„Keine großen Unterschiede“
Im Herbst sollen neue Corona-Impfstoffe zugelassen werden. Die Primaria für Infektionskrankheiten, Elke Maria Erne erklärt, welche das sind und warum es keinen Sinn hat, darauf zu warten.
Tageszeitung: Frau Erne, im Herbst sollen wieder neue Corona-Impfstoffe zugelassen werden. Welche dieser Impfstoffe sind bisher am weitesten entwickelt?
Elke Maria Erne: Am weitesten entwickelt ist der Impfstoff von Novavax. Dieser soll im dritten Quartal, also im Herbst, von der FDA zugelassen werden. Bei der EMA hat bereits die Rolling Revue begonnen. Das heißt, bereits jetzt werden die Daten zur Novavax-Impfung untersucht. So kann die Zulassung schneller erfolgen, da Daten schon vorliegen, kurz nachdem die dritte Stufe für die Zulassung abgeschlossen ist. Eine gute Wirksamkeit zeigt auch der chinesische Totimpfstoff Sinovac, der bereits in der Türkei zugelassen wurde. Der italienische Impfstoff ReiThera, befindet sich in der zweiten Phase. Dabei handelt es sich um einen Vektorimpfstoff, der gleich funktioniert, wie jener von AstraZeneca oder Johnson&Johnson. Auch ein mRNA-Impfstoff, Curevac, wird derzeit untersucht. Er zeigt aber keine hohe Wirksamkeit.
Wie funktioniert der Novavax-Impfstoff?
Es handelt sich hierbei um einen Protein-Impfstoff. Das Spike-Protein, das zur Bildung von Antikörpern dient, wird synthetisch hergestellt und mit einer Adjuvante in den Impfstoff gegeben. Beim mRNA-Impfstoff passiert grundsätzlich dasselbe, nur wird dort der Zelle die Information zur Bildung des Spike-Proteins übermittelt. Das heißt, bei einem Protein-Impfstoff ist das Spike-Protein bereits hergestellt, daher wirkt der Impfstoff auch schneller.
Was sind die Vorteile von Novavax?
Dadurch, dass das Protein synthetisch hergestellt wird, kann man es einfacher lagern. Das heißt, man könnte ihn auch ärmeren Ländern geben. Die zweite Dosis muss nach 21 Tagen erfolgen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie spricht von einer allgemeinen Wirksamkeit von 90 Prozent. Der Impfstoff kann also mit den mRNA-Impfstoffen verglichen werden. Der größte Vorteil ist aber jener, dass es sich um eine neue Form handelt. Das heißt, Personen, die die mRNA-Impfung nicht gut vertragen haben, könnten stattdessen Novavax für die Zweit- oder Drittimpfung verwenden.
Wirkt der neue Impfstoff besser gegen Varianten?
Der Impfstoff schützt genauso wie die mRNA-Impfungen auch gegen Varianten. Es gibt da also keine großen Unterschiede.
Wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus?
Man muss dabei die üblichen und die systemischen Nebenwirkungen voneinander unterscheiden. Zu den üblichen zählen Rötungen und lokale Schmerzen an der Einstichstelle. Zu den systemischen Nebenwirkungen zählen Fieber und Kopfschmerzen. Zu den seltenen Nebenwirkungen gibt es derzeit noch keine Daten, es wird in den Fachmagazinen aber geschrieben, dass der Impfstoff gut verträglich ist.
Einige warten auf die Entwicklung von neuen Impfstoffen. Macht das Sinn?
Nein, das kann ich wirklich nicht verstehen. Wir befinden uns bereits in der vierten Welle. Wenn man eine Infektion verhindern möchte, sollte man sich so schnell wie möglich impfen lassen. Erst recht die Delta-Variante stellt dahingehend eine Gefahr dar. Selbst wenn der Novavax-Impfstoff zu Beginn des Herbstes zugelassen werden sollte, dauert es mehrere Wochen, bis man die Zweitimpfung bekommt. Anschließend dauert es noch einige Wochen, bis die Impfung auch wirkt. Das heißt, man müsste mehrere Monate warten, um vor der Delta-Variante geschützt zu sein.
Ein Protein-Impfstoff schützt also nicht besser gegen Varianten oder das Virus an sich?
Das Prinzip ist immer dasselbe, egal ob es sich um einen mRNA-Impfstoff, um einen Vektor-Impfstoff oder um einen Protein-Impfstoff handelt. Es soll ein Spike-Protein hergestellt werden. Wie gut er wirkt, hängt von anderen Faktoren ab. Ob Novavax besser gegen die Delta-Variante schützt, kann man derzeit nicht sagen. Die Studien beziehen sich auf das letzte Jahr, als die Variante noch nicht verbreitet war. Fakt ist aber, dass alle bisher zugelassenen Impfstoffe gut gegen schwere Krankenhausverläufe schützen. Das ist das Wichtigste.
Einige warten auch auf die Zulassung eines Totimpfstoffes. Warum?
Ich weiß es nicht. Wie gesagt, ist das Prinzip immer dasselbe. Auch der Totimpfstoff arbeitet mit einem Spike-Protein. Selbst wenn die Lage entspannter wäre, würde ich nicht auf einen Totimpfstoff setzen, da das Risiko von Nebenwirkungen meist größer ist.
Das heißt, der Novavax-Impfstoff bringt also nichts Neues?
Es handelt sich um einen modernen Impfstoff, der aber eine längere Entwicklungsphase hat, da das Spike-Protein synthetisch hergestellt wird. Dafür ist es einfacher zu lagern. Leute, die nun davon erwarten, dass es das neue Wundermittel ist, muss ich enttäuschen. Der Impfstoff bringt in erster Linie jenen Menschen etwas, die die anderen Impfstoff nicht gut vertragen haben.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (11)
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unglaublich
Interessante Info von Fr. Erne! Totimpfstoffe haben meist mehr Nebenwirkungen als die RNA-Impfstoffe.
tiroler
War die Damen nicht im Urlaub wenn sie am notwendigsten gebraucht wurde?
criticus
@tiroler
Diese Dame hat im Jänner 2020 in einem Interview der RAI-Tagesschau auf die Pandemie-Gefahr aus China angesprochen, folgendes gesagt: „Wir in Südtirol können unbesorgt sein, es wird uns nicht betreffen.“ Und was war gut einen Monat später? Gut, dass es solche Fachfrauen gibt!
gredner
Das chinesische Sinovac soll nur zu 50% funktionieren. Wieso nicht Sputnik V zulassen, das zu 92% wirkt und millionenfach erprobt ist?!?