Der Richtungsstreit
In der Landesregierung mehren sich die Stimmen, die eine härtere Gangart in der Corona-Politik einfordern. LH Arno Kompatscher will jedoch keine Verordnungen mehr unterschreiben, die von Gerichten kassiert werden könnten.
Von Matthias Kofler
Zu Beginn der jüngsten Landesregierungssitzung lieferte Thomas Widmann erschreckende Zahlen: Die Corona-Patienten auf den Intensivstationen würden immer jünger, erklärte der Gesundheitslandesrat. Zuletzt seien zwei Männer eingeliefert worden, einer davon sei 36, der andere 55 Jahre alt. Beide seien ungeimpft. „Wir befinden uns in einer delikaten Situation. Wenn die Anzahl der Patienten in den kommenden Tagen und Wochen weiter steigt, werden wir gezwungen sein, Abteilungen zu schließen“, schlug Widmann Alarm.
Der Sanitätslandesrat vertritt innerhalb der Landesregierung die Position, in der Corona-Politik einen härteren Kurs einzuschlagen. Mit Blick auf den an diesem Montag erfolgten Schulstart erwartet der SVP-Politiker einen weiteren Anstieg der Neuinfektionen. Südtirol befinde sich schon jetzt inmitten der vierten Welle, das Land laufe Gefahr, von Rom als gelbe Zone eingestuft zu werden.
Auch andere Regierungsmitglieder sind mittlerweile der Auffassung, dass Südtirol in der Pandemie-Bekämpfung strenger als bisher vorgehen sollte. Landeshauptmann Arno Kompatscher stellte gestern jedoch klar, dass er keine Verordnungen mehr unterschreiben wolle, die von Gerichten gekippt werden könnten. Er zitierte in dem Zusammenhang ein kürzlich erlassenes Urteil des Staatsrats, aus dem hervorgeht, dass das Land in der Seuchenbekämpfung nur beschränkte Zuständigkeiten hat. Konkret wurde eine Verordnung gekippt, in der das Land vorgeschrieben hatte, dass Personen, die sich nicht den Nasenflügeltests unterziehen wollen, den zwischenmenschlichen Abstand einhalten müssen. Laut dem Staatsrat darf eine solche Regelung aber nur der Gesetzgeber bzw. die Regierung in Rom vornehmen.
Trotz dieser rechtlich schwierigen Ausgangsposition vertritt auch Kompatscher die Auffassung, dass man „konsequenter“ agieren müsse. Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die gestrige Sitzung kündigte der Regierungschef eine Verschärfung der Kontrollen im Zusammenhang mit der Green-Pass-Pflicht an. „Wir haben sehr viele Bereiche, in denen die Einhaltung der Bestimmung nicht zufriedenstellend ist, etwa im Gastbereich“, betonte Kompatscher. Die Betreiber seien verpflichtet, den Grünen Pass am Eingang zu kontrollieren, so wie es auch im benachbarten Ausland der Fall sei. Die Ordnungskräfte würden daher ihre Kontrollen in den Betrieben intensivieren und gegebenenfalls auch Sanktionen ausstellen, sagte der LH.
In der Regierungssitzung am Vormittag hatte Bildungslandesrat Philipp Achammer auf die „zunehmende Diskrepanz“ zwischen den Schulen und den außerschulischen Lebensbereichen hingewiesen. Es gebe mittlerweile „zwei unterschiedliche Realitäten“, sagte er: Während man in den Schulen akribisch genau darauf achte, dass die Regeln eingehalten würden, tobe außerhalb der Schulen – etwa bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen – „das wilde Leben“, weil dort „keiner mehr die Regeln kennt“. „Wir alle waren den Kindern in den letzten Wochen kein gutes Beispiel“, erklärte Achammer. Der Bildungslandesrat sprach sich ebenfalls für strengere Regelungen aus, auch im Schulbereich, wo – anders als auf staatlicher Ebene – flächendeckende Nasenflügeltests auf freiwilliger Basis durchgeführt werden sollen. Im Gegenzug sollen geimpfte und getestete SchülerInnen am Sitzplatz von der Maskenpflicht befreit werden, forderte der SVP-Obmann gemeinsam mit Urbanistiklandesrätin Maria Hochgruber Kuenzer. Der LH kündigte an, diese Forderung in Rom zu deponieren. „Nur mit einer konsequenten Umsetzung der Regeln kommen wir wieder aus dieser Situation heraus. Je konsequenter und strenger wir jetzt in dieser Phase vorgehen, umso freier sind wir dann bei den Folgeentscheidungen“, unterstrich Achammer.
Anders als auf römischer Ebene leistet die Lega in der Landesregierung keinen Widerstand gegen den Grünen Pass. „Jeder von uns, ob Politiker, Techniker oder Bürger, muss versuchen, die gelbe Zone zu vermeiden“, stellte Landesrat Massimo Bessone klar. Daher werde man alle Maßnahmen mittragen, die dazu dienten, einen Anstieg der Neuinfektionen und der Krankenhauspatienten zu vermeiden.
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