„Jedes Hundertstel zählt“
Sie hat gerade ihr Medizinstudium abgeschlossen und fährt jetzt nach Tokio: Die 25-jährige Leichtathletin Petra Nardelli wird in der 400 Meter Staffel an den Start gehen.
Tageszeitung: Frau Nardelli, wie groß war die Freude als Sie erfahren haben, dass Sie nach Tokio fahren werden?
Petra Nardelli: Für mich ist wirklich ein Traum wahr geworden – ich war einfach nur überglücklich und sehr stolz. Ich freue mich dabei sein zu können, weil Olympia einfach schon immer mein größtes sportliches Ziel war und ich wirklich jeden Tag hart dafür gearbeitet habe.
Sie haben mit dem Nationalteam bei der WM die Qualifikation für Olympia geschafft. Haben Sie bereits damals damit gerechnet, dass Sie nominiert werden?
Ich habe heuer bei der WM und bei der Team-EM meine ersten Erfahrungen im Nationalteam gesammelt und konnte bei allen drei Staffeln die zweitschnellste Einzelzeit laufen. Ich habe einen guten Eindruck hinterlassen und wusste auch, dass ich gut drauf bin. Deswegen habe ich wirklich sehr gehofft, dass ich auch mit nach Tokio fahren kann.
Während andere Athleten alleine um eine Medaille kämpfen, werden Sie im Team in der 4 x 400 Meter Staffel an den Start gehen. Was bedeutet das für Sie?
Obwohl Leichtathletik eine Einzelsportart ist, ist die Staffel eine der schönsten Disziplinen, weil man zusammen um ein Ziel kämpft – jedes Hundertstel zählt und man trägt auch die Verantwortung für die anderen schnell zu rennen. Man strengt sich deswegen noch ein bisschen mehr an, weil man das große Gemeinsame im Blick hat. Und wenn man dann gemeinsam etwas erreicht, so wie die Olympia-Qualifikation bei der WM, ist das einfach nur ein unbeschreiblicher Moment – so eine Freude habe ich in einem Einzelrennen nie erlebt.
Weil man sich gemeinsam freuen kann?
Genau. Jeder macht seine 400 Meter und übergibt den Staffelstab so schnell wie möglich an den nächsten. Man sieht aber schon die letzten hundert Meter vor der Übergabe die Person vor sich, die einen anfeuert und dann versucht man einfach noch einmal schneller zu laufen.
Aber ist der Druck in der Staffel nicht auch größer, weil sich die eigene Leistung auf ein ganzes Team auswirkt?
Man gewinnt zusammen und verliert zusammen. Wenn man sein Bestes gibt und am Ende nicht schneller laufen konnte, dann kann man sich auch nichts vorwerfen.
Im Mai sind Sie das erste Mal für das Nationalteam gestartet, jetzt geht es direkt weiter zu Olympia. Haben Sie überhaupt schon so richtig realisiert, was Sie da geschafft haben?
So langsam (lacht). Es kommt sicher noch einiges auf uns zu, aber wer dann bei welchen Rennen an den Start gehen wird, werden wir erst in Tokio erfahren.
Sie fahren zum ersten Mal zu Olympischen Spielen. Was erwarten Sie sich?
Ich freue mich auf diese spannende Reise und die Vorfreude steigt wirklich von Tag zu Tag. Die Olympischen Sommerspiele werden aufgrund der Covid-19-Pandemie anders ablaufen als normal, weil die Gesundheit aller an erster Stelle steht – was absolut richtig ist. Es wird sicher viele Einschränkungen geben und es gibt z.B. auch kein richtiges Olympia-Dorf oder ein italienisches Haus. Aber trotz aller Unsicherheiten wegen Covid-19 bin ich einfach nur froh, dabei sein zu dürfen.
Sie kommen aus einer sportlichen Familie, sind die Cousine von Ex-Skirennläufer Florian Eisath. Wollten Sie schon als Kind Leichtathletin werden?
Nein (lacht). Ich hatte das Glück in meiner Kindheit verschiedene Sportarten ausüben zu können. Meine Hautsportart bis ich 17-18 Jahre alt war, war aber eigentlich Ski Alpin. Ich habe aber schon immer viel Sport betrieben, war als Kind dreimal pro Woche im Ski-, einmal pro Woche beim Fußball- und einmal beim Schwimmtraining. Und durch diese vielseitige sportliche Förderung habe ich glaube ich die Basis für meine jetzige sportliche Karriere gelegt.
Also sind Sie erst später zur Leichtathletik gekommen?
Mit der Leichtathletik habe ich eigentlich zufällig begonnen, weil ich bei den Schullandesmeisterschaften im Querfeldeinlauf Vize-Landesmeisterin wurde. Ich wurde dort von meinem jetzigen Trainer Hans Pircher entdeckt und habe dann im Sommer begonnen auf der Leichtathletikanlage zu trainieren, während ich im Winter weiter Skirennen gefahren bin. Mit 18 habe ich mich dann für die Leichtathletik entschieden, weil ich auch mit dem Medizinstudium in Innsbruck begonnen habe. Und jetzt bin ich froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe (lacht).
Wie bringen Sie Studium und Sport unter einen Hut?
Ich habe kürzlich mein Medizin-Studium abgeschlossen und bin jetzt sehr froh, dass ich dieses Ziel in meinem Leben erreicht habe. Vor allem in den ersten Jahren war es aber nicht ganz einfach, Training und Studium unter einen Hut zu bringen, weil man sich erst an alles gewöhnen musste. Aber ich konnte mir meine Zeit nach und nach besser einteilen und dann hat es recht gut geklappt. Jetzt kann ich mich auf die Olympischen Spiele konzentrieren und danach werde ich entscheiden, wie ich weitermache.
Frau Nardelli, laufen Sie mit der Staffel zu einer Olympia-Medaille?
Ich glaube, es ist alles möglich und wir haben eine Chance, ins Finale zu kommen. Die Mädels sind wirklich sehr stark und die Frauen haben bei sportlichen Großereignissen auch immer gute Ergebnisse erzielt. Es muss natürlich alles aufgehen, aber ich glaube, dass wir sehr hohe Chancen haben ins Finale zu kommen.
Interview: Lisi Lang
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