„Nicht mehr den ganzen Tag buggeln“
Brigitte Baur Kahn vom Naschthof in Toblach ist die Bäuerin des Jahres. Ihr Hof liegt auf 1660 m Meereshöhe und macht viel Arbeit. Ein Gespräch mit einer, die täglich um 5 aufsteht, um die Stallarbeit zu erledigen und dennoch mit niemandem tauschen würde.
Tageszeitung: Frau Baur Kahn, es ist jetzt kurz nach 5 Uhr. Wann müssen sie in den Stall gehen?
Brigitte Baur Kahn: In einer halben Stunde. Wir gehen meistens so um dreiviertel 6 herum.
Sie und Ihr Mann.
Ja, die Stallarbeit machen wir gemeinsam. Außer im Winter, wenn er bei der Arbeit ist. Er ist gelernter Koch und muss in der Wintersaison am Abend arbeiten. Dann gehe ich allein in den Stall.
Wie viele Kühe haben Sie?
Momentan haben wir 5 Kühe, einige Kalbinnen und Kälbchen.
Wie groß ist der Hof?
Alles zusammengerechnet sind es knapp 40 Hektar, davon sind etwa 6 Hektar Wiesen, der Rest ist Wald und eine Alm.
Bewirtschaften Sie die Alm?
Ja, die Kalben treiben wir im Sommer auf die Alm. Heuer war es leider nicht möglich, weil der Schnee im Winter so viele Bäume umgeworfen hat, dass es gefährlich für die Tiere wäre. Deshalb haben wir sie heuer erstmals und schweren Herzens auf eine andere Alm gegeben.
Der Wald war früher einmal die Sparkasse der Bauern.
Früher schon, aber das ist lange her. Momentan sind die Holzpreise gut, aber bei der Menge an umgestürzten Bäumen und dem steilen Gelände kann man das nicht mehr selbst aufarbeiten.
Helfen Sie auch bei der Waldarbeit mit?
Natürlich. Ich tue das narrisch gern.
Sie könnten problemlos einen Baum umschneiden.
Das Umschneiden überlasse ich meinem Mann, das braucht schon Erfahrung. Aber wenn der Baum einmal liegt, kann ich mithelfen. Entrinden, entasten, schneiden, alles kein Problem.
Die Bäuerin als Holzhackerin – das wird Ihnen kaum jemand nachmachen.
Oh doch. Im Dorf gibt es eine tüchtige Bäuerin, die auch mit ihrem Mann in den Wald geht. Die saust auf die Bäume hinauf wie ein Achakatzl (Eichkätzchen Anm. der Red.). Bäuerinnen, die mit einer Motorsäge umgehen können, gibt es noch mehrere. Ich bin da sicher nicht die Einzige.
Wie schaut der Tag einer Bergbäuerin aus? Wann stehen Sie in der Früh auf?
Im Winter, wenn die Kinder zur Schule müssen, stehe ich um viertel nach 5 auf und erledige die Stallarbeit Danach bringe ich die Tochter zum Zug und später den Buben in die Mittelschule. Wenn das erledigt ist, bereite ich das Frühstück für die Gäste, die bei uns Urlaub auf dem Bauernhof machen. Wir haben vier Zimmer und eine Ferienwohnung und bieten den Gästen Frühstück und Abendessen an.
Was machen Sie lieber: Im Stall arbeiten oder die Gäste bedienen?
Bei mir kommt an erster Stelle die Familie, dann kommen meine Tiere und dann der Gast. In dieser Reihenfolge. Ich bin einfach ein Mensch, der mit den Kühen groß geworden ist.
Ohne den Zuerwerb durch die Gästezimmer könnte der Hof nicht überleben?
Unmöglich, dazu ist der Hof zu klein. Die meisten Bauern haben ein zweites Standbein neben dem Hof, entweder sie vermieten Zimmer oder jemand geht auf eine Arbeit.
Bis 8 Uhr früh haben Sie schon mehr getan als viele den ganzen Tag zu erledigen haben ….
… das ist bei einem Bauern halt so. Es ist aufzustehen, das Vieh hat Hunger.
Wie geht Ihr Tag weiter?
Im Sommer mache ich nach dem Frühstück die Zimmer, dann helfe ich meinem Mann auf dem Feld. Zu Mittag ist zu kochen und danach Heu einzubringen, wenn es trocken ist. Wenn mein Mann für die Gäste kocht, mache ich abends den Stall schon mal allein und dann sind noch die Gäste zu bedienen.
Arbeit von früh bis spät.
Anders geht es nicht. Die Freude am Bäuerin sein muss einem gegeben sein, sonst ist das nichts. Dazu zwingen darf man keinen, soll man auch nicht. Man muss mit dem Vieh genauso gern wie mit den Gästen arbeiten. Wenn man die Gäste nur um des Geldes willen hereinlässt, spüren sie das und fühlen sich auch nicht wohl.
Ihr Hof liegt auf 1660 Meter. Einer der höchsten, oder?
Der höchste gehört meiner Nachbarin, der Bezirksbäuerin, dann kommt schnell einmal unserer.
Sind die Felder zu steil, um Maschinen zu benutzen?
Ebenes Stück gibt es auf unserem Hof kein einziges. Die Felder sind alle steil, aber einige können gut mit Maschinen, also mit Mähtrac und Transporter bearbeitet werden. Ganz früher ist alles mit der Hand gearbeitet worden, später kam eine Mähmaschine, dann Transporter mit Zusatzgeräten und seit doch schon über 20 Jahren erleichtert auch ein Mähtrac die Arbeit.
Die Maschinen muss man sich aber auch leisten können.
Die sind unmöglich teuer. Aber ohne Maschinen ist es rein zeitlich nicht mehr möglich, den Hof zu bewirtschaften. Für das Geld, was ein Mähtrac mit Zusatzgeräten kostet, hat einer im Dorf schon einen schönen Traktor im Stadel stehen. Das Land gibt einen Beitrag, darüber sind wir sehr froh, aber das steht uns auch zu. Wer anderer Meinung ist, soll einmal probieren, einen Bergbauernhof zu bewirtschaften.
Knechte gibt es keine mehr.
Die gibt es nicht mehr, aber der ‘„Verein Freiwillige Arbeitseinsätze in Südtirol“ vermittelt Leute, die freiwillige Arbeit am Bauernhof verrichten. Eine super Sache. Viele kommen aus Deutschland, opfern ihren Urlaub und helfen am Hof mit. Ich lade die Südtiroler ein, das auch einmal zu probieren.
Dann hören sie vielleicht auf, über die Subventionen für die Bauern zu schimpfen.
Ganz genau das wollte ich damit sagen. In einer Woche oder 14 Tagen bekommt man einen kleinen Einblick in unsere Arbeit. Ein Bauernhof ist eine Lebensaufgabe. Gäbe es die Förderungen nicht, allein vom Milchpreis könnten wir nicht leben. Wenn wieder ein Hof verschwindet, tut einem das Herz weh. Es ist traurig, dass wir uns für die Förderungen immer rechtfertigen müssen! Wir sind alle zusammen verantwortlich dafür, dass auch die nächste Generation noch Freude am Bauersein hat.
Die Männer verlieren oft die Lust am Bauersein, weil sie keine Frau finden.
Das kann sein. Auf einem Bergbauernhof muss die Frau auch anpacken, anders geht es nicht. Das ist nicht jeder gegeben, aber ich möchte jeder Frau Mut machen, sich darauf einzulassen .Jede Frau hat Qualitäten und Fähigkeiten, die es auf einem Hof braucht. Es ist nicht mehr so wie früher, dass man den ganzen Tag nur buggeln muss. Wenn man gut organisiert ist, geht sich auch ein Urlaub aus.
Bei Ihnen war es ja umgekehrt. Da hat sich der Bauer darauf einlassen müssen.
Ganz genau, ich habe das große Glück gehabt, einen Mann kennen zu lernen, der bereit war, mit mir da heroben weiterzumachen.
Fahren Sie auch mal in den Urlaub?
Ja, in den zwei Jahren vor Corona sind wir gleich nach der Schule jeweils für zwei Tage weggefahren. Meine Stiefschwester hat in der Zeit die Stallarbeit erledigt.
Stichwort Corona. Vor der Pandemie waren Sie so hoch oben ja sicher.
Ja, zu der Zeit war die Abgeschiedenheit des Hofes ein großer Vorteil. Wir waren nie eingesperrt wie viele anderen, wir konnten draußen arbeiten und Maske hat es keine gebraucht. Da war weit und breit kein Mensch herum.
Woher kommt der Hofname Naschthof?
Ursprünglich erwähnt ist der Hof als Guggenaster. Ich denke, das kommt einfach vom Ausblick, den wir über das Tal haben. Nach den Kriegsjahren war der Name italianisiert als Nasthof, aber als ich den Hof übernommen habe, habe ich ihn wieder auf Naschthof umbenannt. Mein Papa ist immer der Nascherbauer gewesen und so soll es auch weiter sein. Der Hof ist wahrscheinlich an die 300 Jahre alt. Momentan wird ein Buch über die ganzen Höfe in Toblach gemacht. Das wird sicher ein bäriges Buch. Ich freue mich darauf zu erfahren, wer meine Vorfahren waren.
Im Moment reden alle von der Wolfsgefahr. Haben Sie Angst?
Ein gutes Gefühl habe ich nicht. Die ersten Fälle waren ja im Vinschgau und im Land drinnen, wie man bei da heraus so schön sagt. Das war noch weit weg, aber man hat mit den dortigen Bauern mitgelitten. Immer wenn ich höre, dass Schafe so brutal gerissen werden, blutet mir das Herz und fühle mit jedem Bauer mit. Jetzt kommen sie immer näher, zuletzt wurden sie in Villgraten gesehen und von dort zu uns her ist es für den Wolf nur mehr ein Katzensprung. Früher oder später wird er auch hier auftauchen.
Was würden Sie dagegen tun?
Ich muss ehrlich sagen, Südtirol ist kein Gebiet mehr für den Wolf. Schutzzäune und Herdenhunde sind in der Theorie eine Möglichkeit, in der Praxis aber ist das bei unseren kleinstrukturierten Almen nicht möglich. Wenn ich unsere Kälbchen auf der Alm vor dem Wolf schützen muss, wäre es mein finanzieller Ruin. Diesen Aufwand würde mein Hof nicht tragen. Also müsste ich sie im Stall halten und würde dafür angepfiffen, weil das keine artgerechte Haltung ist. Auf den Wiesen um den Hof herum kann ich sie nicht weiden lassen, weil ich diese für das Heu brauche. Ohne Heu muss ich das Futter zukaufen und das kostet wieder. Also dieses Radl geht einfach nicht rund und hat einen anständigen Patschen.
Ein anderes großes Thema in der Landwirtschaft ist die Umstellung auf Bio. Ihr Hof ist wahrscheinlich immer schon Bio gewesen, oder?
Nein, wir sind kein Biohof, wir sind ein zertifizierter Heumilchbetrieb.
Das heißt?
Das heißt, unsere Kühe bekommen nur Heu und eine beschränkte Menge an Kraftfutter. Wir dürfen keinen Silo machen oder zufüttern. Biobetriebe haben höhere Auflagen als wir.
Sie haben sich schon ganz jung für das Leben als Bergbäuerin entschieden.
Ich bin die einzige Tochter von meinem Papa, meine Stiefschwester mütterlicherseits hat ihrerseits einen Bauer geheiratet. Für mich war immer klar, dass ich auf dem Hof bleibe. Das ist meine Heimat, da bleibe ich, da mache ich weiter.
Zwei potentielle Erben sind schon da. Jetzt müssen Sie die nur überzeugen, mit der gleichen Freude wie Sie am Hof zu bleiben.
Überzeugen ist gar nicht notwendig. Beide wollen dableiben, also wir müssen schauen, für beide ein Platzl zu finden. Die wollen beide nicht hinunter ins Tal. Wenn andere Kinder in der Schule erzählen, wo sie im Urlaub wieder gewesen sind, höre ich nie von ihnen, dass sie auch einmal wegwollen. Sie helfen überall mit, sie haben eine Freude an der Arbeit und mit den Tieren.
Sie dürfen jetzt noch einen Wunsch an die Politik äußern.
Von der Politik wünsche ich mir, dass sie voll und ganz hinter uns Bauern steht. Ich verstehe schon, dass Politiker es nicht einfach haben, weil sie es allen recht machen müssten. Landwirtschaft und Tourismus, das hängt in unserem Land zusammen. Die Landwirtschaft gerät ja von vielen Seiten ins Kreuzfeuer, umso mehr braucht es klare Haltungen von Seiten der Politik.
Ist ein Unterlandler Obstbauer für Sie überhaupt ein Bauer?
Ja, natürlich. Jeder Hof ist anders, jeder hat seine Herausforderungen. Wenn es einem Obstbauer die Ernte verhagelt, hat der genauso die Lade (Leid, Anm. der Red.) wie ich, wenn ich ein Tier verliere. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einem Tier und einem Obstbaum, aber jeder Bauer schützt sein Hab und Gut, so gut er kann
Nur, dass der Obstbauer drei Mercedes vor der Tür stehen hat.
Kann sein, aber vielleicht bin ich zufriedener … und das mit den drei Mercedes wird nicht überall so sein.
Interview: Heinrich Schwazer
Zur Person
Brigitte Bauer Kahn wurde vom Landesbäuerinnenrat stellvertretend für die Bäuerinnen des Landes zur „Bäuerin des Jahres 2021“ gewählt. In vorbildlicher Weise bearbeitet sie ihren Bergbauernhof auf 1660 m Meereshöhe. Die Auszeichnung der Südtiroler Bäuerinnenorganisation ist am vergangenen Sonnt beim 40. Landesbäuerinnentag in Bozen zum vierzehnten Mal Dank der Stiftung Südtiroler Sparkasse vergeben worden. Brigitte wuchs mit ihren Eltern und ihrer Stiefschwester am Naschthof auf. Bereits als 15-Jährige war für Brigitte klar, dass sie den Milchwirtschaftsbetrieb übernehmen wird. Heute bewirtschaftet sie den Hof, ihr Mann Reinhard und die beiden Kinder Sara und Simon helfen dabei. Als zweites Standbein bietet sie Urlaub auf dem Bauernhof an. Trotz der Arbeit am Bergbauernhof findet die Bäuerin immer noch Zeit für die Vereine. Sie war bereits bei der Bauernjugend als Ortsleiterin tätig, in der SBO-Ortsgruppe Toblach ist sie nun in der dritten Periode Ortsbäuerinnenratsmitglied, zurzeit Ortsbäuerinnen-Stellvertreterin.
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