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„Die Hütte wird brennen“

Foto: Sabes

Die Landesregierung sucht nach einer Corona-Strategie für den Herbst. Der Biostatistiker Markus Flak fordert Maßnahmen, die über die staatlichen Vorgaben hinausreichen.

Tageszeitung: Herr Falk, Südtirol hat keine eigene Corona-Strategie für den Herbst entwickelt, sondern wartet aus Vorgaben aus Rom. Die richtige Entscheidung?

Markus Falk: Meiner Ansicht nach sind wir in einer Zwickmühle. Viele Entscheidungen, die Rom trifft, passen nicht zur Südtiroler Situation. So zählen für Rom nur Abstand, Maske und Impfung. Testungen sind aus der Sicht Roms reine Diagnostik, für Südtirol waren sie hingegen auch Prävention. Es war zudem wenig hilfreich Maßnahmen wie den Corona-Pass zu torpedieren, der nach später Einsicht Roms dann als Green Pass retour kam. So wie es derzeit aussieht, kann man das Infektionsgeschehen in Südtirol nur dann erfolgreich eindämmen, wenn man in den gesetzlichen Graubereich eintaucht. Dazu fehlt der Landesregierung aber die entsprechende Rückendeckung, da vermutlich jedes Vorhaben, das nicht von Rom vorgegeben ist, sofort in Frage gestellt werden würde.

Was sind nun die Gefahren für den Herbst, wenn man ohne richtige Strategie ins Schuljahr startet?

Im Prinzip warten wir derzeit ab, bis die Hütte Feuer fängt, um dann die Rechtfertigung zu haben, entsprechend reagieren zu können. Seitens Rom sind keine Brandschutzmaßnahmen vorgesehen. Die Installation eines Feuermelders in Form eines Schulmonitorings, über das Südtirol bereits letztes Jahr verfügte, hingegen schon. Wir starten nun in ein gänzlich anderes Schuljahr als im Vorjahr. Ein großer Teil der Bevölkerung ist zwar mittels Impfung geschützt, wir starten aber mit deutlich höheren Inzidenzen. So machte Schottland nach zwei Wochen Schule bereits die Erfahrung, dass sich Schüler schnell anstecken können, sodass sich nun 15.000 in Quarantäne befinden. Dies sind etwa zwei Prozent der Schüler, zu denen dann noch etwaige Familienmitglieder dazuzuzählen sind. Umgekehrt verhält es sich in Dänemark. Dort gibt es nach nun fast drei Wochen Schule noch kein Problem, da sehr viele Schüler und Studenten geimpft sind und zudem viel getestet wird.

Was kann Südtirol nun tun, um diese Folgen abzuwenden?

Im Prinzip kann man derzeit nur zuschauen und die Bevölkerung darum bitten, vorsichtig zu sein. Die Entscheidungsträger versuchen derzeit alles, um den Schulbeginn so sicher wie möglich zu machen. Aufgrund der Vorgaben ist dies aber zum Teil ein aussichtloses Unterfangen. Man sollte Rom die Tatsachen und möglichen Konsequenzen der Vorgaben vor Augen führen, um dennoch ein breites Testangebot, das auch umsetzbar ist, auf die Beine stellen zu können. Fakt ist, dass die Landesregierung nun die Unterstützung von allen Seiten benötigt, um mit entsprechendem Mut jene Spielräume auszunützen zu können, damit wir nicht ins offene Messer laufen.

Interview: Markus Falk

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