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„Es gibt keine Ausnahmen“

Ab dem 15. Oktober gilt die Green-Pass-Pflicht am Arbeitsplatz. Schlupflöcher für Verweigerer gibt es keine, sagt Arbeitsrechtsexperte Gianni Lanzinger.

TAGESZEITUNG Online: Herr Lanzinger, die Regierung hat eine Green-Pass-Pflicht für den Arbeitsplatz eingeführt. Was passiert, wenn sich jemand weigert, diesen zu machen?

Gianni Lanzinger: Es gibt hier verschiedene Szenarien. In erster Linie muss man das Verhältnis zur Arbeitsunfallsicherung INAIL sehen. Nehmen wir an, dass ein Arbeitnehmer, der den Green Pass und somit auch die Impfung verweigert, an Covid erkrankt, kann es durchaus sein, dass die Versicherung durch INAIL nicht greift. Darüberhinaus gibt es noch ein weit wichtigeres Thema, das die Arbeitsverträge betrifft. Der Arbeitgeber muss den Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz garantieren. Er muss aber auch darauf bestehen, dass die geltenden Normen bezüglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Arbeitnehmer respektiert werden.

Bei Verweigerern kommt es zu einer Suspendierung. Wie wird diese geregelt?

Wenn der Arbeitnehmer bewusst für sich und die anderen ein gesundheitliches Risiko darstellt, kann er eine andere Tätigkeit ausführen, in der er kein Risiko darstellt. Sollte dies nicht möglich sein, kann der Arbeitnehmer suspendiert bzw. auch entlassen werden. Die Suspendierung ohne Gehaltszahlung ist aber weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber eine angemessene Lösung.

Warum ist die Suspendierung für beide Seiten problematisch?

Die Suspendierung bietet die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten, um die Situation zu überdenken. Der Arbeitnehmer könnte in einem zweiten Moment entscheiden, sich impfen zu lassen und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Es kann aber auch zu einer Entlassung kommen, wenn der Betrieb schnellstmöglich eine Arbeitskraft einstellen möchte, für die er dringenden Bedarf hat.

Kann ein Arbeitnehmer sofort seine Arbeit wechseln, wenn er suspendiert wurde?

Der suspendierte Arbeitnehmer ist weiterhin Angestellter des Betriebes. Deshalb kann er nicht irgendwo anders arbeiten, wenn er nicht kündigt. Innerhalb des Betriebes könnte der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit ausüben, beispielsweise eine Arbeit im Home-Office, soweit dies möglich ist und keine zusätzliche ökonomische Belastung für den Betrieb entsteht. Wenn es sich beispielsweise um einen Kellner, so gibt es diese Möglichkeit nicht, da man nicht von zu Hause aus bedienen kann.

Was passiert, wenn sich der Arbeitnehmer dazu entscheidet, zu kündigen?

Da der Arbeitnehmer keinen Gehalt erhält, könnte es sein, dass er kündigt. Die Kündigung erfolgt in diesem Fall aus keinem gerechtfertigten Grund. Das Fürsorgeinstitut INPS könnte also die Bezahlung des Arbeitslosengeldes verweigern.

Wer ist von der Verpflichtung des Green Pass ausgenommen?

Alle, für die die Impfung ein erwiesenes Risiko darstellt, sonst gibt es keine weiteren Ausnahmen.

Müssen auch schwangere Frauen den Green Pass besitzen?

Wenn die Wissenschaft sagt, dass es kein Risiko für schwangere Frauen gibt, dann müssen auch diese einen Green Pass haben. Hier folgt das Recht der Wissenschaft.

Wie sieht es mit den Sekretärinnen aus, die im Home-Office arbeiten? Kann auch hier der Green Pass verlangt werden?

Offensichtlich dienen der Green Pass und die Impfung dazu, sich zum Arbeitsplatz zu begeben und dort zu arbeiten. Zur Zeit ist die Frage des Home-Office noch offen. Es sieht so aus, dass jemand, der im Home-Office arbeitet, der Verpflichtung des Green Pass nicht nachkommen muss, solange er keine Kontakte mit Dritten hat. Aber Achtung: Dies gilt nur solange, bis der Arbeitnehmer keinen physischen Kontakt mit Kollegen bzw. dem Publikum hat.

Wie lange kann ein Arbeitnehmer im Home-Office arbeiten?

Auch für das Home-Office gibt es gesetzliche Bestimmungen sowie Abkommen unter den Interessensvertretern. Das Home-Office muss vereinbar sein mit den Bedürfnissen des Arbeitnehmers sowie mit den Anforderungen des Betriebes. Sollte der Betrieb es für nötig erachten, dass der Arbeitnehmer im Betrieb physisch präsent ist, so besteht kein Recht mehr darauf, weiterhin im Home-Office zu arbeiten. Das Home-Office ist kein Recht, wie etwa das Recht, in Teilzeit zu arbeiten. Natürlich muss die Firma immer die physische und psychophysische Gesundheit des Arbeitnehmers schützen. Andererseits hat der Betrieb das Recht,  vom Arbeitnehmer eine nützliche und angemessene Arbeitsleistung zu verlangen. Das Home-Office hängt mit den Bedürfnissen des Betriebes zusammen.

Interview: Soraya Hamedi

 

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