Schiachlan und so
Annemarie Laner bestreitet die 4. Sommerausstellung im Haus59 Stilfs
Stilfs, das alte Bergbaudorf mitten im Nationalpark Stilfser Joch, mit schmalen, steilen, gepflasterten Gassen und historischen Steinhäusern, die sich wie ein großes Schwalbennest zur Loge vor dem Ortler gruppieren, hat einen überraschend urbanen Reiz. Das Dorf der Schmuggler und Karrner übte und übt auch eine besondere Anziehung auf SchriftstellerInnen, KünstlerInnen und MusikerInnen aus und spiegelt sich in ihrem Werk: Thomas Bernhard, Franz Tumler, Herbert Rosendorfer, Toni Bernhart, Sabine Gruber und Günther Pitscheider sind nur einige davon.
Im Haus59 in Stilfs finden seit 2017 zur Sommerzeit in Zusammenarbeit mit dem Bildungsausschuss Stilfs kleine Ausstellungen und Lesungen statt, Haus und Dorf und zeitgenössische Kunst begegnen sich, schauen aufeinander, tauschen sich aus, reden miteinander. Das sorgsam renovierte Haus wird das ganze Jahr über unter dem Motto „Wohnen mit Kunst“ vermietet und verfügt über eine eigene kleine Sammlung. Im Unterschied zu Museen und Galerien findet die Kunst, die hier einkehrt, jene alltäglichen Bedingungen vor, die private Wohnräume bieten und fügt sich bereichernd in das Bestehende ein. Während der Ausstellungswoche räumen die Kunstwerke, die zum Haus gehören, ihren Ort eine Woche lang für das Neue. Das Haus öffnet und verändert sich.
Nach Anna Wielander Platzgummer (2017), Michael Niederegger (2018) und Christian Stecher (2019) ist im Sommer 2021 Annemarie Laner im Haus59 zu Gast und bespielt mit „Schiachlan und so“ die Räume des historischen Hauses, in denen viele gelebte Leben noch nachschwingen. Es geht um das Sein, um seine Untiefen und Höhenflüge, um Literaturnähe, um flüsternde Aufzeichnungen, um Schatten und Licht. „Schiachlan“ baumeln gesprächig und erzählen von kleinen Füßen, die weit gewandert sind; von Stilfs aus lange Zeit bis ins Schwabenland. Und es ist an diesem Ort nicht überraschend, dass eine Formation von Annemarie Laners Krähen durch die Luke zum Dachboden hereinschlüpft, um nach dem Rechten zu sehen. Denn längst haben die „Korrnrliadr“ von Luis Stefan Stecher die „posslte Graatsch“ in die Identität dieses Haufendorfes eingewoben.
Annemarie Laners Kunst wurzelt in der Zeichnung. Druckgrafik, speziell die Radierung, war über Jahre ihr bevorzugtes Ausdrucksmittel. Weit neigt sich Laners Linienwerk zur Schrift hin. Kalligraphisch durchwirkte Blätter spiegeln die prozesshafte Transformation von Sprache und legen in vielen Referenzen die Nähe zu Literatur und zur Philosophie des Existenzialismus frei. Chiffrierte Zeichen, Wort, Schrift und Textur gehen oft nahtlos ineinander über. Impulse zieht Laner auch aus der metamorphotischen Kraft des Materials, wie ihre Objekte und Installationen zeigen.
Laner hat an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien studiert und lebt als freischaffende Künstlerin in Sand in Taufers. Ausstellungen im In- und Ausland. Projekte/ Wettbewerbe/Preise im Bereich Kunst am Bau und im Sakralbereich. Residences: Künstlerhäuser Worpswede/D, Künstlerhaus Ahrenshoop/D, Wilke-Atelier Bremerhaven/D, EHF Foundation Venedig/I, Altes Spital Solothurn/CH. Arbeiten befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen, u. a. Albertina Wien, Sammlung Würth, Ferdinandeum Innsbruck, Museion Bozen.
Termin: Bis 4. September im Haus59 Stilfs. www.haus59stilfs.eu
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