Quoten in eine Position gekommen sind, sagt rein gar nichts über ihre Kompetenz aus. Vielfach bekommen sie erst dadurch die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu entwickeln.
In Ihrer politischen Karriere sind Sie lange als überzeugte Feministin aufgetreten. Als Sie 2008 nicht mehr in den Landtag gewählt wurden, führten einige Ihr Scheitern darauf zurück. Ist es in der heutigen Zeit schwierig, feministische Politik zu betreiben?
Ja, das ist schwierig. Ich habe am Anfang meiner politischen Karriere die Frauenfrage bedingungslos in den Vordergrund gestellt. Das war vor ca. 15 Jahren in Südtirol sehr ungewöhnlich und ich bin natürlich auf großen Widerstand der Männerriege in der SVP gestoßen. Das habe ich leicht verkraftet. Sehr getroffen hat mich aber, als die Frauen der typischen antifeministischen Propaganda aufgesessen sind und sich einreden ließen, ich sei zu radikal und wäre schuld an jedem tragischen männlichen Trennungsschicksal. Ohne dass sich an meiner Einstellung etwas geändert hätte, habe ich beschlossen, in Zukunft andere politische Prioritäten zu setzen. Seither habe ich mit der Männerwelt kein Problem mehr (lacht).
Interview: Matthias Kofler
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