„Es schaut gut aus“
Der Biostatistiker Markus Falk ist davon überzeugt, dass es im Winter keinen weiteren Lockdown geben wird. Und er fordert weitere Lockerungen.
von Markus Rufin
Vor genau einem Jahr verschärfte der italienische Staat die Covid-Regeln. So wurde beispielsweise die Sperrstunde für die Gastronomie vorgezogen und die Maskenpflicht wurde verschärft. Südtirol verzichtete auf die Verschärfung der Maßnahmen und schlug stattdessen einen Weg mit deutlich lascheren Maßnahmen ein.
Bekanntlich war dieser Sonderweg nicht von Erfolg gekrönt. Nur wenige Wochen später sperrte Südtirol komplett zu, weil es im Oktober zu einer Explosion der Infektions- und Krankenhauszahlen kam.
Nun ein Jahr später hat sich viel verändert. Zwar werden Stand Freitag nach wie vor 30 Personen (davon acht auf Intensiv) im Krankenhaus behandelt und nach wie vor gibt es Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus, eine Explosion zeichnet sich aber nicht ab.
Das sagt auch der Biostatistiker Markus Falk: „Eine solche Explosion wird es heuer nicht mehr geben. Durch die Impfungen ist so etwas ausgeschlossen.“
Während im letzten Jahr vor allem ältere Personengruppen infiziert wurden und dadurch auch der Druck in den Krankenhäusern stieg, sei das heuer aufgrund der Impfung nicht mehr möglich. Falk verweist dazu auf das Beispiel Dänemark: „Dort wurden alle Maßnahmen fallen gelassen und die Fälle steigen auch, aber es kommt zu keiner Explosion.“
Es ist allerdings nicht garantiert, dass Personen, bei denen die Impfung länger zurück liegt, auch weiterhin vor der Impfung geschützt sind, meint Falk: „Derzeit haben wir in Südtirol einen Impfschutz vor Infektionen von rund 85 bis 90 Prozent. Wir werden aber in den nächsten Monaten erleben, dass dieser Impfschutz abnimmt und es vermehrt zu Impfdurchbrüchen kommt.“
Das heißt, Falk geht davon aus, dass die Infektionen weiter steigen werden. Auch auf den Krankenhäusern könnte es einen Anstieg geben, aber: „Obwohl die Impfung nicht mehr so gut vor Infektionen schützt, bleibt der Schutz vor Hospitalisierungen hoch.“ Zudem habe man mit der Drittimpfung, die mittlerweile auch in Südtirol gestartet ist, die Möglichkeit, dem nachlassenden Impfschutz entgegenzuwirken, sagt Falk. Diese werde es früher oder später für alle geben, ist sich der Biostatistiker sicher.
Aufgrund dessen ist er sich auch sicher, dass es keinen weiteren Lockdown mehr geben wird: „Das habe ich bereits Anfang des Sommers gesagt. Es müsste saublöd hergehen, dass es nochmals zu Schließungen kommt.“
Das heißt aber nicht, dass es keine Beschränkungen mehr geben wird. Zwar schließt Markus Falk aus, dass die gesamte Gastronomie beispielsweise schließen muss, sehr wohl könnte es aber zu weiteren Einschränkungen für Ungeimpfte kommen: „Sie haben ein zehn- bis zwanzigfach höheres Risiko hospitalisiert zu werden. Impfdurchbrüche sind unter Geimpften und Genesenen zwar nicht unproblematisch, aber vertretbar. Ungeimpfte stellen nun aber eine vulnerable Gruppe dar, sodass man diese sozusagen „schützen“ muss. “
Dass die Lage aber besser ist, als im letzten Jahr sei derzeit für alle leicht ersichtlich: „Wir dürfen Feierlichkeiten abhalten, es ist alles offen und es wird sogar noch weiter gelockert werden. Das verdanken wir den Genesenen und Geimpften.“
Aus diesem Grund fordert Falk auch eine neue Denkweise: „Wir sollten eigentlich nun darüber diskutieren, ob es Maßnahmen gibt, auf die man nun verzichten könnte. Könnte man es sich beispielsweise erlauben, auf die Sitzplatzmaske in der Schule zu verzichten, so wie dies im Restaurant bereits der Fall ist? Muss man die Impfraten aus Bevölkerungssicht weiter steigern oder reicht es bereits?“
Auch wenn das Risiko bei Infektion für eine ungeimpfte Person ungemein höher ist als für eine immune, hängt auch viel davon ab, ob diese im Infektionsfall rechtzeitig reagieren und noch bevor die Symptome einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen, ärztliche Hilfe suchen. So könne man die eine oder andere Aufnahme oder den einen oder anderen Intensivfall vermeiden.
Einen „Freedom Day“ wie in Dänemark oder im Vereinigten Königreich propagiert Biostatistiker Falk aber nicht: „Ich halte nicht viel von solchen Vorhaben. Wir brauchen einfach nur eine vernünftige Gesundheitspolitik und die Mitarbeit der Bevölkerung. Wenn die Bevölkerung einen solchen Freiheits-Tag fordert, dann sollte man darauf hinarbeiten. Ich wäre eher für einen, Besinnungs-Tag, denn wir haben viel hinter uns gebracht, viel geleistet und viele Opfer gebracht, können nun aber mit Zuversicht in die Zukunft blicken.“
Unabhängig davon ist sich Falk sicher: „Es wird zu einer Reduktion der Maßnahmen kommen. Ob das bereits im Winter oder erst im Frühjahr passiert, hängt von Rom ab. Die Vorzeichen schauen aber gut aus. Wir haben das Schwerste hinter uns.“
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