„Werden Vollgas geben“
Raphaela Folie war als Kind keine begeisterte Volleyballerin – jetzt fährt sie zu den Olympischen Spielen. Wie die 30-Jährige trotz Knieproblemen für Tokio gekämpft hat und welche Chancen die Volley-Damen auf eine Medaille haben.
Tageszeitung: Frau Folie, was erwarten Sie sich von den Olympischen Spielen in Tokio?
Raphaela Folie: Wir haben jetzt wirklich lange auf diese Olympischen Spiele gewartet und es war auch lange unklar, ob sie überhaupt stattfinden werden. Wir sind deswegen in erster Linie glücklich, dass es endlich losgeht und dass wir dabei sein können. Ich denke, wir sind eine gute Mannschaft und wenn wir so spielen, wie wir spielen können, dann könnten wir durchaus eine Medaille nach Hause bringen. Aber die Olympischen Spiele sind immer ein eigenes Event und die Volleyball-Frauen-Nationalmannschaft hat beispielsweise noch nie eine Olympia-Medaille gewonnen, obwohl sie auch in den letzten Jahren schon Teams hatten, die Weltmeisterinnen oder Europameisterinnen waren. Wir werden aber einfach Vollgas geben und hoffen, dass es dann für eine Medaille reicht.
Sie haben bereits vor fünf Jahren für ein Olympia-Ticket gekämpft. Warum hat es damals nicht geklappt und was war heuer anders?
Ich bin damals mit dem Trainer nicht so gut ausgekommen. Er hat wirklich eigenartige Einberufungen gemacht und viele junge Spielerinnen mitgenommen, die noch nie in der Serie A gespielt haben. Zudem war die Stimmung im Team nicht gut und die Resultate in Rio haben gezeigt, dass es einfach nicht gepasst hat – die Damen waren wirklich enttäuscht und haben von einer schrecklichen Erfahrung gesprochen. Seit dem Trainerwechsel spürt man jetzt aber wieder eine komplett andere Stimmung im Team mit einer Struktur und einer klaren Idee.
Bis zuletzt war Ihre Nominierung unsicher, weil Sie mit Knieproblemen zu kämpfen hatten. Wie geht es Ihrem Knie jetzt?
Nach 20 Jahren Volleyball spielen sind meine Knie leider nicht mehr so gut (lacht), aber momentan geht es mir eigentlich recht gut. Ich fahre zwar nicht nach Tokio, um Stammspielerin zu sein, weil ich wirklich wenig mit der Mannschaft trainiert habe, aber ich denke, ich kann sicher meinen Teil beitragen, wenn man mich braucht.
Sie nehmen das erste Mal an Olympischen Spielen teil. Ist das jetzt wie ein Traum, der endlich wahr wird?
(lacht) Sicher. Rio wäre zwar eigentlich meine Zeit gewesen, weil ich einfach noch jünger war und keine körperlichen Probleme hatte – aber wegen des Trainer- und Generationenwechsels damals waren es wirklich keine schönen Jahre in der Nationalmannschaft. Aber jetzt nach diesem Jahr, wo wir auch als Club wirklich alles gewonnen haben, noch nach Tokio zu fahren und vielleicht auch dort eine Medaille zu gewinnen, wäre natürlich die Krönung dieses Traums.
Eine Medaille ist also das Ziel des Teams?
Sagen wir es so: Viele Leute erwarten sich, dass wir heuer eine Medaille gewinnen und ich muss sagen, dass auch wir sehr stark darauf hinarbeiten. Ich denke, wir haben wirklich alle Karten in der Hand, um einen Titel zu holen, aber man kann nicht voraussehen, was in Tokio passieren wird.
Sie haben als Kind mit dem Volleyball spielen begonnen. Wollten Sie schon damals Profi werden?
Eigentlich nicht, mir hat Volleyball nicht einmal besonders gut gefallen (lacht). Ich habe als Kind schon immer gerne Sport gemacht, aber Volleyball war damals eher eine Freizeitbeschäftigung und nichts besonders für mich. Dann ist ein Trainer aus Bozen gekommen und er hat mir gesagt, dass ich körperlich extrem gute Voraussetzungen mitbringe und schon längst in einer besseren Mannschaft spielen müsste. Er hat mir schon damals gesagt, dass ich es noch weit bringen könnte und nachdem ich zwei Wochen mit ihm und der ersten Mannschaft trainiert habe, ist meine Liebe für Volleyball gestartet.
Corona hat auch in der Sportwelt einiges verändert. Wie blicken Sie auf dieses Corona-Jahr 2020 zurück?
Als Serie A konnten wir die gesamte letzte Meisterschaft spielen, ohne Publikum. Aber im letzten Jahr wurde im März auch unsere Meisterschaft unterbrochen und diese Situation war für uns, wie für alle anderen auch, einfach nur ein großer Schock. Niemand wusste so richtig, was hier wirklich passiert, aber ich hoffe wirklich, dass es jetzt besser wird und sich die Leute auch impfen lassen.
Wegen Corona wurden auch die Olympischen Spiele um ein Jahr verschoben. War das gut oder eher schlecht für Sie?
Für mich persönlich war diese Verschiebung nicht besonders gut, weil sich in diesen 6-7 Monaten Pause, in denen ich nicht Volleyball spielen konnte, meine Sehnenentzündung verschlechtert hat, weshalb ich heuer so große Probleme hatte. Andererseits hatten einige junge Spielerinnen mehr Zeit sich vorzubereiten und deswegen denke ich, dass diese Verschiebung für die Mannschaft insgesamt besser war.
Frau Folie, für Ihren Sport haben Sie Südtirol verlassen. Fehlt Ihnen Südtirol manchmal?
Ich habe Südtirol erst gelernt zu schätzen, als ich nicht mehr hier gelebt habe. In Trient war das Leben noch recht ähnlich, aber wenn ich dann die ersten Jahre in Novara gelebt habe, wo ich jeden Tag mit Mücken und Nebel aufgewacht bin, dann war das schon ein großer Unterschied (lacht). Ich versuche deswegen wirklich so oft wie möglich zurück zu kommen und die Zeit in Südtirol zu genießen.
Interview: Lisi Lang
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