Die Geschröpften
Südtirol benötigt dringend Arbeitskräfte und Touristen aus dem Nicht-EU-Ausland: Doch Personen, die mit Sputnik geimpft sind, müssen mit erschwerten Einreisebedingungen und strengen Corona-Bestimmungen rechnen.
Von Matthias Kofler
Für Ulli Mair ist es ein Beleg dafür, dass das ganze Konzept „noch nicht ausgeklügelt“ sei.
Mittels einer Landtagsanfrage wollte die Freiheitliche in Erfahrung bringen, welche Vorschriften für Personen gelten, die sich nicht hier in Italien, sondern im Ausland gegen das Coronavirus immunisiert haben.
Der Hintergrund: Zahlreiche italienische StaatsbürgerInnen ließen sich in den vergangenen Monaten kostenlos in Serbien oder in kleineren Balkanstaaten impfen, unter anderem auch mit dem chinesischen Impfstoff Sinopharm und dem russischen Sputnik V. Diese beiden Impfstoffe sind innerhalb der Europäischen Union jedoch noch nicht anerkannt. Nicht nur diese Gruppe, sondern auch Touristen aus dem Nicht-EU-Ausland und aus San Marino müssen nach ihrer Einreise nach Italien mit erschwerten Bedingungen rechnen, weil sie zu einem überwiegenden Teil mit nicht anerkannten Impfstoffen immunisiert wurden. Selbiges Problem erwartet auch die Saisonkräfte aus Ungarn und aus der Slowakei, in denen zu einem großen Teil der russische Impfstoff Sputnik V verabreicht wird.
Was passiert also mit Saisonarbeitern und Touristen, die mit Impfstoffen geimpft wurden, die in der EU nicht anerkannt sind? Müssen sie – auch nach der Einführung des europäischen Grünen Passes – bei ihrer Einreise nach Italien weiterhin einen negativen PCR-Test vorweisen und sich anschließend in Quarantäne begeben?
Die Antwort von Sanitätslandesrat Thomas Widmann hierzu fällt dürftig aus. Er betont zwar, dass beim angestrebten europäischen Grünen Pass „nur die Impfungen mit den in der EU zugelassenen Impfstoffen bestätigt“ werden. Widmann kann jedoch weder die Zahl der Südtiroler einschätzen, die sich mit anderen Impfstoffen immunisiert haben, noch kann er sagen, wie die Einreise für entsprechend immunisierte Personen aus dem Ausland vonstatten gehen soll. „Dazu haben wir keine Informationen. Der Zeitpunkt, ab dem mit der Zulassung von Sputnik V und von anderen Impfstoffen zu rechnen ist, hängt von der EMA ab, die für die Zulassung der Impfstoffe in Europa zuständig ist“, teilt der Sanitätslandesrat lapidar mit. Landeshauptmann Arno Kompatscher ließ eine Anfrage der TAGESZEITUNG zur Problematik unbeantwortet.
Dabei wäre Südtirols Arbeitsmarkt, insbesondere in der Gastronomie, dringend auf ausländische Kräfte angewiesen. Auch der Tourismus kann nicht ausschließlich auf die Wiedereröffnung der Binnengrenzen in der EU setzen, sondern benötigt genauso den Tourismus aus dem asiatischen Raum. Der italienische Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri stellte daher vor einigen Tagen klar, dass sich die Regierung in Rom um eine rasche Anerkennung von Sputnik V bemühe.
Was den derzeitigen Mangel an Arbeitskräften in der Gastronomie und in der Hotellerie betrifft, muss das Land erst eine Analyse der gesammelten Daten vornehmen. Der für den Bereich Arbeit zuständige Landesrat Philipp Achammer bestreitet nicht, dass es hier gewisse „Schwierigkeiten“ gebe. „Wir rechnen aber nicht mit einer Massenabwanderung in andere Wirtschaftsbereiche, sondern gehen davon aus, dass sich das Ganze mit der Zeit wieder einpendeln wird. Die Umschulung dieser Arbeitskräfte ist nicht so einfach“, erklärt Achammer. Eine der Ursachen für das Fehlen von Kellnern, Köchen und Zimmermädchen ortet die Landesregierung bei der raschen Lockerung der Corona-Vorschriften. Die Betriebe hätten sich beim Beginn der Sommersaison schwer getan, genügend qualifiziertes Personal aufzutreiben. „Wir halten aber an der bisherigen Marschrichtung fest, das Kontingent für saisonale Nicht-EU-Kräfte vorerst zu reduzieren, um heimischen Arbeitskräften den Vortritt zu geben“, betont der Wirtschaftslandesrat. In der jüngsten Sitzung der Landesarbeitskommission wurde diese Strategie vom HGV mit einer Enthaltung goutiert. Auch die Vertreter des Bauernbundes äußerten Kritik.
Ein weiteres Problem, das sich auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt zunehmend bemerkbar macht, betrifft das Arbeitslosengeld: Dieses wurde von der Regierung in Rom kürzlich bis Ende August verlängert. Auch wenn Landesrat Philipp Achammer den prozentualen Anteil dieser Gruppe als eher gering einschätzt: „Es gibt durchaus auch Saisonkräfte, die sich mit den Abfederungsmaßnahmen begnügen und die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit lieber in ihrer Heimat verbringen, als nach Südtirol zurückzukehren – vor allem dann, wenn diese Personen hier in Südtirol keine Verpflichtungen, etwa das Abbezahlen einer Wohnung, haben“, so Achammer.
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Kommentare (7)
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andreas
Gibt es in Südtirol eigentlich nur Bauern und Hoteliere?
Regnet es etwas mehr, jammern die armen Bauern ohne Hagelschutznetze, sind die Äpfel zu klauben, jammern sie über die Einreisbedingungen der billigen Helfer und der Steuerzahler zahlt die Tests.
Gibt es Probleme mit ausländischen Kennzeichen, jammern die Hoteliere wegen ihren Angestellten, ist ein Impfstoff nicht zugelassen, sollten das Land sofort eine Ausnahmeregelung beschließen, usw.
Die Russen selbst meiden Sputnik V, warum auch immer, warum sollte es also in der EU akzeptiert werden?
Die EU hat bei Zulassungen in vielen Bereichen die strengsten Regelungen weltweit und wer mit/in der EU arbeiten will, soll sich gefälligst an diese halten.