Das Ötzi-Szenario
Die Landesregierung lässt sich Zeit mit der Entscheidung über den künftigen Ötzi-Standort in Bozen. Doch letztlich wird der finanzielle Aspekt ausschlaggebend sein – und hier dürfte René Benkos Virgl-Projekt die größten Chancen haben.
von Thomas Vikoler
Ötzi zieht nach wie vor. Vor dem Archäologie-Museum in der Bozner Museumstraße bilden sich täglich lange Warteschlangen, jeder Südtirol-Tourist scheint die Gletschermumie mindestens einmal sehen zu wollen. Die Landesverwaltung sucht auch deshalb nach einem neuen Museumsstandort.
Doch die Landesregierung lässt sich nach der vom Paduaner Unternehmen Sinloc durchgeführten Standort-Studie auffallend viel Zeit mit einer Entscheidung. Die Gemeinde Bozen hatte Anfang Juli ihre gespaltene Stellungnahme vorgelegt.
Der Stadtrat konnte sich auf keinen einheitlichen Standort einigen, forderte aber – auf Wunsch der SVP und der eingesessenen Kaufleute – einen im Stadtzentrum.
Auch gestern stand der Ötzi-Standort nicht auf der Tagesordnung der ersten Sitzung der Landesregierung nach der Sommerpause.
Wie geht es also weiter?
Nach Informationen der TAGESZEITUNG wird die Landesregierung in wenigen Wochen beschließen, Verhandlungen mit dem Immobilienunternehmer Pietro Tosolini aufzunehmen. Seine beiden Standort-Angebote – das Ex-ENEL-Gebäude an der Drususbrücke und das Ex-INA-Gebäude an der Talferbrücke – sind in der Sinloc-Studie an erster und dritter Stelle gereiht.
„Für die Grundstücke/Gebäude in Privatbesitz wird nach Rücksprache mit der Landesverwaltung davon ausgegangen, dass die Immobilien, nach entsprechender Anerkennung als Orte von öffentlichem, übergemeindlichem Interesse, durch einvernehmliche Enteignung oder Enteignung erworben werden. Insgesamt wird bei einvernehmlicher Enteignung eine Verfahrensdauer von einem Jahr und im Fall der Enteignung von 1,5 Jahren angenommen“, heißt es dazu in der Sinloc-Studie.
Dies gelte nicht für das an zweiter Stelle klassierte Gefängnis, das „innerhalb von zwei Jahren verfügbar sein wird.“
Das Gefängnis ist wegen der Verzögerungen beim geplanten Neubau weder für die Gemeinde noch für das Land eine Standort-Option.
Und mit Tosolini hat das Land bereits einmal über die Abtretung des EX-INA-Gebäudes verhandelt. Ohne Ergebnis, die Preisvorstellungen gingen weit auseinander. Ein derartiges Szenario ist auch diesmal wahrscheinlich.
Der finanzielle Aspekt wird somit zur zentralen Frage bei der weiteren Standortsuche. Und hier wittert Platz 4 der Sinloc-Studie – René Benkos Virgl-Projekt – seine Chance. Im Bozner Ableger der Signa Holding arbeitet man seit Monaten an einem Vorschlag für die Landesverwaltung, höchstwahrscheinlich wird es ein PPP-Antrag werden.
„Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Virgl der beste Standort ist“, sagt Benko-Statthalter Heinz Peter Hager. Angeboten wird der Bau eines neuen Archäologiemuseums und möglicherweise Naturmuseums inklusive Seilbahn-Verbindung vom Verdiplatz aus, dazu ein Konzertsaal und gastronomische Einrichtungen.
Ein weiterer Teil des Projekts ist eine mögliche Lösung des Problems des exzessiven Nachtlebens am Obstmarkt: Am Virgl soll auch eine Art Ausgehviertel entstehen, das den Lärm vom Stadtzentrum fernhält.
Auch dieser Aspekt dürfte bei der endgültigen Entscheidung des Landes eine Rolle spielen. Kommt es zu einem PPP-Verfahren, wird die Landesverwaltung auf jedem Fall dessen Ausgang abwarten.
Es könnte letztlich um die Frage gehen, wie man gegenüber der Bozner SVP, die den Verbleib Ötzis in der Altstadt in den Koalitionsvertrag schreiben ließ, eine Abweichung von dieser Klausel rechtfertigt.
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