„Nur in bestimmten Settings gut“
20 Millionen Euro gibt das Land für den erneuten Ankauf von Nasenflügeltest auf. Zahlt sich diese Investition aus? Der Osttiroler Virologe Gernot Walder klärt auf.
Tageszeitung: Herr Walder, in Südtirol setzt man derzeit viel auf Nasenflügeltests, um das Coronavirus unter Kontrolle zu halten. Die richtige Strategie?
Gernot Walder: Der Vorteil von dem Nasenflügeltest ist, dass er im vorderen Bereich der Nase abgenommen wird und ihn jeder dadurch selbst durchführen kann. Das ist aber auch der einzige Vorteil. Der Abstrich im vorderen Nasenbereich funktioniert sehr gut bei Kindern, wenn diese symptomatisch sind. Der Erreger befindet sich durch den Ausfluss dann vorne. Wir wissen, dass wir durch andere Krankheiten, wie der Influenza, dass man dann gute Resultate bekommt. Bei Erwachsenen ist die Aussagekraft bei asymptomatischen Patienten, die keine produktive Infektion der oberen Luftwege entwickeln, deutlich reduziert. Ein Hochpositiver wird mit einem Nasenflügeltest gefunden, niedrig Positive wird man im Vergleich mit anderen Abnahmearten eher übersehen.
In Schulen macht der Test also Sinn?
Speziell im Kindergarten und in der Volksschule wird man hochinfektiöse Kinder herausfiltern. Es ist also keine schlechte Wahl. Ursprünglich gab es fast keine hochinfektiösen Kinder, durch die Varianten hat sich das geändert. Infizierte mit hoher Viruslast wird man also finden, je geringer aber die Viruslast ist, desto höher ist das Risiko etwas zu übersehen. Das Rückgrat der Diagnostik kann der Nasenflügeltest also nicht sein.
In Südtirol wurden 300 Personen positiv getestet, aber nur 123 wurden mit einem PCR-Test bestätigt. Woran liegt das?
Wir kennen das Problem auch von den Antigentests. Diese Tests sind nicht so spezifisch, wie ein PCR-Test, besonders, wenn dieser auf mehrere Genabschnitte abzielt. Die Streubreite zwischen den einzelnen Herstellern ist sehr groß. Wir haben einige Tests ausprobiert und wissen, dass respiratorische Coronaviren, die es immer gab, jeden Antigentest positiv machen. Aber auch bakterielle Oberflächenstrukturen können zu einem falsch positiven Ergebnis führen. Im blödesten Fall können bestimmte Lebensmittel, die man vorher eingenommen hat, ein falsch positives Ergebnis hervorrufen. Daher muss jeder positive Nasenbohrtest auch mit einem PCR-Test bestätigt werden. Wenn man Antigentests in großem Stil privat ohne PCR-Bestätigung durchführt, gehen falsch Positive in Quarantäne und glauben danach, dass sie sicher sind. Andererseits müssen sich negativ getestete Personen nicht einem PCR-Test unterziehen, falsch negative Ergebnisse werden also kaum aufgedeckt. Das ist ein Problem.
Wie oft kommt es vor, dass der Test ein falsch negatives Ergebnis anzeigt?
Da die negativ getesteten Personen nicht mittels PCR-Test bestätigt werden, ist das schwer einzuschätzen. Das variiert auch relativ stark je nach Hersteller. Laut einer rezent veröffentlichten Studie) dürften ca. 10 Prozent der negativen Tests falsch negativ sein. Viruslasten unter 100 PFU werden oft, Viruslasten unter 10 PFU fast immer übersehen. Das wirkt sich in den ersten Stunden nach der Testdurchführung kaum aus, nach 24 Stunden kann so eine Person aber hochinfektiös sein.
Kann ein negatives Ergebnis auch zu Stande kommen, weil man den Test falsch anwendet?
Beim Nasenbohrtest kann man grundsätzlich nicht viel falsch machen. Das Problem liegt eher am Test an sich. Je weiter man im Erwachsenenalter voranschreitet, je weniger symptomatisch die Personen sind und je weniger Viruslast man in sich trägt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines falsch negativen Resultates. Die Wahrscheinlichkeit, den Test nicht richtig durchzuführen, ist klein.
Ist es also falsch, jetzt auf die Nasenflügeltests in der breiten Masse anzuwenden?
Es ist besser als nichts, aber es ist nicht so dass es nichts Besseres gibt. Ein konventioneller Antigentest würde mehr Sicherheit geben, ein PCR-Abstrich sowieso.
Die Landesregierung argumentiert damit, dass durch die Nasenflügeltests unerkannt positive herausgefischt werden. Funktioniert das tatsächlich?
Massive Ausscheider wird man mit dem Nasenflügeltest erkennen. Er trägt also mit Sicherheit zur Risikoreduktion bei, sollte aber mittels PCR-Test bestätigt werden. Ein negativer Test kann, wie oben ausgeführt, trügerisch sein. Wir wissen seit dem Herbst: Wenn der Erreger mehrere Tage in der Population zirkuliert, kann die Seuchenkette schnell unkontrollierbar werden. Wenn man zu viele Positive übersieht, wird man also irgendwann ein Problem bekommen. Das einzige Rückgrat der Diagnostik kann ein Nasenflügeltest nicht sein, in bestimmten Settings ist er aber sinnvoll.
Welche Settings meinen Sie damit?
Bei einer privaten Feier ist es besser, einen Nasenflügeltest zu machen, als gar nichts zu tun. Auch vor Unterrichtsbeginn, einer Vereinsveranstaltung oder bei einer Sitzung in einem geschlossenen Raum mit genügend Abstand macht der Nasenflügeltest Sinn. Hier handelt es sich ja um einen begrenzten Zeitraum. Anders zum Beispiel bei Arbeitskräften oder bei Touristen: Wird eine Person nach der Ankunft getestet, sollte man auf sensitivere Tests setzen und negative Ergebnisse durch Wiederholung bestätigen. Personen, die aus fernen Gebieten kommen, tragen immer die Gefahr der Einschleppung neuer Varianten. Wird so eine Infektion beim Eintrittstest übersehen, ist das ungünstig.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (15)
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genuaischgenua
Interessantes Interview. Wie wird eigentlich die Infektiosität eines an Covid Erkrankten festgestellt? Habe bis dato von PFU noch nichts gehört und nur gelesen, dass die Infektiosität anhand des Ct-Wertes beim PCR Test ermitttelt wurde?
genuaischgenua
P.S. Könnte man die Infektiosität gut feststellen, könnten andere Strategien der Quarantäne angewendet werden bzw. Positive weniger lang in Quarantäne gesteckt werden.
steve
Es könnten sich einfach alle impfen lassen und die Sache ist aus der Welt.
PFU, CT und PCRM Diskussionen können wir uns dann sparen
bernhart
Dipolmatisch geschrieben, am Ende versteht keiner etwas.
george
Wenn ‚bernhart‘ nichts vom Inhalt verstanden hat, kann er daraus nicht schließen, dass „am Ende keiner etwas versteht“.