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Die „falsche“ Frau


Ist es aus feministischer Sicht vertretbar, die einzige zur Wahl stehende Frau nicht zu unterstützen, weil man/frau ihre politischen Einstellungen nicht teilt? Ein Erklärungsversuch.

Von Matthias Kofler

Lega-Landesrat Massimo Bessone fährt schweres Geschütz gegen die Grünen-Politikerin Brigitte Foppa auf: „Ihr Verhalten verwundert mich und tut mir für die Frauen leid. Ausgerechnet die Kollegin Foppa, die sich immer damit gerühmt hat, Verfechterin der Frauenrechte zu sein, hat die einzige zur Wahl stehende Frau nicht unterstützt. Sie hat eigene politische Interessen den Fähigkeiten und der Professionalität der Frau vorgezogen, nur weil diese eine andere politische Meinung vertritt“, giftet Bessone.

Die Wahl Rita Matteis zur neuen Landtagspräsidentin sorgt auch Tage danach weiterhin für hitzige Diskussionen – und bringt die FeministInnen im Hohen Haus in Erklärungsnot. Die brennende Frage lautet: Ist es aus frauenrechtlicher Sicht denn vertretbar, die einzige zur Wahl stehende Frau nicht zu unterstützen und seine Stimme „in der Not“ lieber einem Mann zu geben, weil man/frau die politischen Einstellung der Kandidatin nicht teilt?

Die Freiheitliche Ulli Mair sieht in dem Verhalten, das Brigitte Foppa, Maria Elisabeth Rieder und Co. bei der Wahl der neuen Präsidentin an den Tag gelegt haben, einen eklatanten Widerspruch: „Die Opposition, die hauptsächlich aus Linken besteht, macht immer einen großen Zauber, wenn in anderen Gremien keine Frauen gewählt werden. Sie reagiert dann hysterisch und verlangt Rücktritte. Wenn aber die ,falsche‘ Frau antritt, dann ist es egal, wenn der ,richtige‘ Mann der Frau den Platz streitig macht. Das hat für mich einen faden Beigeschmack.“ Aus diesem Grund hat sich Ulli Mair bei der Wahl der Präsidentin enthalten – und eben nicht den oppositionellen Gegenkandidaten Sandro Repetto (PD) unterstützt.

Brigitte Foppa rechtfertigte ihre Entscheidung, einen Mann der einzigen Frau vorzuziehen, mit „unsensiblen“ Äußerungen, welche die Lega-Politikerin in ihrer Zeit als Vizepräsidentin getätigt hatte. Sie erinnerte an eine Veranstaltung der Eurac-Sommer-School, bei der Mattei den Landtag vertreten hatte. Auf eine Frage der Studierenden zur Situation von Flüchtlingen in Südtirol hatte die streitbare Lega-Abgeordnete damals geantwortet: „Bei uns gibt es Flüchtlinge, die alles bekommen, während die Einheimischen nicht über die Runden kommen.“ Für Brigitte Foppa hat Rita Mattei mit dieser (Lega-typischen) Aussage eindeutig die Grenze des Sagbaren überschritten: „Ihr muss klar sein, dass sie den gesamten Landtag und seine Wählerschaft vertritt, auch diejenigen, die anders denken als sie.“ Unter aktiver Frauenpolitik versteht die Grüne jedenfalls nicht, dass man/frau immer nur Frauen wählen muss. Eine gesetzliche Frauenquote, wie sie ihre Partei seit jeher einfordere, trage zu einer stärkeren Repräsentation von Frauen auf institutioneller Ebene bei. „Eine Politik für Frauen muss darauf abzielen, mehr Frauen in die Politik zu bringen und die Unterrepräsentation zu überwinden, aber die italienischen Fraktionen haben eben leider nur eine Frau zur Verfügung. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr Frauen in der Politik zur Wahl stehen“, erklärte Brigitte Foppa.

Die überzeugte Feministin und Quoten-Kämpferin Julia Unterberger hält die Argumentation von Foppa, Rieder und Co. für stichhaltig. Die SVP-Politikerin schickt voraus, sich in den konkreten Fall im Landtag nicht einmischen zu wollen, weil sie Frau Mattei zu wenig kenne. Sie glaube aber, dass der Einsatz für mehr Frauen in Spitzenpositionen mit dem Vorbehalt gegen eine bestimmte Frau vereinbar sei. „Sonst müssten ja alle Frauenrechtlerinnen immer für die Frau sein, von Marine Le Pen über Alessandra Mussolini bis hin zu Giorgia Meloni – das wäre ziemlich absurd“, betont Julia Unterberger, Chefin der Autonomiegruppe im Senat. Im Zweifel kann „frau“ also dem Mann den Vortritt geben? Julia Unterberger: „Im Einzelfall natürlich. Wie so oft in der Politik muss man abwägen, was gewichtiger ist: der allgemeine Einsatz für Frauen oder andere Bedenken in Bezug auf die zur Wahl stehende Frau.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (20)

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  • andreas

    Typisch, einerseits wollen sie den Wählern Frauen „aufzwingen“, andererseits dann doch wieder nicht, wenn deren politische Ideologie nicht mit der eigenen übereinstimmt.
    Jedenfalls stehen die Frauen in der Politik im Bezug auf dem Blah, Blah, welches sie verbreiten, den Männern in nichts nach.

  • george

    ‚ronvale‘, wieso „von einigen Grünen“? Das ging doch quer durch einige Parteien. Deine Vorurteile erschweren dir merkbar das objektive Denken.

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