„Sicherer Ort“
Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller ist besorgt über die Zunahme des Elternunterrichts in Südtirol. Um ein Kind zu erziehen, brauche es ein ganzes Dorf.
Daniela Höller ist besorgt.
Seit dem letzten Jahr wird in Südtirol eine Zunahme des Elternunterrichtes oder „Homeschooling“ verzeichnet.
„Homeschooling“, so die Kinder- und Jugendanwältin, „ist kein neues Phänomen und hängt auch nicht ausschließlich mit der der Covid-19-Pandemie zusammen. Vielmehr stellt es seit längerem eine Alternative für Kinder und Eltern in speziellen Situationen, die einen regulären Schulbesuch nicht ermöglichen, dar. Beispiele hierfür sind Notsituationen oder gesundheitliche Gründe.“
Der Elternunterricht sei gesetzlich geregelt und sehe vor, dass die Eltern über die notwendigen fachlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen – im Falle, dass der Unterricht von einer anderen Person durchgeführt wird – verfügen müssen, so die Kinder- und Jugendanwältin.
Die Schulführungskräfte seien ihrerseits verpflichtet, die Erfüllung der Schul- und Bildungspflicht zu kontrollieren, während die Kinder und Jugendlichen am Ende des Schuljahres in einer Eignungsprüfung zeigen müssen, dass sie das notwendige Wissen und die Kompetenzen im Elternunterricht erlangt haben.
„Der Elternunterricht ist also zu den notwendigen Voraussetzungen möglich, sprich, wenn die Eltern imstande sind bzw. die speziellen fachlichen Kompetenzen haben, um das Recht auf Bildung ihrer Kinder zu gewährleisten“, verdeutlicht die Kinder- und Jugendanwältin Höller.
Der Besuch der Schule sei wesentlich, nicht nur, damit sich Schülerinnen und Schüler Kenntnisse aneignen, wie es der Gesetzgeber vorsieht.
Vielmehr sei die Schule auch der Ort, wo sich junge Menschen entfalten und wachsen können, die eigene Identität stärken, sowie Beziehungsfähigkeit lernen können, so Höller.
Die Schule sei auch ein „sicherer Ort“ für Kinder, die in schwierigen Familienverhältnissen leben. Lehrpersonen, die eine spezielle Ausbildung haben, und die Gemeinschaft könnten helfen angespannten Situationen vorzubeugen.
Sodann zitiert Daniela Höller ein afrikanisches Sprichwort:
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“.
Dies zeige, wie wichtig es für jeden ist, sich Teil eines Ganzen zu fühlen. Die Familie sei der erste Ort der Sozialisierung, aber nicht der einzige.
Die Kinder- und Jugendanwältin weiter:
„Schule und Gleichaltrige sind grundlegend für die Entwicklung, sowohl in emotionaler wie sozialer Hinsicht. Jede Möglichkeit, wo sich Kinder treffen und austauschen können, ist eine Bereicherung, fördert die Fähigkeiten der Kinder, lässt sie Teil einer Gemeinschaft werden, in der sie Regeln und Werte erleben dürfen. Je größer die Gemeinschaft, desto fruchtbarer der Austausch.
Ich befürchte, dass Kinder in einer Situation, in der nur die Eltern oder eine sehr kleine Gruppe von Personen zugegen ist, das gewohnte Umfeld der Schulklasse abhandenkommt und ihnen gewissermaßen die Erziehung zur Vielfalt fehlt.
Dies ist eine Fähigkeit, die immer wichtiger wird, um sich in der Welt zurecht zu finden. Dem Kind fehlt die Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen sowie mit Lehrpersonen und verschiedenen Erziehungsmethoden und Ansichten auseinander zu setzen.
Gerade der Austausch mit anderen ist der erste Schritt, um Empathie, sowie ein kooperatives Verhalten, die Bereitschaft zusammenzuarbeiten und das Gemeinschaftsgefühl zu erlernen, was letzten Endes bedeutet, gemeinsam Probleme lösen zu können“.
Schule, Austausch mit Gleichgesinnten, Erfolge und Niederlagen in einer Gruppe zu erleben, dies helfe jungen Menschen dabei, Enttäuschungen zu verkraften, die eigenen Fähigkeiten zur Geltung zu bringen sowie ihr Selbstwertgefühl aufzubauen.
„Es ist bekanntlich gerade der scheinbar hemmende Luftwiderstand, der das Fliegen erst ermöglicht“, so die Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller abschließend.
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