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„Lasst euch weiter testen“

Gernot Walder

Der Osttiroler Virologe Gernot Walder erklärt, warum sich auch Geimpfte regelmäßig testen lassen sollen.

Tageszeitung: Herr Walder, das Testangebot in Südtirol wurde in den letzten Wochen stark zurückgefahren, wird nun aber wieder erweitert. Die richtige Entscheidung?

Gernot Walder: Das Testen ist nach wie vor sehr wichtig. Die Impfung schützt vor einem schweren Verlauf, speziell bei den neuen Varianten aber nicht davor, dass das Virus zirkuliert. Das heißt, eine geimpfte Person kann das Virus bekommen und andere Menschen anstecken. In dieser Phase ist es also auf jeden Fall wichtig, die Situation im Auge behalten. Erstens ist die Entwicklung des Virus noch nicht abgeschlossen. Die Delta-Variante ist wahrscheinlich nicht die letzte Variante, die es geben wird. Zweitens wissen wir zwar, dass das Risiko eines schweren Verlaufes bei Geimpften geringer ist, wenn aber viele infiziert sind, sieht man auch die seltenen Komplikationen. Es ist also nicht nur notwendig zu impfen, sondern auch wichtig zu sehen, wie sich der Virus verhält.

Muss man also auch Geimpfte regelmäßig testen?

Das hängt davon ab, was man erreichen will. Wenn es das Ziel ist, die Intensivstationen frei zu halten, kann man die Tests auf jene Personen beschränken, die Kontakt mit Risikopatienten haben und diese anstecken können. Wir haben gesehen, dass neue Varianten auch von geimpften übertragen werden können – auch Geimpfte sind schon von Geimpften angesteckt worden. Im Gesundheitswesen nur zu impfen kann daher riskant sein, wenn man auf Tests und Hygienemaßnahmen verzichtet. Auch im Tourismus und bei größeren Freizeit-Veranstaltungen sollte man nicht nur impfen sondern auch testen. Je mehr und je engere Kontakte, desto wichtiger ist auch die Testung. Sobald uns der erste Winter gut gelungen ist, können wir mit den Tests zurückfahren, jetzt ist es aber wichtig, möglichst viele Informationen zu bekommen und zu schauen, wie sich der Erreger weiterentwickelt.

Das heißt, man sollte weiterhin testen, um auf Nummer sicher zu gehen?

Genau, die Adaption des Virus an den Menschen ist noch nicht abgeschlossen. Das Virus ist jetzt sozusagen in der Pubertät – da passieren viele Sachen, die man nicht vorhersehen kann. Es ist also ganz gut, die Situation im Auge zu behalten und auf Überraschungen gefasst zu sein.

Wie regelmäßig sollten Testungen gemacht werden?

Wie gesagt hängt das in erster Linie davon ab, was man erreichen will, aber eben auch vom Setting. Im Gesundheitsbereich halte ich Tests zum Beispiel weiterhin für wichtig, im privaten Bereich kann man sie aber durchaus auf einzelne Anlässe reduzieren, solange alle Geimpft sind. Beispielsweise würde ein Antigentest nicht schaden, wenn ein Familienmitglied aus dem Ausland zu Besuch kommt. Soll die Party ausgelassener werden, vorher testen. War man einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, ebenfalls. Es macht dagegen keinen Sinn, sich testen zu lassen, wenn man als kleine Gruppe z.B. einen Klettersteig absolviert oder sich die Kontakte auf das konstante persönliche Umfeld beschränken.

Damit könnte man also vermeiden, dass die Intensivstationen voll werden?

Aus heutiger Sicht kann das gelingen. Wie breit das Testangebot sein muss, hängt aber von der Zieldefinition der Politik ab: Wenn ich die Intensivstationen frei halten will, dann sollte ich obengenannte Maßnahmen setzen, wenn es aber mein Ziel ist, die Übersterblichkeit zu reduzieren, kann das Testangebot auch geringer sein. Wenn es aber das Ziel ist, die 7-Tage-Inzidenz gering zu halten, brauchen wir ein sehr breites Testangebot. Es hängt also wirklich davon ab, welches Ziel sich die Politik setzt.

Italien und andere europäische Länder wollen mit Hilfe des grünen Passes Infektionsherde vermeiden. Kann es in bestimmten Settings trotz grünen Pass al Zugangsvoraussetzung dazu kommen, weil sich Geimpfte nicht testen?

Natürlich. Wenn sich Geimpfte nicht testen, können diese im blödesten Fall eine aggressive Variante in einem ungünstigen Setting verbreiten. Auch Genesene können theoretisch ein zweites Mal Virusträger werden. Tückisch ist, dass in diesen Fällen die Symptomatik gering ist und der Infizierte oft gar nicht bemerkt, dass er infektiös ist. Gerade bei Risikopatienten kann es auch vorkommen, dass sie keinen Immunschutz aufbauen. Schön wäre, wenn man die Möglichkeit hätte, die Immunitätsbestimmungen mit einfließen zu lassen.

Was meinen Sie damit?

Das bedeutet, dass man die Immunität gegen die neuen Varianten überprüft. Wenn ich z.B. eine Immunität gegen die britische Variante aufgebaut habe, kann ich mich trotzdem mit der indischen Variante anstecken. Wenn ich mich dagegen mit der indischen Variante angesteckt habe, werde ich mich mit der selben so schnell nicht mehr anstecken.

Das heißt, der Einsatz von Antikörpertests wäre in Zusammenhang mit dem grünen Pass sinnvoll?

Sinvoll sind nicht Antikörpertests, sondern variantenspezifischen Neutralisationstests. Der Einsatz dieser Tests ermöglicht es, zu überprüfen, ob jemand gegen die aktuell zirkulierenden Varianten geschützt ist oder nicht. Vor allem kann man damit den individuellen Schutz bestimmen. Das Problem ist, dass Geimpfte immer davon ausgehen, dass sie den Erreger nicht mehr bekommen und übertragen können. Dementsprechend halten sie gewisse Vorsichtsmaßnahmen nicht ein. Ob er aber tatsächlich gegen das Angehen der Infektion geschützt ist, und damit seine Umgebung nicht anstecken kann oder ob er nur persönlich vom schweren Verlauf geschützt ist, lässt sich nur mit speziellen Tests feststellen, die keine normalen Antikörpertests sind, sondern eben diese variantenbezogenen Neutralisationstests.

Ab wann kann man mit dem testen aufhören?

Frühestens wenn uns ein vernünftiger Übergang in den Winter gelungen ist, aber spätestens wenn wir eine vernünftige Wintersaison hatten, ist die Sache vom Tisch. Solange uns das nicht gelungen ist, sollte man eine Sicherheitsstrategie fahren, die es uns ermöglicht, ohne gröbere Einschränkungen über die nächsten Monate zu kommen. Das oberste Ziel sollte es sein, ein normales Leben zu haben und weitere Restriktionsmaßnahmen zu vermeiden.

Reichen im Kombination mit dem grünen Pass Nasenflügeltests aus?

Über die Nasenflügeltests wissen wir, dass das Risiko größer ist, falsch negativ getestet zu werden. Hochinfektiöse spreader findet man damit allerdings.

Wie wichtig ist die Sequenzierung von Mutationen?

Die Delta- und die brasilianische Variante, auch die Varianten mit der E484K-Änderung können den Immunschutz durchschlagen. Wie eingangs gesagt, ist die Adaption des Virus am Menschen nicht abgeschlossen. Insofern wird man auch den Impfstoff mit der Zeit anpassen müssen, wenn Geimpfte tatsächlich die Seuchenkette unterbrechen sollen. Das heißt aber nicht, dass uns Corona wie Influenza ewig beschäftigen muss. Irgendwann wird die Adaption abgeschlossen sein und sich Corona sehr wahrscheinlich zu einer „normalen“, relativ konstanten Infektion der Atemwege einpendeln. Bis dahin ist es wichtig, jene Positive zu sequenzieren, wo man feststellt, dass es zu Auffälligkeiten während des Verlaufs gekommen ist.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (41)

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  • steve

    Trotz Impfung kann man also andere auch ansteclen.
    Allerdings haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass die Impfung eine Ansteckung weniger wahrscheinlich macht.
    Um seine Umgebung besser zu schûtzen, muss man sich impfen lassen
    Ungeimpfte sind eine Gefahr!

    • andreas

      Geimpfte können sich genauso anstecken wie Ungeimpfte und wie es aussieht ist die Wahrscheinlichkeit nicht wirklich entscheidend geringer, dafür gibt es zu viele Infizierte die geimpft sind.
      Wobei durch die Sorglosigeit der Geimpften die Wahrscheinlichkeit vielleicht sogar noch höher ist.
      Dies kann aber alles nicht durch Zahlen belegt werden.

      Der Vorteil ist der leichtere Verlauf und dadurch die geringere Belastung des Gesundheitssystems.
      Wenn 20.000 zuhause infiziert sind, ist das egal, wenn 500 im Krankenhaus liegen und davon 50 auf der Intensiv, haben wir ein Problem.

      Mit der Impfung schütze ich fast ausschließlich mich selbst, bzw. trage dazu bei, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, dass ich damit mein Umfeld schütze, ist eher Sozialromantik.

      • steve

        Folgende Publikation zeigt die Virenlast sinkt bei Geimpften und die Virenlast bestimmt die Ansteckungsrste:

        https://www.nature.com/articles/s41591-021-01316-7

        Nature ist ein renomiertes Wissenschaftsmagazin.
        Solltest du ihn nicht verstehn darfst du gern weiter von Sozialromantik träumen.

        • andreas

          Dass die Virenlast geringer ist, bezweifle ich ja nicht, ich gehe aber davon aus, dass die Sorglosigkeit Geimpfter diesen Vorteil wieder kompensiert.
          Den Anteil der Sorglosigkeit, welche durchaus gegeben ist, kann man aber nicht messen.

          • steve

            Ob ihr zwei geimpft seid oder nicht ist mir auch sowas von Wurst….

          • andreas

            @goldie
            Es geht nicht um die „Vorteile“, wüsste bis jetzt nicht welche, weshalb nicht mehr alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden, sondern um die Bequemlichkeit und das Wissen, dass eine Infektion voraussichtlich leicht verläuft bzw. nicht mal bemerkt wird.

            @steve
            Kannst du nicht lesen oder hast du Probleme beim Verstehen?

          • steve

            Ja Andreas das kann stimmen:
            mit Helm und Vorsicht gehts am Besten!

      • hubertt

        andreas, nicht einmal einen milderen Verlauf haben die Geimpften, sondern auffällig häufig einen schlimmen Verlauf. Ungeimpfte haben meist einen milden Verlauf und bei richtiger Behandlung wäre Covid bei niemandem lebensbefährlich.

      • gorgo

        @ Andreas
        Nein, keine Sozialromantik, sind Geimpfte weniger infektiös, ist das das Virus weniger in Umlauf und die Risikogruppe bei denen eher Impfdurchbrüche wahrscheinlich sind, ist somit ein bisschen mehr geschützt. Eigentlich eh logisch.

        • gorgo

          Das Ungeimpfte weniger sorglos sind, konnte ich auch noch nicht beobachten.
          Aber kommt vielleicht noch.

          • andreas

            Ich konnte es beobachten, in meinem Umfeld, keiner will Innen mehr eine Maske aufsetzen und teilweise bei mir selbst, wobei ich die Maske meistens auf habe.

            Auch in einem Laden und einer Bar, wo ich öfters bin, ist die Maske eigentlich kein Thema mehr bzw. stört es niemanden, wenn einer keine Maske auf hat oder die Abstände nicht einhält.

  • andreas

    „Das Problem ist, dass Geimpfte immer davon ausgehen, dass sie den Erreger nicht mehr bekommen und übertragen können.“
    Meint er da seine Landsleute die Österreicher, denn in Südtirol ist es durchaus bekannt, dass es nicht so ist.

    Laut ihm solte man wohl so lange testen bis einer wie er Villa und Porsche bezahlt haben, was bei dem Geld, welches die Südtiroler Sanität z.B. ihm überwiesen hat, wohl recht schnell geht.

    So lange sich nur Geimpfte und Junge, welche selten schwere Verläufe haben anstecken, ist es doch egal, denn dann geht es mit der Herdenimmunität schneller.
    Triff es Impfverweigerer mit schweren Verläufen, können die sich ja an den örtlichen Schamanen wenden oder sich mit Globuli selbst heilen.

  • steve

    Wie wir gestern auf den Fotos der Demo am Waltherplatz gesehen haben, macht Schwurbeln auch hässlich! 😉

  • sigo70

    So ein Interview kann einen Impfskeptiker in seinen Annahmen nur bestätigen und widerspricht der Logik des Green-Pass.

  • alfons61

    Jetzt fehlt nur noch der SCHMARREN vom FALK dann ist das Menu wieder komplett für den kommenden Herbst.
    LÄCHERLICH bald das Ganze hier.

  • alfons61

    yannis@ nichts zu danken habe ich gerne gemacht. Hihihi….

  • george

    Die „Weisen“ in diesem Forum haben wieder einmal zur Genüge ihre „Klugheiten“ versprüht. Sie abzuwägen, wie weise diese sind, bleibt ohnehin wiederum diesen „Weisen“. 😀

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