„Zu viele Ausnahmen“
Die aktuelle Version der Eurovignette Directive widerspricht den Notwendigkeiten des Klima- und Bevölkerungsschutzes, sagt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz.
Bereits am Montag wurde der derzeit vorliegende Entwurf der Wegekostenrichtlinie (Eurovignette Directive) vom Verkehrs- und Tourismusausschuss des EU-Parlaments mit 28 zu 21 Stimmen angenommen.
Diese Fassung wird nun dem EU-Rat zur Genehmigung vorgelegt. Anschließend muss die Richtlinie im Plenum des EU-Parlaments genehmigt werden.
„Diese erste Abstimmung im Verkehrsausschuss darf jedoch nicht das Ende der Diskussion sein, verletzt der aktuelle Stand doch verschiedene europäische Anliegen und Verträge. Generell sind zu viele Ausnahmen und Aufweichungen in der aktuellen Fassung, teilweise ohne entsprechende Fristen, und können damit oft nicht rechtzeitig klimawirksam werden“, schreibt Klauspeter Dissinger, der Vorsitzende das Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz in einer Aussendung.
Die Novellierung der Wegekostenrichtlinie biete grundsätzlich die Chance, den Verkehr in Europa klimaverträglicher und umweltschonender zu gestalten. So könnte mit einer entsprechend ausgestalteten Richtlinie die massive Transitbelastung entlang der Brennerachse deutlich reduziert werden.
Daher setzte der Dachverband für Natur- und Umweltschutz entsprechende Erwartungen in die Überarbeitung dieser Richtlinie.
Die seit Oktober 2018 vorliegende Fassung des EU-Parlamentes setzte dabei wichtige Wegmarken. „Allerdings waren darin die Anliegen der AlpenbewohnerInnen und des Schutzes der alpinen Bergwelt nur marginal berücksichtigt, was wir seither im Verbund der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA mehrmals gegenüber den Umwelt- und Verkehrsministerien der Alpenstaaten anmerkten. Es sind die gleichen Anliegen, die auch die Bevölkerung in den großen europäischen Agglomerationsräumen seit Jahrzehnten umtreibt: saubere Luft und weniger Lärm“, so der Dachverband.
Fern von der ursprünglichen Stoßrichtung
Doch die nationalen Verkehrsministerien verfolgten leider in einem fortwährenden Unterbietungswettbewerb seit Ende 2019 offensichtlich zwei Ziele:
Einerseits, so der Dachverband weiter, wollen sie nur noch den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. „Die nun vorliegende Fassung strotzt folglich vor verwässerten Formulierungen ohne Verbindlichkeit und vor expliziten Ausnahmebestimmungen für eine Großzahl der Länder. Die Regulierung entfaltet keine Wirkung mehr bei jenen Ländern, die zeitlich bemessene Vignetten ausgeben bzw. konzessionierte Autobahnen betreiben. Diese Länder können sich sogar um die Umsetzung drücken. Das verzerrt den Wettbewerb untragbar und verunmöglicht jeglichen gesundheits-, klima- und umweltpolitischen Fortschritt innerhalb einer sinnvollen Frist.“
Andererseits hätten die Verkehrsministerien die Wegekostenrichtlinie einseitig auf die Bevorzugung von batterie- und wasserstoffgetriebenen LKWs fokussiert.
Diese Bestimmungen verhindere jedoch die weiterhin nötige, angemessene Abgeltung von Lärm- und Feinstaubbelastung, wie auch die dringend gebotene Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, so der Dachverband. „Die bereits getätigten wie auch anstehende Investitionen in neue, schienengebundene Güterstrecken (wie z.B. beim Brenner-Basistunnel) drohen unrentable Fehlinvestitionen zu werden. Der ökonomische Druck zur Wahl des sinnvollsten Verkehrsmittels, der Bahn, entfällt. Vielmehr entsteht so die Gefahr, dass der LKW-Transit weiter gefördert wird“, heißt es in der Aussendung.
Plädoyer an die verantwortliche Politik
Die CIPRA erkennt im aktuellen Stand der Wegekostenrichtlinie mehrere schwerwiegende Fehlanreize.
Mit der aktuellen Version der Eurovignette Directive werde die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene grundsätzlich untergraben.
Der Dachverband in seiner Aussendung abschließend:
„Die Alpenstaaten haben sich jedoch mit der Europäischen Union durch die gemeinsame Ratifizierung des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention verpflichtet, den Güterverkehr weg von der Straße auf die Schiene zu bringen.
Mehr noch: Es gilt gemäß Alpenkonvention das Verursacherprinzip durchzusetzen sowie marktkonforme Anreize und geeignete Infrastrukturen zu schaffen. Die Vertragsparteien verpflichten sich zudem zur Wahrung des Vorsorge- und Vermeidungsprinzips, was auch im Sinne des Europäischen Grünen Deals ist. Dessen erklärtes Ziel ist, ,Wachstum von der Ressourcennutzung abzukoppeln und niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich zu lassen‘.
Die gefahrenen Straßenkilometer sollten in der Folge grundsätzlich abnehmen. Das wird mit der aktuell vorliegenden Version der Eurovignette Directive aber nicht verwirklicht, im Gegenteil.
Ziel muss sein, die bereits mehrfach vereinbarten, rechtlich gültigen, übergeordneten Ziele des Klima-, Biodiversitäts- und Umweltschutzes zu erreichen und vorhandene Vereinbarungen einzuhalten. Und dafür sollen sich unsere politischen Vertreter auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene einsetzen.“
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Kommentare (1)
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treter
In dieser Presseaussendung spricht der Dachverband für Natur und Umweltschutz im letzten Absatz davon, dass sich die politischen Vertreter für die Ziele des Klima- Biodiversitäts- und Umweltschutzes einsetzen sollen….
Und ich wünsche mir, dass sich dieser Verband endlich einmal klipp und klar für den Schutz des bedrohten Brixner Auwaldes ausspricht, anstatt sich mit sehr fragwürdigen Ausgleichsmassnahmen bzw. die Erweiterung der Millander Au in eine ehemalige Mülldeponie abspeisen zu lassen!