Freundschaft, Liebe zur Musik, Humor
Die Brixner Initiative Musik & Kirche eröffnete mit dem Ausnahme-Vokalensemble amarcord und dem Klenke Streichquartett ihre heurige Konzertreihe. Heute Abend sind sie um 20.00 Uhr im Kurhaus Meran bei Musik Meran zu Gast. Ein Gespräch mit Annegret Klenke, Beate Hartmann, Yvonne Uhlemann und Ruth Kaltenhäuser.
Tageszeitung: Frau Klenke, definieren Sie das Klenke Quartett in drei Worten …
Annegret Klenke: Freundschaft, Liebe zur Musik, Humor.
Erinnern sie sich noch an die gute alte Zeit ohne Abstandsregeln auf einer Konzertbühne?
Beate Hartmann: Aber ja! Und wir sehnen diesen Zustand wieder herbei. Kammermusik, besonders Streichquartett, ist eine sehr intime Musizierform. Da ist Nähe essentiell.
Wie kamen Sie mit dem Stillstand des Musikbetriebs zurecht?
Yvonne Uhlemann: Nach einer ersten Schockstarre versuchten auch wir, neue Wege zu gehen, unser Publikum über andere Kanäle zu erreichen und durch neue Ziele und Projekte einfach immer dran und zuversichtlich zu bleiben. Doch der direkte Kontakt und Austausch, das Liveerlebnis fehlt natürlich sehr. Und wie sehr vermisst man es auch abseits des eigenen Musizierens, mal wieder in die Oper oder das Theater gehen zu können.
Wie lange konnten Sie nicht zusammen proben?
Ruth Kaltenhäuser: Seit dem harten Lockdown im Dezember hatten wir zunächst 2 Monate keine gemeinsame Probe. Dann haben wir uns wieder getroffen, um Konzerte vorzubereiten, die dann leider wieder abgesagt und erneut verschoben werden mussten. Seit Beginn der Pandemie insgesamt ca. 24 Wochen.
Sind Sie nie in Depression und Resignation verfallen? Wie motiviert man sich, wenn es keine Auftrittsmöglichkeiten gibt?
Annegret Klenke: Natürlich gab es bei uns auch sehr deprimierte Tage, wo man das Instrument mal nicht ausgepackt hat. Wir haben dann versucht, den Blick nach vorne zu richten. Z.B haben wir angefangen, ein beliebtes Gesprächskonzertformat unseres Kammermusikvereins „auftakt“ in Weimar mit dem Musikwissenschaftler und Dirigenten Peter Gülke digital zu produzieren, sozusagen zu konservieren. Das war ohne Publikum möglich und wir hatten gleichzeitig ein Ziel vor Augen, auf das wir hinarbeiten konnten.
Mit „Klangwege“ haben Sie ein Corona-kompatibles Konzertexperiment initiiert. War das ein Versuch, zusammen zu spielen, wenn man gar nicht zusammen sein darf?
Beate Hartmann: Konzertveranstaltungen sind durch ihre gesamten Abläufe und Strukturen gemeinschaftsstiftend. Aber statt Nähe gilt es in Zeiten der Pandemie, Abstand zu halten. „Klangwege“ war der Versuch, all das, was für ein Konzert normal ist, gezwungenermaßen aufzulösen. Keine Konzertkasse, kein definierter Beginn, die Verortung im Raum – hier das Publikum, dort die Musiker – zu verlassen und letztlich auch der Versuch, mit größtmöglicher Distanz zusammen zu musizieren. Es war ein spannender Versuch mit offenem Ausgang. Insgesamt 8 Durchläufe des Streichquartetts „Punctum“ von C. Shaw spielten wir in jeweils unterschiedlichen Positionen in der Kirche. „Punctum“ liegt der Choral „Befiel du deine Wege“ zugrunde, was sowohl Hoffnung- als auch gemeinschaftsstiftend war.
Während des Lockdowns waren Kunst und Musik nach ganz unten zu den verzichtbaren Luxusgütern verbannt. Was ist das für ein Gefühl, wenn man als Künstlerin für systemirrelevant erklärt wird?
Yvonne Uhlemann: Kulturevents leben nun mal von zwischenmenschlichen Begegnungen aller Art. So ist es zunächst ganz nachvollziehbar, dass man sich hier im Rahmen der Kontaktbeschränkungen zur Pandemiebekämpfung sehr begrenzen muss. Doch der Mensch lebt eben doch nicht nur vom Brot allein… Und wie wichtig Kunst und Musik für die Menschen ist, spürten wir bei jedem der wenigen möglichen Auftritte (in Form von Musikalischen Andachten, bei unserem Corona-kompatiblen Konzertexperiment u.ä.). Die Zuhörer sogen die Musik förmlich auf, waren erfüllt, beglückt, konnten Kraft tanken, Trost finden, und gaben uns auch ganz deutlich zu verstehen, wie sehr wir Künstler doch gebraucht werden.
Kultur muss sich immer wieder selbst erneuern, heißt es. Wie erneuert kommt sie aus der Corona-Krise heraus?
Ruth Kaltenhäuser: Seit Beginn der Pandemie hat man verschiedene Varianten auf Abstand ausprobiert, vor allem aber auf digitale Formate gesetzt. Das war für die erste Zeit sicher gut. Doch das Liveerlebnis, die Verbindung zum Publikum, die sich dabei entwickelnde gemeinsame Spannung ist durch nichts zu ersetzen. Diese noch stärkere Wertschätzung ist besonders. Wir hoffen natürlich, dass es viele Veranstalter und Künstler geschafft haben, durchzuhalten, denn wir wollen das Publikum doch weiterhin mit unseren Konzerten anrühren und erfreuen.
Sie haben das Quartett noch während Ihres Studiums in Weimar gegründet. Haben Sie als Namensgeberin damals die Initiative ergriffen?
Annegret Klenke: Das Fach Kammermusik muss man ja im Rahmen des Studiums belegen. Wir beiden Geigerinnen kannten uns schon gut, waren Freundinnen geworden und wollten unbedingt Streichquartett spielen. Bratsche und Cello wurden uns dann tatsächlich von unserem Dekan zugeteilt. Ein Glücksgriff!
War von Anfang an klar, dass es ein reines Frauenquartett sein sollte?
Beate Hartmann: Das war reiner Zufall, oder auch Fügung? Auf jeden Fall war es für uns nichts Ungewöhnliches, als professionelles Frauenquartett zu arbeiten. Wir alle sind in der DDR groß geworden. Unsere Mütter waren allesamt berufstätig, völlig normal zu DDR-Zeiten.
Unvermeidliche Frage: Spielen Frauenquartette anders als Männer oder gemischte Quartette?
Yvonne Uhlemann: Unvermeidliche Gegenfrage: Hören Sie bei einer Ihnen unbekannten Einspielung, ob da Frauen oder Männer spielen? Jedes Quartett hat sicher durch seine individuelle Zusammensetzung auch seinen eigenen ganz spezifischen Klang. Die Geschlechter spielen da meines Erachtens eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist doch die musikalische Verbindung und Kommunikation (obwohl man hier ja tatsächlich den Frauen eine stärkere Ausprägung zuspricht…;-))
Das Quartett feiert heuer sein 30. Jubiläum. Wie feiern Sie den Geburtstag?
Ruth Kaltenhäuser: Am 5.06. ist ein Jubiläumskonzert im Musikgymnasium Schloss Belvedere in Weimar mit Tschaikowskys Sextett „Souvenir de Florence“ geplant. Wir haben die Hälfte des legendären Cherubini Quartetts dabei, mit denen wir übrigens dieses Werk auch für CD eingespielt haben. Noch ist nicht klar, wie das örtliche Gesundheitsamt entscheidet. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, den Geburtstag würdig zu zelebrieren. Unter Umständen kann es auch ein OpenAir- Konzert werden.
30 Jahre sind für eine Ehe zu Viert eine sehr lange Zeit. Kracht es da auch manchmal, kritisieren Sie sich nach einem Konzert gegenseitig?
Annegret Klenke: Nein, das ist bei uns eine goldene Regel: nach dem Konzert gibt es keine Nörgeleien! Außerdem sind neben unserer Liebe zur Musik vor allem unsere Freundschaft, gemeinsamer Humor und wenn es sein muss eine Extraportion Geduld die Stützfeiler unseres Quartetts.
Treffen Sie sich auch in Ihrer Freizeit, also außerhalb von Proben oder Konzertauftritten?
Annegret Klenke: Das schaffen wir leider eher selten, da wir ja alle Familien haben. Aber natürlich wäre eine größere Feier ohne die anderen drei vom Quartett nur halb so schön!
Das Klenke-Quartett gibt auch Kinderkonzerte, um die junge Generation für die Kammermusik zu begeistern. Wie gehen Sie dabei vor und klappt das?
Yvonne Uhlemann: Hier haben wir wirklich durchweg positive Erfahrungen. Oft sind wir selbst erstaunt und überrascht über die Einfälle und Bemerkungen der Kinder, die einfach so herrlich begeisterungsfähig und offen für alles sind. Unser letztes Kinderkonzert entstand anlässlich des Beethovenjahres 2020 in Zusammenarbeit mit dem Musikpädagogen Raphael Amend zu Beethovens „Harfenquartett“. Spielerisch, interaktiv und mit körperlichem Einsatz wurden die Kinder an diese anspruchsvolle Musik herangeführt und beglückten uns am Ende eines Konzertes spontan mit der „Ode an die Freude“!
In Brixen und Meran führen Sie Joseph Haydns instrumentale Passionsgeschichte „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ auf, das Sie bereits eingespielt haben. Haydn wollte beim Zuhörer „den tiefsten Eindruck in Seiner Seel“ erwecken. Lässt sich das in unserer säkularen Zeit noch machen?
Ruth Kaltenhäuser: Auf jeden Fall. Jeder, der Ohren hat und sich auf Musik einlassen kann, wird mitgenommen. Dafür ist auch keine besondere musikalische Bildung nötig. Die Einleitung reißt den Zuhörer sofort mit, dann folgen sieben langsame Sonaten, die in ihrer Empfindung und Ausdruck jeweils einem Satz Jesu zugeordnet sind. Man kann beispielsweise bei „Heute wirst Du mit mir im Paradies sein“ das erreichte Jenseits durch den Wechsel vom düsteren c-moll nach hellem C-Dur sehr gut nachempfinden, bei „Mich dürstet“ bereiten einem die trockenen Pizzicati in den Begleitstimmen regelrecht eine trockne Kehle… Und nicht zuletzt das “Erdbeben“ lässt den Boden ins Wanken geraten.
Interview: Heinrich Schwazer
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