Reden wir über Liebe
Diane Schumacher ist die neue Ehefrau von Reinhold Messner. Wer ist die Luxemburgerin, die sich für eine alte Seele hält, sich vom Buddhismus angesprochen fühlt, Abstand von Politik hält, keine Romane liest und gerne Kleopatra in Eselsmilch badend wäre.
Tageszeitung: Frau Schumacher, reden wir über Liebe.
Diane Schumacher: Gerne.
Zwischen Ihnen und Reinhold Messner soll es nicht Liebe auf den allerersten Blick gewesen sein. Wie viele Blicke hat es gebraucht, bis es gefunkt hat?
Liebe auf den ersten Blick ist bei dem Bekanntheitsgrad von Reinhold Messner schwer möglich. Viele Blicke hat es aber nicht gebraucht. Sagen wir, es war Liebe auf den zweiten Blick. Er ist durch seine Art und Ausstrahlung anziehend.
Waren Sie schon einmal wie vom Blitz getroffen? Glauben Sie an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick oder ist Ihnen das zu kitschig, zu romantisch?
Diese Vorstellung ist mir zu unrealistisch. Ich glaube an eine Energie, die von Anfang an existiert. Ich spürte beim ersten Blickkontakt, beim ersten Gespräch, dass eine Verbundenheit da ist. Ja, so war das bei uns.
Der Blitz hat in Bruneck eingeschlagen.
Ja.
Reinhold Messner ist nicht irgendjemand. Was wussten Sie von ihm, bevor Sie ihm begegnet sind?
Ich habe 2016 in Trier ein Vortragsplakat mit ihm gesehen. Mein Gedanke war: Der lebt noch? Ich wusste das damals wirklich nicht, weil ich ihn lange medial nicht wahrgenommen habe. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich das erste Mal seinen Namen gehört habe. Damals war ich neun Jahre alt und im Fernsehen kam eine Reportage über den Biogasthof, den Reinhold führt. Ich fand die Landschaft damals wunderschön und dann kam Reinhold ins Bild und ich habe meinen Papa gefragt: Wer ist das? Er hat gesagt, Diane, das ist der Yeti. Das werde ich nie vergessen.
Haben Sie seine Bücher gelesen?
Das kam später, als ich anfing, selbst in die Berge zu gehen. Ich war viel allein unterwegs, vor allem in der Schweiz, habe mich mit Alpinismus befasst, Bücher gelesen, 2016 dann einen Vortrag von Reinhold besucht und war begeistert. Natürlich kann ich bei seinem Wissen über Alpinismus nicht mithalten, wir beide hatten aber gleich ein gemeinsames Gesprächsthema.
Sind Sie Bergsteigerin oder Bergwanderin?
Beides, aber klassisch klettern kann ich nicht. Im letzten Jahr haben wir einige Berge in den Dolomiten zusammen bestiegen. Ich habe mir gewünscht, dass er mit mir auf seinen ersten Dreitausender, den Sass Rigais, steigt. In Äthiopien haben wir den höchsten Berg bestiegen …
Sie gehen voraus, nehme ich an.
Nein, ich kann ihn nicht abhängen. Noch nicht ! In Nepal habe ich es mal versucht. Wir sind drei Stunden um die Wette gelaufen und sind gleichzeitig angekommen. Ich hab´s wirklich nicht geschafft.
Niemand wollte nachgeben?
Nein, da sind wir beide sehr, sehr stur.
Sie haben ihn kennengelernt, sie haben sich verliebt, sie werden ihn heiraten und stehen plötzlich im Licht der Öffentlichkeit. Wie gehen Sie damit um, macht Ihnen das was aus?
Reinhold geht souverän mit den Medien um, für mich ist es komplett neu, macht mir aber nichts aus. Während der Pandemie waren wir verständlicherweise wenig in der Öffentlichkeit, dementsprechend lebten wir sehr zurückgezogen. Dass die Hochzeit bekannt wurde, war nicht geplant auch wenn einige das denken. Verständlicherweise besteht Interesse an Reinholds Leben, seinen Erfahrungen und wie er wohl wirklich tickt. Reinhold ist authentisch. Privat äußert er sich eher selten. Ich habe kein Problem, von uns zu erzählen und es gehört wohl auch zum öffentlichen Leben dazu. Er lebt davon und …
Sie müssen es mitleben.
Richtig. Ich unterstütze ihn gerne dabei.
Reinhold war Single, als sie sich auf Schloss Bruneck begegneten, Sie waren noch verheiratet.
Ich war noch in einer Ehe, ja. Ich habe sehr jung, im Alter von 20 Jahren geheiratet und war 20 Jahre verheiratet. Mit dem Kennenlernen von Reinhold hat sich das gelöst. Meine Ehe war eingeschlafen, sonst wäre ich mit Reinhold keine Verbindung eingegangen.
Für Reinhold ist es die dritte Ehe, für Sie die zweite. Was macht Sie so sicher, dass es diesmal klappen wird?
Weil wir beide das wollen. Normalerweise ist es ja so, dass am Anfang einer Liebe alles rosig ist , dann kommt der Alltag, die schwierigen Zeiten. Bei uns ist es umgekehrt. Der Anfang war recht holperig, wir beide haben unsere Geschichte. Ich habe einen Sohn, eine Familie, Reinhold seine, wir mussten erst mal herausfinden, wie das gehen soll. Nach knapp drei Jahren kann ich sagen, dass unsere Verbundenheit in der Beziehung stetig wächst.
Die Quarantäne haben sie zusammen in München durchlebt. 24 Stunden in einer Wohnung, das muss man aushalten.
Mit Reinhold lässt es sich gut aushalten. Wenn er liest- und er liest sehr viel – kann ich mich meinen Aufgaben widmen. Wir lassen uns gegenseitig genug Freiraum für unsere eigenen Träume. Essen tun wir jedoch immer zusammen. Das ist uns wichtig.
Sie kochen.
Ja. Das war es auch, was er mich bei unserem ersten gemeinsamen Abendessen gefragt hat: „Übrigens, kannst du kochen?“ Ich war schockiert und erstaunt über diese Direktheit, konnte es zuerst gar nicht fassen, dass er mir diese Frage stellt. Er ist halt ein Praktiker.
Hat er nicht gefragt: Kannst du Knödel kochen?
Nein, hat er nicht.
Reinhold hält Ihnen vor, dass Sie Ihren Hund mehr lieben als ihn. Ein Scherz unter Liebenden?
Ja, meinen Hund liebe ich wirklich.
Was sagt Ihnen das Sprichwort „Liebe macht blind“?
Das kann ich für mich selbst nicht bestätigen. Im Gegenteil, Liebe macht aufmerksam und bewusst.
In einem Gespräch mit der Tageschau haben Sie Reinholds Bescheidenheit hervorgehoben. Erklären Sie uns das.
Reinhold ist ein großzügiger Mensch, der gerne schenkt, sich selbst aber wenig gönnt. Er ist bescheiden aufgewachsen, hat sich diesen Wert beibehalten. Er ist kein „Konsument“, entscheidet aber ganz bewusst, in was er investiert. Er trägt immer noch seine Missoni-Hemden und Pullover aus den 1970er Jahren. Selbst beim Essen wird selten etwas weggeworfen. Wir achten darauf, nur so viel zu kochen, wie wir essen. Vielleicht wirkt das Leben auf Schloss Juval auf die Leute als dekadent, nein es ist mühevoll. Reinhold aber kümmert sich um seinen Besitz und übernimmt Verantwortung.
Älterer Mann, eine um 36 Jahre jüngere Frau – bei Psychologen steht bei so einer Konstellation gleich die Diagnose „Vaterkomplex“ im Raum. Haben Sie sich dergleichen schon anhören müssen?
Einmal habe ich mir so einen Kommentar anhören müssen, aber ich kann sie beruhigen: Ich habe definitiv keinen Vaterkomplex. Ich glaube hingegen, dass ich eine alte Seele bin.
Was bedeutet das?
Ich war nie, auch in meiner Jugend nicht, der Typ, der in die Disko gegangen ist und wilde Partys gefeiert hat. Ich war eher naturverbunden und abenteuerlustig aber auch nachdenklich. Reinhold ist im Kopf sehr jung geblieben und man darf nicht vergessen, das Alter ist nur eine Zahl sowie die Zeit nur eine Illusion ist. Im Kopf ist er wesentlich jünger als physisch, der Körper ja nur unsere biologische Hülle. Für mich sind wir beide einfach alterslos.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, warum Sie sich als alte Seele empfinden?
Ich nehme mich offensichtlich anders wahr im Vergleich mit Frauen in meinem Alter. Meine Schwester Marianne zum Beispiel ist drei Jahre älter als ich, aber von ihrem Wesen her erscheint sie wesentlich jünger.
Eine alte und eine junge Seele finden sich und sind zusammen alterslos.
Genau. So kann man es ausdrücken.
Wohin soll die Hochzeitsreise führen?
Es wird keine geben. Wir reisen ja beide eh schon viel. Stattdessen werden wir eine Dolomitentour machen.
Was sind Sie von Beruf?
Ich habe bei der Luxemburger Post eine Ausbildung in Telekommunikation und IT gemacht und Großkunden betreut. Ein rein technischer Beruf, der nach zehn Jahren aufgrund der technischen Entwicklung nicht mehr zu mir gepasst hat. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, bin am liebsten kreativ. Das Technische an meinem Beruf hat mich einfach nicht mehr interessiert.
Jetzt werden Sie Schlossherrin auf Juval. Aber nicht nur, nehme ich an.
Reinhold und ich haben vor einem Jahr zusammen das Startup Unternehmen „Messner Mountain Heritage“ gegründet, mit dem ich endlich das ausleben kann, was ich gerne mache: Kreativ sein und mit Menschen zusammenarbeiten. Die „Heritage“ kümmert sich darum, dass das Narrativ des Alpinismus weitererzählt wird, dass zum Beispiel erklärt wird, was der Unterschied zwischen Klettern, Sportklettern und Alpinismus ist. Selbstverständlich ist auch die Philosophie des Kletterns ein Thema. Die „Heritage „versucht mit Film, Erzählungen und Referaten von Reinhold auf einer Welttournee – seine letzte – die Haltung des traditionellen Alpinismus weiterzugeben. Es gibt so großartige Geschichten im Alpinismus, die noch nicht erzählt sind. Gleichzeitig unterstützt die Heritage Museen. Derzeit wird von uns gerade ein Sherpa Museum in Nepal fertiggestellt. Also können wir beide uns in die „Heritage“ einbringen.
Stichwort Philosophie des Berges. Reinhold Messner hat darüber viel geschrieben. Wie lautet denn Ihre Philosophie des Berges?
In den Bergen fühle ich mich frei und beschützt zugleich. Allein bei einer Wanderung im Gebirge kann ich Kraft und Energie schöpfen. Berge sind immer anders; der Sonnenuntergang ,das Licht…. Dieser ständige Wandel des Moments macht mich demütig. Man wird sich in dieser Weite seiner eigenen Bedeutungslosigkeit bewusst.
Höre ich da eine gewisse asiatische, buddhistische Haltung heraus?
Ja. Vom Hinduismus und Buddhismus fühle ich mich angesprochen. Schon bevor ich Reinhold kennengelernt habe ,war ich öfters in Asien unterwegs. Die Haltung des Buddhismus verkörpert für mich eine achtsame, beruhigende und friedliche Einstellung zur Welt und zum Leben. Im Hier und Jetzt zu leben und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft, das strebe ich an.
Also glauben Sie auch an die Wiedergeburt.
Ja, schon. Nicht als irdischer Mensch, sondern als Seele.
Kommen wir zu weltlicheren Themen. Sind Sie ein politischer Mensch?
Von der Politik halte ich genau so viel Abstand, dass ich nicht erfriere und nicht verbrenne. Reinhold ist politisch engagiert und wir diskutieren bei Tisch auch darüber – nein, er doziert mit mir – aber ich bin dabei nicht wirklich begeisterungsfähig.
Engagieren Sie sich für etwas, eine Bewegung, Umweltschutz oder etwas anderes?
Nein. Dazu fehlt mir die Zeit. Ich beobachte Bewegungen eher skeptisch. Den Anfang einer Veränderung mache ich doch immer bei mir selbst. Die Frage, die ich mir stellen sollte wenn ich mich engagiere ist: Tue ich das für mich selbst ? Für mein Ansehen in der Gesellschaft, mein Image? oder auf dass ich mich selbst gut fühle? Vielleicht aus Überzeugung, wirklich helfen zu können? Ich lebe Werte lieber vor, als dass ich jemandem sage, wie er zu leben hat.
Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?
Nein. Ich weiß, wer ich bin, vor allem wer ich als Frau bin. Ich will mich als gar nichts ausweisen müssen, ich mag all diese Betitelungen nicht.
Welche Bücher liest Diane Schumacher?
Ich lese keine Romane, ich habe noch nie einen gelesen. Mich interessieren eher spirituelle Bücher, zum Beispiel über den Buddhisten Thich Nhat Hanh, Kurt Tepperwein oder die Selbstbetrachtungen von Marc Aurel. Das ist eines meiner Lieblingsbücher. Ich kaufe nicht viele Bücher, aber die, die ich habe, lese ich immer wieder. Fast wie Mantras. Das hilft mir in gewissen Lebenssituationen.
Kennen Sie den Fragebogen von Marcel Proust? Darf ich Ihnen einige Fragen daraus stellen?
Ja gerne.
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Zu lieben.
Was ist das größte Unglück?
Neid.
Welche Fehler entschuldigen sie am ehesten?
Eine Notlüge.
Ihr größter Fehler?
Es gibt keine Fehler. Nur Erfahrungen und Lektionen, die mich wachsen lassen.
Ihr Motto?
Genieße den Augenblick.
Ihre Heldinnen und Helden?
Die Schriftstellerin Alexandra David Neel und Jack London. Seine unglaublich ehrliche Biographie „König Alkohol“ hat mich fasziniert.
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Kleopatra. (in Eselsmilch badend ; ))
Ihr Hauptcharakterzug?
Ich kann geben.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst.
Wie möchten Sie sterben?
Schlafend.
Interview: Heinrich Schwazer
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