So geht Freude
Es ist einfach schön, einen Film auf Leinwand zu sehen. Bei Evi Romens „Hochwald“ habe ich bemerkt, dass mir online viel entgangen ist.
von Renate Mumelter
Mich freut’s, dass ich seit Donnerstag wieder ins Kino darf. Evi Romen freut’s, dass die Bozner „Hochwald“-Premiere den Kino-Neustart furios einleiten konnte. Genauso freut es Evi Romen, dass sie in neun wichtigen Kategorien für den Österreichischen Filmpreis nominiert ist. Auf ihrer Facebook-Seite klingt diese Freude so: „Ähm, was sagt man da… – bin überwältigt, freu mich ‚einen Haxn aus‘ !!!!!!!“ und sie dankt allen, die mit ihr „auf die Reise gegangen sind“. Beim Reisen mit dabei war der wunderbare Innichner Thomas Prenn als Mario.
Mario
Mario kommt aus dem Dorf Hochwald, er ist jung, feinfühlig, voller Lebensfreude, aber er darf nicht sein, wer er ist. „Passt schon“ sagt er, und sein Blick wird todtraurig. Wenn es gar nicht mehr geht, tanzt Mario sich weg. Das wird im Dorf nicht gern gesehen. Seine Zuneigung zu Männern auch nicht. Marios ständige Begleiterin ist eine silbrige Lockenperücke. Mit ihr bringt er sich zu sich selbst.
Heimat
„Es freut mich, an den Ort zu kommen, der mir die Kraft gegeben hat, diesen Film zu machen“, sagte Evi Romen bei der Bozner Premiere. Heimat. Heimat ist aber nicht Bergspitzen und Idylle. Die Heimat ist Welt.
Zwischen Dorf und Stadt gibt es alles. Einiges wird heimlich gelebt, der flotte Dreier genauso wie klammheimliche „Handdienste“. Es gibt verständnisvolle Menschen, verschiedene Religionen und deren Traditionen, beruhigenden Wald. „Hochwald“ will nicht zeigen, wie es am Bozner Bahnhof, in Jenesien oder in Kohlern zugeht, „Hochwald“ ist keine Doku. Es geht um eine dörfliche und eine städtische Gemeinschaft. Mit der Seilbahn pendelt Mario auf und ab. Die Stimme des Dorfes ist mit dem Bahnlbegleiter immer dabei.
Wenn der rote, absichtlich unscharf-körnige Filmvorspann startet, tut sich Marios Welt auf. Dort einzutauchen ist ein Vergnügen. Das zweite Vergnügen ist es, genau hinzuhören, denn in „Hochwald“ zählen nicht nur die Bilder sondern auch der Ton. Es sind Töne, die wie zufällig mit dabei sind, eine Sirene aus der Stadt bei der Bergfahrt, zwitschernde Vögel, ferne Kirchenglocken im Wald, Oh-Du-Fröhliche vor der Mette und gleich danach Discosound. Diese Töne erzählen Heimat, die Filmmusik auch. „Hochwald“ vermittelt das Gefühl von Heimat als eine sehr zwiespältige Angelegenheit, denn Heimat findet auch Mario nur in sich selbst.
Leinwand
Übrigens, ein Luis-Trenker-Plakat und eins von Giorgio Moroder habe ich online genauso wenig gesehen wie die Bozner-Bier-Werbung. Noch einmal erstrahlt die frühere die Bahnhofsbar in ihrer alten Pracht. Soviel Südtiroler Blick darf sein.
„Hochwald“ ist voller Lebensenergie und groß ist die Freude darüber, dass am Ende ein befreiter Geißbock für Marios Freiheit steht.
KINO
„Hochwald“, AT/BE 2020, 107 Min., Regie: Evi Romen, mit: Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed, Kida Khodr Ramadan. Sehr sehenswert
„Nomadland“, USA 2020, 108 Min., Regie: Chloé Zhao, mit: Frances McDormand. Mehrere Oscars, am Montag OMU
„Rifkin’s Festival“ USA/ES 2020, 92 Min., Regie: Woody Allen. Allen-Film, am Montag OMU
„Und morgen die ganze Welt“ FR/DE 2020, 111 Min. Regie: Julia von Heinz, mit: Mala Emde, Noah Saavedra, Tonio Schneider, Andreas Lust, Montag 19.30 Astra Brixen
Online: „Das seltsame Haus“, IT 1985, 40 Min., Regie: Karl Prossliner und Talk mit Charlotte Hartungen
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